Kleider machen Leute, sind aber ÜBERFLÜSSIG und NERVIG!

Ahicanámira

Ich löffle Suppe, Gemüsesuppe mit Fleisch. Viele Elben essen kein Fleisch, aber in der Armut meines vorherigen Lebens konnte ich mir so etwas nicht leisten und jetzt will ich damit nicht unbedingt aufhören. Während ich mit dem Brot die Schale auswische, betritt eine junge Frau mein Zimmer. "Ich soll euch zum König führen, ihr müsst euch ihm vorstellen." Ich starre sie an: "Wer seid ihr und kann der König nicht zu mir kommen, wenn er mich unbedingt sehen will?! Ich weiß nämlich nicht, ob ich aufstehen darf." Gut, es ginge höflicher, aber irgendwie ist mir die Frau unsympathisch. Ich bin seit etwas mehr als einer Wochen hier. Dank der elbischen Schnellheilung sind viele meiner Wunden halbwegs verheilt, offenbar ist es jetzt Zeit für eine offizielle Vorstellung. "Ich bin Eowyn, die Nichte des Königs, und ich habe mit den Heilern gesprochen, für diesen Anlass dürft ihr das Bett verlassen." Die Nichte des Königs, aha, und wie soll ich nun reagieren? Ich kann weder knicksen, noch habe ich andere Erfahrung mit dem Hofprotokoll von Rohan. Ich war nie im Palast des Düsterwaldes, wo ich so etwas hätte gebrauchen können. Mein Vater stand zu solchen Sachen ähnlich wie zum Lesen: überflüssig, du bist ein Bauernmädchen, lerne lieber, wie man Getreide anbaut und Kühe melkt. Eowyn blickt mich an: "Also, was ist? Ich habe dir einige Kleider heraus gesucht. Du kommst mit und probierst sie an." Kurz bin ich versucht, wie ein kleines Kind nach dem "Zauberwort" zu fragen, ihr Tonfall passt mir gar nicht! Was bildet die sich sein? Gut, ich bin erst 734 Jahre alt und damit jung für eine Elbin, aber ich bin viel älter als vielleicht 20 Jahre alte Frau vor mir. Ich greife nach einer sauberen Hose und Tunika. Sie sind aus dem Düsterwald! Valar, was macht Legolas' Kleidung hier?! Eowyn stützt mich auf dem Weg zu ihren Räumen, meine Beine fühlen sich an, als wären sie statt mit Knochen mit Haferbrei gefüllt worden. Außerdem ist mein Rücken immer noch nicht ganz verheilt. Eowyns Räume sind groß, wie es sich für eine Prinzessin gehört. An ihrem Schrank hängen verschiedene Kleider, alle relative prächtig, Immerhin ist sie auch ein Mitglied der Königsfamilie. Alles nicht mein Stil, wieso darf ich nicht in Tunika und Hose zu Theoden? Nach einigen Überlegungen entscheide ich mich für ein fliederfarbenes und weißes Kleid, das auf schmerzliche Art und Weise den Kleidern meiner Emel (Mutter) ähnelt.

