- Kapitel 2 -
Beim Mittagessen saß ich gelangweilt in der Kantine und stöberte unaufmerksam durch mein Französischbuch. Ich gähnte immer wieder, da mich die Müdigkeit momentan extrem beschlagnahmte. Außerdem hatte ich einige der Themen bereits in der Bolt Manor hinter mich gebracht. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich damals in der Bibliothek über den Büchern brütete und beinahe verzweifelte, bis Soma kam. Mein Herz machte einen kleinen Satz bei dem Gedanken an ihn. Trotz der unglaublichen Entfernung hatten sich meine Gefühle für ihn kein bisschen verändert. Ich liebte ihn noch immer, wie am ersten Tag. Wir telefonierten oft miteinander und nutzten auch oft die Facetime App des Iphones. Nun, da ich ja eins besaß bot sich das auch an. Es war schön ihn immer wieder sehen zu können, wie er auf dem Fenstersims saß und rauchte. So, wie wir es früher immer gemeinsam taten. Hin und wieder war auch Tory dabei, was mich gleich doppelt so sehr freute. Die Beiden hatten ihr letztes halbes Jahr vor sich, genau wie ich. Tory entwickelte sich hervorragend! Ihre Noten waren einfach unglaublich gestiegen. Sie hatte bereits ein Jobangebot eines einflussreichen Unternehmens bekommen, da sich ihre Attitüde herumsprach. Alle großen und erfolgreichen Unternehmen sahen sich natürlich zu allererst bei den Absolventen der Bolt Manor um und wurden zu diesem Anlass sogar extra auf's Anwesen geladen. Es gab eine Art Bewerbungsball an dem sich die Absolventen von ihrer besten Seite zeigen konnten und Tory schien sich behauptet zu haben. Soma meinte, sie hatte alle anderen in den Schatten gestellt. Um ehrlich zu sein hatte ich nichts anderes von ihr erwartet. Ich war wahnsinnig stolz auf sie. Aber auch Somas Zukunft schien gesichert zu sein. Er hatte die Position des CEO's in einem der bekanntesten Waffenbetriebe der Branche versprochen bekommen. Er hatte selbstverständlich zugesagt, denn solch eine Verbindung zu haben war für unsere Gang ein enormer Sieg. So wurden die UT's immer über die neuesten technischen Errungenschaften der Waffenindustrie auf dem Laufenden gehalten, was Principal Welsh und auch Clyde sehr zufrieden stellte. Ich hatte dem Rest der Gang noch immer nichts von Principal Welsh's wahrer Identität verraten, da sich einfach nie der passende Zeitpunkt dafür bot, doch solange ihre Unwissenheit die Geschäfte und die Harmonie zwischen uns nicht beeinträchtigte wollte ich auch nichts an der Sitaution ändern. Sie würden es noch früh genug erfahren.
Wenn die Beiden nicht gerade mit mir sprachen erledigten sie ihre Aufträge mit dem Rest von uns. Soweit ich hörte weigerten sie sich noch immer einen neuen Archer einzustellen. Ich verdrehte deshalb nur die Augen. Ich war wirklich nicht pingelig. Es störte mich nicht sonderlich, wenn jemand die Stelle besetzen würde, da es von großem Nutzen sein könnte. Tory musste dann nicht mehr zwei Job's erledigen und auch die Stimmung und Atmosphäre während der Aufträge würde sich entspannen. Das wollte sie aber überhaupt nicht hören. Sie hob sich immer spielerisch die Ohren zu und lallte ins Telefon, so als könnte sie mich dadurch ausblenden. Ich musste zugeben, dass es mich anfangs eventuell doch etwas gestört hätte ersetzt zu werden, doch mittlerweile war ich erwachsen geworden. Ich wusste, wie man sich Prioritäten setzte und nach welchen Kriterien man sie sich setzte - Gefühle waren dort nur im Weg. Seitdem Tory mit Ares fest zusammen war stellte ich allerdings fest, dass sie ziemlich weich geworden war. Es kam mir vor, als hätten wir die Rollen getauscht. Der eiskalte mürrische Klotz war nun ich. Solange es mich aber an mein Ziel brachte störte es mich nicht weiter. Wie schon erwähnt es gab durchaus viele Menschen, die diesen Zug an mir schätzten und auch ich selbst bemerkte, dass das Leben viel einfacher geworden war seit ich kühler wurde.
