[02]

Jisung PoV

"Hängen wir erstmal das Ding hier auf, bis wir was besseres haben.", meinte Minho und hob die Pläne ein Stück hoch. "Und dann besorgen wir als nächstes einen zweiten Stuhl, wenn wir hier bald häufiger zu zweit sind."

"Ich hole nächstes Mal noch einen von uns. Wir haben bestimmt noch welche irgendwo.", antwortete ich.

"Lebst du mit deinen Eltern und Geschwistern auf diesem Anwesen?", fragte er und begann das Werkzeug auszupacken, das er brauchen würde, um die Plane anzubauen.

"Mit meinen Eltern, ja. Ich habe keine Geschwister. Und du? Wie lebst du so?"

"Eindeutig anders als du. Durchschnittliche Wohnung mit meinem Vater und meiner kleinen Schwester. Wir haben da kaum Platz, um sich aus dem Weg zu gehen und deshalb bin ich häufiger mal hier."

"Weil du Zeit alleine verbringen willst? Kann ich verstehen. Deshalb komme ich auch hier her. Es ist einfach angenehm, wenn man mal eine Pause braucht."

"Ja, das stimmt. Das ist es definitiv. Manchmal wäre es vermutlich auch schön hier mit jemand anderem hier zu sein, aber naja..."

Er begann die Plane aufzuhängen, während ich sie hielt, um es für ihn einfacher zu machen. Wir würden sie so spannen, dass eine Seite noch halboffen war und der Rest komplett geschützt war

"Ja, das wäre es. Aber wenn wir uns verstehen spricht doch nichts dagegen, wenn wir uns hier treffen, oder nicht?"

"Das stimmt. Also... Erzähl noch was über dich."

"Was willst du denn hören? Meinen Namen kennst du, ich bin 17 Jahre alt und naja... Wirklich Hobbys hab ich nicht. Und du?"

"Ich bin 19 und wenn ich Zeit habe, dann tanze ich gerne."

"Mit Pirouetten und so?", kicherte ich und konnte nicht anders, als mir den Jungen neben mir beim Balletttanzen vorzustellen. Es war zwar kein schlechtes Hobby für einen Jungen, aber es passte einfach nicht zu dem, was ich bis jetzt von ihm kannte.

"Doch kein Ballett. Hip Hop."

"Yoooo, Swag. Man."

Er lachte und konzentrierte sich dann weiter auf den Akkuschrauber in seiner Hand. Wir stellten uns an die nächste Stelle, wobei mir etwas schwarzes an seinem Nacken auffiel, als sein Shirtkragen ein Stück nach unten rutschte.

"Du hast ein Tattoo?", fragte ich.

"Oh uhm... Ja..."

"Whoaaa... Das ist so cool. Darf ich sehen?"

"Wenn wir fertig sind, okay?"

"Okay. Ich will auch unbedingt eins, wenn ich älter bin. Aber erst muss ich mich noch für eins entscheiden. Es gibt viel zu viel Auswahl."

"Du hast ja noch ein Jahr, bis du es darfst. Bis dahin findest du bestimmt was, das dir gefällt."

"Hoffentlich."

"Mit Sicherheit."

Wir unterhielten uns noch weiter, während wir alles befestigten, und ich hatte endlich das Gefühl, dass mir jemand zuhörte, weil er sich tatsächlich für mich interessierte und nicht nur, weil das von ihm erwartet wurde. Auf der anderen Seite musste ich auch nicht nur so tun, als würde ich ihn mögen, weil ich ihn tatsächlich mochte.

Er legte seinen Akkuschrauber beiseite und zog sich sein Oberteil aus, was mich überrascht aufschreien ließ.

"Was zur-?! Minho! Fuck, ich bin doch viel zu schwul für sowas!", rief ich überfordert und hielt mir meine Hände vor die Augen, was ihn zum Lachen brachte. Doch ich konnte nicht widerstehen, meine Finger ein Stück auseinander zu machen und ihn anzusehen. Verdammt, er sah wirklich gut aus...

"Du kannst ruhig richtig schauen. Immerhin wolltest du doch das Tattoo sehen oder nicht?", fragte er immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, weshalb ich meine Hände langsam von meinen Augen nahm und wohl oder übel ein wenig zu lange mit offenem Mund auf seinen Oberkörper starrte. "Jisung, das Tattoo ist auf meinem Rücken und nicht auf meiner Brust."

"Oh, ja richtig. Tut mir leid. Ich wollte nicht starren... Sowas ist seltsam.", meinte ich und stellte mich hinter ihn, um das Bild auf seinem Rücken zu betrachten. Es war eine Rose, an der sich von oben nach unten eine Schlange hinunter schlängelte.

"Ach was. Alles gut. Ich weiß wie das ist. In deinem Alter war ich nicht wirklich anders."

"Sag nicht 'in deinem Alter'. Da fühle ich mich, als wärst du 40 oder so."

"Vielleicht bin ich das ja."

"Nein, dafür siehst du zu gut aus."

"Ach ja? Du findest mich also gut aussehend?", grinste er und zog sich wieder an. 

"Ja, finde ich.", sagte ich mit allem Selbstbewusstsein, das ich irgendwie aufbringen konnte.

"Ich dich auch. Du bist irgendwie süß." 

"Das ist jetzt ein wenig unangenehm zu fragen, aber bist du auch Lgbtq+?"

Er lachte einmal über meine leichte Verunsicherung, ehe er mir antwortete: " Ja, ich bin auch schwul."

"Hast du einen Freund?"

"Was wird das hier? Verhör bevor du mich nach einem Date fragst?" 

"Was? Nein, ich will auf kein Date mit dir. Ich war einfach nur neugierig...", erwiderte ich und wurde knallrot.

"Jisungie will mich daten~"

"Ich kenne dich doch noch nichtmal richtig!"

"Genau dafür sind Dates doch da oder nicht? Um sich kennenzulernen?"

"Sollten sie, ja. Aber inzwischen ist das doch auch nur ein Synonym für 'Ich kauf dir was zu Essen, tu so, als wäre ich kein Arschloch und dann machst du für mich die Beine breit, aber siehst mich nie wieder.'. Da ist überhaupt nichts mehr von richtiger Romantik übergeblieben." 

"Stehst eher auf romantisches Zeug, was?"

"Ich stehe vor allem drauf, wenn man ehrlich miteinander ist und nicht alles vortäuscht, nur weil man vögeln will." 

"Ja, ich verstehe, worauf du hinaus willst. Aber wenn sich beide einig sind, dass sie nur gemeinsam ins Bett wollen?"

"Dann ist es für mich kein richtiges Date."

"Ich sehe schon, du hast da ziemlich genaue Vorstellungen." Er seufzte einmal und sah dann auf sein Handy, das einen langen Riss von links nach recht hatte. "Ich muss wieder los. Wann sehen wir uns hier wieder?"

"Morgen so gegen 17 Uhr? Ich hab den halben Nachmittag noch Schule und Gitarrenunterricht."

"Dann um 17 Uhr. Denk du an den Stuhl und ich suche nach was, womit wir das Dach abdichten können. Und wir bräuchten vielleicht irgendwas, womit wir das Unkraut hier drinnen zähmen können."

"Ich sehe nach, was ich finde." 

"Sehr gut. Ich auch. Dann bis morgen, Jisung."

"Bis morgen, Minho."

Er lächelte noch einmal und winkte zum Abschied, ehe er zwischen den Bäumen verschwand.

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