Eowyn wirkt verblüfft und entsetzt, als sie meinen Rücken sieht. Die meisten Peitschenstriemen sind verbunden, aber an meinen Schultern und in meinem Nacken sieht man die genähten und verschorften Platzwunden. Nicht schön! Immerhin, im Gegensatz zu Legolas' Tunika passt mir Eowyns Kleid halbwegs. Dafür riecht es nicht nach Sonne und Wald. Schade. Verdammt, was denke ich da? Wer bei den Valar pfuscht in meinen Gedanken rum?! Gemeinsam laufen wir zum Thronsaal. Eigentlich läuft Eowyn und ich versuche humpelt mit ihr Schritt zu halten. Als wir dort ankommen, ist mir so schwindelig, dass ich dankbar für die starken Arme eines gewissen Elben bin, sonst wäre ich bestimmt gestürzt. Das etwas zu lange Kleid macht es auch nicht besser. Alles in allem gibt es keinen Grund, warum ich mich jetzt erst um Kleid kümmern musste und dann mich hier her quälen musste. "Lady Ahicanámira,...",beginnt der König, aber ich schneide ihm das Wort ab: "Entweder Ahicanámira oder Ahi, aber bloß nicht irgendwas mit "Lady". Ich bin die Tochter eines Bauern, keine Adelige, und nur zufälliger Weise eine Elbin und in diesem Chaos!" Ich zittere und habe ein schlechtes Gewissen, dass ich gerade den König angebrüllt habe. Wie gesagt, vom Hofprotokoll habe ich keine Ahnung, aber Anschreien ist immer unhöflich. Langsam atmet der alte König durch: "In Ordnung, Ahicanámira. Was kann Cemna?" Ich seufzte und werfe Aragorn einen Blick zu. "Das hatten wir doch schon, ich habe keine Ahnung und ich will es auch nicht wissen. Dieser Ring hat meine Familie, meine Freunde, mein Dorf auf dem Gewissen! was auch immer Cemna kann, ich werde ihn NICHT einsetzen, nicht nach dem..." Meine Stimme bricht, Tränen laufen mir über die Wangen. Ich beiße mir auf die Unterlippe um nicht los zu schluchzen und senke den Blick auf meine verbundenen und in meinem Schoss liegende Hände. Legolas rückt näher an mich heran: "Schh, alles ist gut, Ahi. Niemand wird dich zu etwas zwingen oder dich wieder verletzten. wir passen auf dich auf." Aragorn blickt Legolas, in seinen Augen steht: "Das kannst du nicht versprechen." Theoden und Eomer blicken einander an. "Also", beginnt der Jüngere, "kannst du uns zu deinem Dorf führen? Oder zumindest einige von uns?" Ich beruhige mich langsam, dann zucke ich mit den schultern und verziehe fast sofort das Gesicht. Scheiß Verletzungen, scheiß Zauberer, scheiß Krieg! Ich beginne, genau das zu wiederholen, was ich Aragorn schon in den Häusern der Heiler erzählt habe. Davon, dass ich das Dorf nicht auf einer Karte finden kann, weil ich weder Lesen kann, noch den Namen meines Dorfes kenne. Davon, dass ich auch keine Ahnung habe, ob mein Dorf im Norden oder im Süden der Berge liegt. "Moment", unterbricht mich Legolas, "wenn die Sonne links von dir aufgeht, wo sind dann die Berge, vor oder hinter dir?" Ich überlege kurz und stelle mir mein Dorf und den Sonnenaufgang vor. "Hinter mir. Und vor mir sind die Felder, rechts sind die Scheunen und links die Wohnhäuser." Legolas lächelt: "Dann liegt dein Dorf im Norden der Berge. Das heißt, wir müssen nicht 15, sondern nur 4 Dörfer durchsuchen." "Im Norden ist der Boden weniger fruchtbar, deshalb lebt dort kaum jemand," fügt er mit einem Blick auf die Rohirrim hinzu. Ich nicke nur, unsere Ernten reichen tatsächlich nur zum Überleben, verkaufen können wir selten etwas. Zum ersten Mal an diesem Tag spricht Merry: "Hört auf sie auszuquetschen, sie ist ganz abgemagert und erschöpft." Er schiebt mir den Teller mit Obst, von dem er die ganze Zeit gegessen hat, zu. Dankbar lächele ich ihn an und beginne mir Weintrauben und Aprikosen in den Mund zu stopfen. Die Männer wirken tatsächlich etwas betreten, der kleine, jungenhafte Hobbit hatte eine gute Idee, eine sehr gute Idee und das beste: er ist menschlicher als die Menschen! Vielleicht, weil er ebenso wie ich nichts mit Königen und Co. zutun hat und es sich leisten kann, nur die Befehle zu befolgen. Trotzdem muss ich reden. Erst bloß über mein Dorf, dann wie Cemna zu uns gelangt ist und schließlich über meine Zeit im Kerker von Isengard. Meine Augenlider werden schwer und alles dreht sich vor mir. Ich fühle mich gleichzeitig leicht, so als könnte ich schweben, und unglaublich erschöpft. "Ahi? Verdammt Ahi!" Legolas' Stimme dringt zu mir wie durch eine dicke Schicht Watte. Dann wird alles schwarz.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top