Ein lauter Knall holte mich aus meinen Gedanken, weshalb ich mit hochgezogener Augenbraue über den Rand meines Buches sah. Vor mir stand Alexander mit samt seiner Crew. Er war eine Stufe unter mir, doch hielt sich jetzt schon für den König der Schule. Abrin würde dieses Jahr die Schule verlassen, was bedeutete, dass der Thron sogut wie frei war. Ich hatte mit diesen Machtspielchen schon lange keine Probleme mehr, doch dieser kleine Zwerg nahm sich eindeutig zu viel heraus. Ruhig legte ich mein Buch auf den Tisch und sah dabei zu, wie Alexander lachend abrückte. Der würde sich noch wundern, dachte ich mir und spürte, wie mein teuflisches Grinsen zum Vorschein kam. Alexander meinte, nur weil Abrin sich in der Vergangenheit so viel erlauben konnte durfte er dies nun auch. Er verstand offenbar nicht, das nicht die kleine schüchterne und verängstige Cassia an die Schule zurückkehrte. Er hatte wirklich Ähnlichkeit mit Abrin, wenn ich so darüber nachdachte. Dieser schien es nämlich auch nicht zu begreifen. Mit einem Seufzen und einem dezenten Kopfschütteln kreuzte ich meine Beine und wartete geduldig ab. Als sich Alexander und seine Gefolgschaft, bestehend aus einem halben Dutzend halbstarker pubertierender Kerle und drei bis vier Möchtegern Bitches, an ihren gewohnten Stammtisch setzten erhob ich mich und war auf dem Weg mein Tablett aufzuräumen. Ich ließ es mir jedoch nicht nehmen einen kleinen Umweg zu gehen. Mit dem Tablett in der rechten Hand ging ich zielstrebig auf den Tisch zu und holte mit der linken Hand kräftig aus. Meine Hand schoss wenige Millimeter an Alexanders Kopf vorbei auf die Tischplatte. Der Knall war ohrenbetäubend und für einen kleinen Moment verstummte die komplette Kantine, bevor sie sich wieder ihren Gesprächsthemen widmeten. Alexander jedoch sah erschrocken zu mir auf und Zorn bildete sich innerhalb weniger Sekunden in seinen Augen. Wie ich diesen Ausdruck liebte. Ich genoss es unterschätzt zu werden. Bisher hatte noch niemand von meinen Kampffähigkeiten erfahren, doch ich musste zugeben, dass ich nicht davor zurückschreckte sie in der Schule anzuwenden.
Alexander erhob sich wütend und ein paar seiner Jungs taten es ihm gleich.
„Was denkst du eigentlich, huh?" Blaffte er mich an, was mir ein Grinsen entlockte. „Tja, gute Frage. Das Gleiche wollte ich dich gerade auch fragen." Antwortete ich zuckersüß und setzte dabei mein freundlichstes Grinsen auf, dass ich im Petto hatte. Irritiert sah er mich an bevor er spottend auflachte. „Denkst du echt, nur weil du ein Jahr weg warst und rumläufst wie ein Skater Badgirl behandelt man dich jetzt anders als früher? Du bist immer noch ein Looser! Eine Versagerin!" Lachte er und klatschte mit einem seiner Jungs ein. Es brauchte viel um mich aus der Ruhe zu bringen, doch mit diesem Satz hatte er bereits jetzt schon den Bogen überspannt. Mein Gesicht verdunkelte sich augenblicklich und mein Blick schärfte sich. Ich wusste, wie bedrohlich ich wirken konnte. Meine veränderte Statur und meine neue Ausstrahlung halfen dabei enorm. Ich konnte sogar einen Hauch Unsicherheit in seinen Augen erkennen, die er geschickt mit einem weiteren Lachen zu überspielen versuchte. Mich konnte er damit allerdings nicht täuschen. Er hatte Angst vor mir? Gut so. - Ich würde ihm beweisen, dass er sie zurecht hatte.
