[05]
Jisung PoV
Ich hatte den Rasen geschnitten, was deutlich länger dauerte, als ich erwartet hatte, während Minho irgendwas am Dach machte. Was genau da sein Plan war, wusste ich auch nicht, aber ich vertraute einfach darauf, dass es funktionierte, denn selbst wenn er es mir erklären würde, hätte ich wahrscheinlich keine Ahnung, ob das sinnvoll war.
Inzwischen waren wir beide mit unseren Aufgaben fertig und er hatte sich auf die Bank gelegt, wodurch jedoch kein Platz mehr für mich war.
"Machst du Platz für uns beide?", fragte ich sehr darauf bedacht, es nicht wie einen Befehl klingen zu lassen.
"Du hast da einen Stuhl, Sung.", antwortete er, ohne auch nur einmal die Augen zu öffnen. Seitdem ich darüber geredet hatte, wie meine Klasse über mich redete, hatte er nicht einmal meinen vollen Namen gesagt, sondern diesen immer mit 'Sung' abgekürzt, was ich irgendwie süß von ihm fand. Als würde er mich nicht an die negativen Erfahrungen mit meinen Klassenkameraden erinnern wollen. Da ich keine große Lust auf eine Diskussion hatte, setzte ich mich in den Stuhl und legte meine Beine über die Armlehne, sodass ich quasi im Stuhl lag.
"Manche Klischees sind absoluter Schwachsinn, aber es stimmt echt, dass Leute, die gay sind, nicht normal sitzen können.", lachte er, als er meine Position sah.
"Ich kann normal sitzen. Ich will nur nicht.", erwiderte ich und lehnte meinen Kopf an der Stuhllehne an.
"Du siehst aus, als würdest du mit dem Stuhl kuscheln wollen.", grinste er.
"Lass mich halt.", brummte ich zurück. "Wow... Ich hab ewig nicht mehr mit irgendwem gekuschelt. Das letzte Mal vor einem halben Jahr mit Chan, als ich bei ihm gepennt habe und wir vor dem Fernseher eingeschlafen sind."
"Ich kuschel manchmal mit meiner Schwester, wenn sie Alpträume hat oder so. Aber das ist ja was anderes. Und Chan? Wer ist das?"
"Einer meiner besten Freunde. Bang Chan und Seo Changbin. Keine Ahnung, ob dir die Namen was sagen."
"Ohh du kennst Chris und Changbin?"
"Ja, die beiden haben mich quasi bei sich im Freundeskreis aufgenommen. Woher kennst du sie?"
"Changbin's Vater ist mit meinem befreundet. Hat ihm ziemlich bei gestanden, als meine Mutter gegangen ist und irgendwann hab ich dann halt Changbin kennengelernt und Chris war auch mal mit dabei, als wir uns getroffen haben."
"Tja, die Welt ist manchmal eben doch kleiner, als man denkt. Ich bin nur ein wenig überrascht, dass sie uns einander noch nie vorgestellt haben."
"Du bist enttäuscht, weil du mich gerne länger gekannt hättest, gib es zu."
"Du bist sehr von dir überzeugt, oder?"
"Ich bin selbstsicher. Das ist was anderes. Aber du weichst meiner Frage aus, Sung."
"Natürlich hätte ich dich gerne früher kennengelernt, mein achso geliebter, wunderbarer, tollkühner Held.", antwortete ich und klimperte mit meinen Wimpern. Er stand auf und kam mir mit seinem Gesicht so nah, dass sich mein Herz überhaupt nicht mehr einbekam.
"Dir sollte mal jemand Respekt beibringen...", hauchte er und fuhr mit seinen Fingern an meinem Kinn entlang. Es war ein schönes Gefühl. Aufregend. Kribbelnd.
Konnte man einen anderen Menschen tatsächlich so schnell so fühlen lassen?
Ich schloss vorsichtig die Augen. Alles in mir schrie danach, ihn einfach zu küssen und nie wieder gehen zu lassen, doch glücklicherweise konnte ich mich noch zurück halten.
Meine Starre endete, als er mir gegen die Stirn schnippste und ich irritiert den Kopf schüttelte. Was sollte das gerade, Jisung? Warum musstest du sowas denken?
"Du bist echt versaut.", grinste er und legte sich dann zurück auf die Bank. "Ich sage nur, dass du Respekt lernen sollst, und du erwartest direkt, dass ich dich küsse. Wahrscheinlich auch mehr als das."
"Hey, ich bin auch nur ein hormongesteuerter Teenager."
