Kapitel 58

Mein Kopf tat weh. Angestrengt versuchte ich die letzten Fragen der Prüfung zu beantworten, doch irgendwie ging nichts mehr. Ich fühlte mich, als würde nächstens Rauch aus meinen Ohren kommen. Seufzend sah ich auf die Uhr. Nur noch fünf Minuten. Mein Blick wanderte zu Liam rüber, welcher gelangweilt aus dem Fenster sah. Er war schon seit einigen Minuten fertig. Kein Wunder, er war ja auch einer der Besten unseres Jahrgangs. Okay, jetzt nochmal Konzentration. Ich sah auf das Blatt vor mir und versuchte mit den Augen zu fokussieren, doch nach sechs Stunden Prüfungen, sah ich fast nur noch verschwommen. Zum Glück mussten wir das nur den halben Tag machen und hatten den Rest des Tages frei. Angestrengt gab ich mir Mühe, wenigstens etwas in die leeren Felder zu schreiben. Auch wenn es vielleicht komplett falsch war, so hatte ich es wenigstens versucht. Gerade als ich das letzte Wort schrieb, meldete sich der Lehrer zu Wort und beendete die Prüfungszeit. Ein allgemeines Seufzen hallte durchs Schulzimmer. Jeder brachte seine Prüfung nach vorne und wir verliessen das Zimmer. Ich verabschiedete mich von meinen Freunden und schlurfte raus zum Auto. Die Tür zog ich hinter mir zu und atmete einmal tief durch. Was für ein Morgen. Ich hoffte bloss, dass es morgen nicht wieder so anstrengend würde. Vielleicht hätte ich auch mehr lernen sollen...

Seufzend machte ich Harrys Musik an und fuhr los. Zwar waren es nur fünf Minuten nach Hause, doch es reichte für knapp zwei Songs, die ich lauthals mitsingen konnte, um den Stress des Morgens zu vergessen. Zu Hause angekommen merkte ich sofort, dass Mums Auto nicht in der Einfahrt stand. Bestimmt war sie jetzt mit Harry einkaufen. Das bestätigte sich, als ich ins Haus kam und keiner Antwortete. Also ging ich hoch in mein Zimmer und machte wieder Musik an. Ich drehte sie laut auf und warf mich mit meinen Schulbüchern auf mein Bett. So konnte ich jetzt die Zeit etwas nutzen, um die Fächer von Morgen noch etwas zu repetieren. Morgen war Geografie, Geschichte und Recht dran. Drei Fächer die ich hasste und daher auch bestimmt schlecht abschliessen würde. Da schadete es also nicht, nochmal über die Bücher zu gehen. Gelangweilt blätterte ich durch die Seiten und fing an die Lieder mitzusummen. Irgendwann fing ich leise an zu singen, was schlussendlich in lautem Gesang endete, wie ich es sonst nur im Auto tat, doch es war ja eh niemand zu Hause. Dachte ich jedenfalls, so lange bis plötzlich eine zweite Harry Stimme miteinstimmte. Erschrocken sah ich von den Büchern hoch und verstummte. Harry stand in der Tür und sang voller Gefühl mit.

„Was machst du denn? Sing weiter, du hast eine wundervolle Stimme!", ermutigte er mich, doch ich schüttelte bloss den Kopf. Ich liebte es zu singen, doch vor anderen Leuten konnte ich das nicht. Ich war zu schüchtern dafür. Lächelnd kam Harry zu mir rüber und sang weiter Sweet Creature. Neben mir liess er sich aufs Bett fallen und zog mich in seine Arme. „Komm schon. Für mich.", schmollte er. Er sang weiter und sah mich auffordernd an. Leise fing ich an mit zu singen und versuchte auch wirklich jeden einzelnen Ton zu treffen. War doch peinlich vor Harry daneben zu singen, er war Profi! Er deutete mir mit der Hand, dass ich lauter singen sollte. Wieder schüttelte ich den Kopf und Harry rollte sich auf mich. „Sing lauter!", befahl er und fing an mich auszukitzeln. Lachend versuchte ich ihn von mir runter zu drücken, doch ich hatte keine Chance gegen ihn, er war viel zu stark. Damit hatte er allerdings genau das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte. So konnte ich nämlich nicht mehr singen. Er kitzelte mich so lange, bis das Lied vorbei war. Endlich konnte ich wieder durchatmen. Harry griff nach meinem Handy und machte die Musik aus.

„Lou, du singst wunderschön. Warum habe ich dich noch nie singen gehört?", fragte Harry. Ich zuckte bloss mit den Schultern und starrte an die Decke, wo mich ein zweidimensionaler Harry anstarrte.

„Ich trau mich nicht, vor andern zu singen. Ausserdem bist du der Sänger von uns beiden, neben dir hör ich mich an wie eine Katze um zwei Uhr morgens.", gab ich zu. Harry lachte und legte sich wieder neben mich. Auch er starrte an die Decke, was für ihn wohl immer noch gewöhnungsbedürftig war.

„Lou, du hast eine wundervolle Stimme und ich finde, die sollte jeder hören dürfen. Deine Stimme ist einzigartig!", lobte er mich. Rotwerdend kuschelte ich mich an seine Seite. Eine Weile lang schwiegen wir, bis Harry dieses brach. „Soll ich dir beim Lernen helfen?" Ich nickte und setzte mich wieder aufrecht hin. Harry fragte mich zu einigen Themen ab, was erstaunlicherweise nicht mal so schlecht lief. Ich wollte ihn beeindrucken, weshalb ich mir auch extra viel Mühe gab, mich an die Antworten zu erinnern. Noch dazu erhielt ich für jede richtige Antwort einen Kuss. Vielleicht sollte ich Harry morgen mit zur Schule nehmen, dann würde ich definitiv bestehen!

Er lernte den ganzen Nachmittag mit mir, bis er irgendwann runter ging, um zu kochen. Er wollte sich damit bei meiner Mum bedanken, dass er die Woche hier bleiben durfte, was ich echt süss fand. Ich bot ihm an, zu helfen, doch er bestand darauf, dass ich weiterlernte. Also blieb ich in meinem Zimmer und steckte weiterhin die Nase in die Bücher, bis er mich irgendwann rief. Bereits auf der Treppe roch es verdammt gut und ich fragte mich echt, ob ich mir da einen Sternekoch geangelt hatte. Erst die selbstgemachte Tomatensauce und jetzt was auch immer da gerade so lecker roch. In der Küche angekommen staunte ich über den vollen Tisch. Da war einfach alles für einen mexikanischen Abend. Tacos, Tortillas, Nachos und alles was es zum Füllen brauchte. Harry zog mir einen Stuhl zurück und ich setzte mich hin. Meine Mutter sass bereits mir gegenüber und staunte ebenfalls nicht schlecht. Harry hatte sogar alles selbstgemacht. Also, bis auf die Tacos und Tortillas.

Sofort fing ich an, mir was zusammen zu stellen und konnte auch gar nicht mehr aufhören. Es war einfach zu lecker! Schlussendlich sass ich da und kämpfte mit den letzten Bissen, weil ich einfach viel zu voll war.

„Ich kann nicht mehr...", keuchte ich und sah auf das letzte Bisschen in meiner Hand. Harry beugte sich zu mir rüber und nahm mir diese Last ab, in dem er es mir direkt aus den Fingern ass und mir mit vollem Mund einen Kuss auf die Wange gab. Gott, war mein Freund süss!

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