Blitzschnell packte ich ihn an seiner Kapuze und zog ihn vom Stuhl runter. Er saß nun auf seinen Knien vor mir und ich zwang ihn mir ins Gesicht zu sehen indem ich neben der Kapuze auch ein paar kurze Haarsträhnen zwischen meine Finger packte und kräftig daran zog. Er sah mich mit schmerzverzehrtem Gesicht an, was mich nur wieder zum Grinsen brachte. Es war so leicht ihn zu brechen. Fast schon zu leicht. Mein Blick schweifte für ein paar Sekunden durch den Raum und ich bemerkte Abrin etwas abseits gemeinsam mit seinen Jungs an einem Tisch. Sie warfen verstohlene Blicke rüber, nur Abrin sah mir schamlos ins Gesicht. Ich entschied mich die Lektion für Alexander zu einer Drohung auszuweiten. Eine Drohung an alle, die sich trauten sich mir in den Weg zu stellen. Vielleicht würde er es ja auf diese Weise endlich kapieren.
Ich sah wieder zu Alexander hinunter, der sich noch immer kaum rührte. Jedes Mal wenn er versuchte sich aus meinem Griff zu befreien spürte er nämlich seine Haarwurzeln schreien.
„Wärst du so freundlich und würdest deine Worte noch einmal widerholen? Nur um sicherzugehen, dass ich mich auch nicht verhört habe." Sagte ich nun eisig an ihn gewandt. Überraschtheit spiegelte sich in seinem Gesicht und auch seine Jungs standen, wie festgefroren im Halbkreis hinter ihm. Da ich keine Antwort von ihm bekam zog ich etwas an seiner Kapuze was ihn sein Gesicht erneut verziehen ließ. "Du hast dich nicht verhört! Und jetzt lass mich los!" rief er mit dem Hauch von Verzweiflung in seiner Stimme. Ich war ganz und gar nicht zufrieden mit seiner Antwort und so beugte ich mich etwas zu ihm hinunter und umfasste sein Kinn mit einem starken Griff. Ich bohrte meine Nägel in seine weiche Haut und sah ihn ernst an. „Bist du sicher, dass ich mich nicht nur verhört habe?" Zischte ich und zwang ihn weiterhin mir in die Augen zu sehen.
„Ich..ich glaube du hast da was falsch verstanden..ich.." Stammelte er nervös, was mich schmunzeln ließ. Ich nickte langsam und lockerte meinen Griff um sein Kinn etwas. „Ja, das dachte ich mir bereits. Ich wollte das nur klarstellen." Meinte ich ruhig während ich ihm noch immer in die Augen sah. „Ich..ich wollte dich nicht beleidigen..tut..tut mir leid.." Fügte er murmelnd hinzu. Eigentlich hätte mir das reichen müssen. Er hatte sich entschuldigt. Es war keine weitere Maßregelung mehr nötig, doch ich war heute einfach nicht in der Stimmung gutmütig zu sein. „Wie bitte? Ich hab dich so schlecht verstanden weil du so gemurmelt hast." Meinte ich mit gerunzelter Stirn und legte mein Engelsgesicht auf. „Es tut mir leid! Ich wollte dich nicht beleidigen" Sagte er nun mit erhobener Stimme, sodass es auch die umliegenden Tische hören konnten. Ein kurzes und leises Gelächter breitete sich in den Reihen aus. Zufrieden ließ ich von seinem Kinn ab und richtete mich wieder auf. „Schon gut. Missverständnisse passieren..Gut, dass wir das geklärt haben." Sagte ich abweisend und ließ auch seine Kapuze los. Alexander landete auf seinem Hintern und rappelte sich im Eiltempo wieder auf. Seine Jungs und er verließen die Kantine fluchtartig während ich grinsend mein Tablett zurück brachte. Mit meiner Schultasche auf dem Rücken verließ auch ich die Kantine, jedoch nicht ohne einen letzten Blick auf Abrin zu werfen, der verstört drein schaute. Zufrieden lachend lief ich in die nächste Unterrichtsstunde und war mit dem Tag wirklich zufrieden bis jetzt. So wohl hatte ich mich hier in Delta schon lange nicht mehr gefühlt – wie schön es war wieder ‚zu Hause' zu sein.
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