"Verstehe schon. Bist du eigentlich eher Dom oder sub?"
"Es heißt Dub oder Sub. Pff... Anime-poser."
"Das... meinte ich nicht... Vergiss es einfach. Es geht mich eigentlich auch nichts an."
"Ach du meintest... Warum zum Teufel fragst du, ob ich top oder bottom bin?"
"Neugierde und dein Verhalten eben. Aber ich schätze eher, dass du Bottom bist. Oder vielleicht auch Switch."
"Kannst du einfach nicht darüber nachdenken? Das ist weird."
"Schon wieder vergessen. Tut mir leid. Ich war einfach neugierig."
"Ist okay. Du bist ja nicht... Also naja..."
"Ich bin nicht was?"
"Ich weiß nicht, wie ich das in einem Wort sagen soll, aber ich kann dir gegenüber offen sein, ohne dass du mich zwingt weiter zu reden, wenn ich das nicht will. Und du verurteilst mich nicht. Zumindest hab ich nicht das Gefühl, dass du das tust."
"Ihh du bist ein menschliches Wesen, das zu Gefühlen fähig ist und vielleicht irgendwann mal mit jemandem schläft oder schon mal mit jemandem geschlafen hat.", erwiderte er gespielt angewidert.
"Wie abartig.", lachte ich und betrachtete den hübschen Jungen mit einem zufriedenen Lächeln. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihm und das war mir viel wert. Heute Abend würde ich mich wahrscheinlich genau hierhin zurück wünschen. Weg von dem Essen mit meinen Eltern und ihren anderen möglichen Geschäftspartnern und wieder an die Seite von Minho.
"Fuck! Minho, wie spät ist es?", fragte ich und suchte mir schnell mein Handy aus der Hosentasche.
"Keine Ahnung. Mein Handy ist kaputt und ich hab keine Uhr.", antwortete er ganz locker, während ich panisch auf mein Handy sah. Ich musste nach Hause, sonst war ich zu spät beim Essen und auf den Einlauf hatte ich keinen Bock.
"Ich muss nach Hause...", sagte ich ein wenig traurig. "Dabei wäre ich ganz eindeutig lieber bei dir geblieben."
"Wann hast du denn Zeit, dich wieder zu treffen?"
"In drei Tagen erst, weil ich morgen Nachmittag noch Klavierunterricht habe und Freitags treffe ich mich immer mit Chan und Changbin. Also Samstag? Ich kann uns auch Sandwiches machen oder so und dann essen wir hier zusammen... Dann könnten wir zusammen picknicken, falls du willst... Also wir müssen das nicht machen, wenn du nicht willst... Es war nur eine Idee, weil Samstags bei uns meistens niemand ist und ich dann kochen kann, was ich will..."
"Ich würde mich freuen, Sung.", lächelte er sanft. "Ah, warte. Ich kann dich so nicht gehen lassen."
"Huh?"
Er antwortete mir nicht, sondern stand auf, zog seinen Beanie aus, um ihn mir aufzusetzen und meine Haare darunter zu richten.
"Perfekt. Aber den brauche ich Samstag wieder."
"Warum gibst du ihn mir dann?"
"Weil du ein Einhornpflaster auf deiner Stirn kleben hast und ich nicht weiß, was deine Eltern sich dann denken. Wechsel es einfach, wenn du zu Hause bist und dann hinterfragen sie es vielleicht weniger."
"Ich bin halt in der Schule ungünstig gestolpert.", erfand ich mir einfach schonmal meine Ausrede.
"Na dann pass auf, dass du auf dem Rückweg nicht auch noch ungünstig stolperst."
"Ich passe schon auf mich auf, keine Sorge."
"Ich mache mir keine Sorgen um dich, aber wenn du unterwegs stirbst, bekomme ich meinen Beanie nicht wieder."
"Arschloch.", beleidigte ich ihn scherzhaft und schlug ihm gegen die Brust.
"Du stehst drauf.", erwiderte er grinsend.
"Und wie.", antwortete ich sarkastisch und rollte mit den Augen, doch konnte dann nicht anders als zu lächeln. "Bis Samstag, Minho."
"Bis Samstag, Sung."
Ich drehte mich um und ging, jedoch nicht ohne noch einmal zurück zu sehen und zu winken.
"Meine Lieblingssandwiches sind übrigens mit Salami, Salat und Käse!", rief er mir noch mit einem breiten Lächeln hinterher, weshalb ich ein wenig lachen musste. Ja, Minho war wirklich etwas Besonderes. Zumindest für mich.
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