- Marvin
Zwei Jahre später:
Wir - ich und Bryan - waren zusammen aus gewesen und wir waren beide ein wenig betrunken. Deswegen sind wir im Bett gelandet - nackt, wenn ihr wisst was ich meine.
Er bestand an dem Abend darauf, nach Hause zu fahren, weil er noch seinen Hund füttern wollte - Sina, eine Huskydame. Ich hatte versucht es ihm auszureden, was aber nicht verhinderte, dass ich mir für das Schuld gab, was dann passierte.
Und so kam es, wie es kommen musste.
Mein Bruder, der gerade in meine Straße einbog hatte Bryan übersehen, der gerade gestartet war und das Licht einschaltete, zwei Sekunden bevor der SUV meines Bruders ihn erfasste. Bryan wurde, wie die Polizei mir damals gesagt hatte, etwa 8m durch die Luft geschleudert bevor er aufkam und 3m weiter auf dem Asphalt liegen blieb. 8 seiner Rippen waren gebrochen und hatten ihn von innen heraus aufgespießt. Mein Bruder, im Auto, war komplett heil geblieben bis auf eine leichte Gehirnerschütterung und den Schock.
Das schlimmste daran war, dass ich ihn damals gefunden hatte. Ich war wegen des lauten Krachs von draußen, kurz nachdem Bryan mit einem letzten Abschiedskuss meine Wohnung verlassen hatte, skeptisch geworden. Mein Herz raste schon vor der Haustür wie verrückt und als ich dann im Schein der Laterne das Auto meines Bruders sah, war ich so geschockt, dass ich mich für kurze Zeit keinen Millimeter bewegte.
Dann war ich zur Fahrertür gelaufen, hatte sie aufgerissen und Marvin darin gefunden - bewusstlos. Schnell wählte ich den Notruf und nannte ihm die Adresse.
Ein paar Sekunden nachdem ich aufgelegt hatte, war mir ein demoliertes Motorrad im Lichtkegel des Autoscheinwerfers aufgefallen und ich ging darauf zu.
Schon anhand des Schadens, den das Gefährt erlitten hatte, konnte man nicht mehr viel Hoffnung in das Überleben des Fahrers setzten. Ich ging weiter - dieser Teil der Straße lag im Dunkeln, da die Laternen hier von den Nachbarkids immer wieder ausgetreten wurden. Doch die kleine, flackernde Hauslaterne in der Nähe reichte aus, um mir den Schock meines Lebens zu bereiten.
Zuerst sah ich nur die Silhouette eines Mannes, der auf der Straße lag. Der Kupfergeruch des Blutes stieg mir schon in die Nase, bevor ich es sah. Um so mehr meine Augen sich an die mangelhaften Lichtverhältnisse gewöhnten, desto mehr erkannte ich, dass die Gliedmaßen der Person in Richtungen zeigten, in die sie nicht zeigen sollten. Ich sah offene Brüche, Wunden und Unmengen von Blut.
Ich weiß nicht wie lange ich da stand und ihn betrachtete, bevor ich noch zwei Schritte machte. Schon allein weil nicht ansatzweise ein Heben und Senken der Brust zu erkennen gewesen war, war mir klar dass diese Person nicht mehr leben konnte. Und wenn ich es nicht daran erkannt hätte, dann an den Unmengen von Blut, die sich immer weiter über die Straße ausbreiteten und meine pinken Plüschhausschuhe dunkelrot färbten.
Um so näher ich an die Leiche trat, desto stärker wurde der Eisengeschmack in meinem Mund. Ich hätte mein Handy immernoch in der Hand, also schaltete ich die Taschenlampe ein. Ich wünschte ich hätte es nicht getan, denn was ich dann zu sehen bekam brachte mich dazu, mein Handy wegzuwerfen, meine Hände über meinen schreienden Mund zu legen und rückwärts nach hinten zu stolpern, bis ich fiel und mit der Hüfte und auf der Bordsteinkante landete. Ich weiß nicht wie lange es genau dauerte bis meine Stimme brach und nur noch ein erbärmlich klingendes Hauchen herauskam, doch der Notarzt war bis dahin schon fertig damit, Bryans Leiche einzuladen. Schaulustige Nachbarn standen in ihren Pyjamas und Bademänteln auf den Gehsteigen um die Absperrbänder herum und beäugten das Geschehen teilweise müde, genervt oder neugierig tuschelnd. Ich würde ihnen am liebsten allen den Hals umdrehen.
Der Schock ließ langsam nach und ich hörte gedämpft Stimmen um mich herum. »Ist das ihre Schwester?« Eine weibliche Stimme, die zu einer Sanitäterin gehörte. Die Frage musste wohl an Marvin gerichtet worden sein, der anscheinend wieder auf den Beinen war. »Ja, das ist Cassy.«
Kurz darauf spürte ich, wie mir eine Hand auf die Schulter gelegt wurde und bemerkte Marvin, der sich neben mir auf den Bordstein niedergelassenen hatte. Ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken und er streicht mir beruhigend über den Arm. »Du bebst ja regelrecht.«, sagte er besorgt. Er winkte einen Sanitäter ran, der mich behutsam in eine Decke einwickelte.
Das nächste woran ich mich erinnerte war, dass mein Bruder mich in mein Bett trug.
Das ist die Geschichte wie ich meinen besten - festen - Freund verlor.
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