-Kapitel 83-
Die nächsten zwei Tage verbrachte ich ausschließlich zu Hause, so wie ich es auch plante. Ich kochte zusammen mit Mom während Dad in der Garage werkelte. Sie hatten sich extra die Woche frei genommen damit sie die Zeit mit mir verbringen konnten. So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr in diesem Haus. Dad und ich boxten sogar einige Stunden, da ich ihn darum bat. Ich dachte mir es könnte nicht schaden auf Roys Kampfunterricht vorbereitet zu sein.
„Ja gut so Schätzchen! Deckung oben halten!" wies er mich während des Trainings immer zurecht. Er meinte wir müssten an meiner Ausdauer arbeiten und so kam es das wir am nächsten Tag in den frühen Morgenstunden gemeinsam joggen gingen. Ganz wohl fühlte ich mich dabei allerdings nicht, doch es war so früh am Morgen, das zum Glück kaum jemand auf der Straße war.
Am Abend setzten sich meine Eltern mit mir zusammen und benahmen sich schon die ganze Zeit über merkwürdig. Ich versuchte herauszufinden was denn eigentlich los war, doch sie rückten nicht so recht mit der Sprache raus. Irgendwann druckste Dad allerdings doch herum und Mom stieß ihm nur mit dem Ellenbogen in die Rippen.
"Also deine Mom und ich wollen dir was sagen.." fing Dad an und Mom seufzte theatralisch. "Pass auf wir wissen, das dir das wahrscheinlich nicht recht sein wird aber.." redete er um den heißen Brei herum. "Was dein vater sagen will ist.." übernahm Mom nun das Sprechen. "Die Familie Winchester hat uns zu sich eingeladen." platzte es aus ihr heraus und beide sahen betroffen zu Boden. Mir klappte der Mund ins unendliche und ich glaubte jegliche Farbe aus dem Gesicht verloren zu haben. „Sie hatten uns gefragt wann es denn möglich wäre dich hier wieder anzutreffen und du musst uns glauben Schatz anfangs lehnten wir wütend ab! Aber sie ließen nicht locker. Sie haben ein sehr schlechtes Gewissen und Abrin will sich persönlich bei dir entschuldigen." fügte Dad ergänzend hinzu, da er sah wie unangenehm mir das alles war. Ich wollte nicht über Abrin sprechen, ich wollte über dieses gesamte Thema nie wieder ein Wort verlieren! Und meine Eltern hatten nichts besseres zutun, als mich an das schlimmste Ereignis meines Lebens zu erinnern?!
"Nein." sagte ich ruhig und deutlich, nachdem ich mich gefasst hatte. "Aber Schatz sie-" setzte meine Mom erneut an, doch ich schlug mit der Faust auf den Tisch und ließ sie verstummen. "Nein Mom. Ich werde mich niemals mit diesen Personen an einen Tisch setzen! Dafür müsstet ihr mich schon bewusstlos schlagen und dort hin verschleppen andernfalls bekommt ihr mich dort nicht hin." sagte ich etwas aufgebrachter als zuvor, da ich nicht verstehen konnte, wie sie überhaupt auf die Idee kamen darüber zu diskutieren. Sie sahen mich schockiert an und auch ich merkte, das mein Atem schneller ging. Verwundert sahen sie sich an und seufzten. "Cassia..bitte versteh doch sie wollen die Wogen glätten und-" setzte meine Mom zum zweiten Versuch an. "Diese Wogen, wie du sie nanntest kann man nicht glätten. Er hat mein Leben ruiniert! Und das auf jede nur erdenkliche Art und Weise.." Sagte ich zum Schluss hingehend leiser. Ich faltete meine Hand wieder auf und sah ihnen nicht ins Gesicht. Ich konnte einfach nicht..sie verletzten mich mit diesem Thema, doch es schien ihnen nicht einmal aufzufallen.
"Schatz Abrin ist nur ein Jahr älter als du und noch so wahnsinnig unreif..er war sich nicht im Klaren darüber was er tat." Besänftigte Mom mich, doch ohne Erfolg. Im Gegenteil es machte mich nur noch wütender sie so reden zu hören. Sie sagen zu hören, das dies nur ein dummer Jugendstreich gewesen sein soll! Er war sich nicht im Klaren darüber?! Das ich nicht lache! Er wusste ganz genau, was er mir damit antat und er wollte es. Er wollte, das ich leide, das ich zerbreche! Ich hatte es satt! So verdammt satt von allen immer nur hin und her geschubst zu werden. Ich dachte wirklich mein Leben würde sich ändern, würde besser werden. Doch kaum war ich zwei Tage hier zu Hause beherrschte Abrin erneut mein Leben!
Ich ballte meine Hand erneut zur Faust und blickte auf mein Tattoo. Tausend Erinnerungen an Soma, Tory und dem Rest der Gang schossen mir durch den Kopf. All die Dinge, die wir erlebten. Die Aufträge, die wir durchzogen, die Partys, der Unterricht..
Nein, ich würde das nie wider zulassen. Bevor ich auf die Bolt Manor ging hatte ich mir etwas versprochen. Ich würde nie wieder so etwas mit mir machen lassen, nie wieder! Jetzt bei Abrin zu Hause anzutanzen nur weil die ach so gekränkte Familie mich darum bat um ihren verkackten Ruf wieder herzustellen fiel mir im Traum nicht ein. Ich schüttelte diesen Gedanken so schnell es ging wieder von mir und erhob mich.
"Schatz, wo willst du-" doch weiter kam Dad nicht, denn ich wusste bereits, was er mich fragen wollte. "In mein Zimmer, wo ich die restlichen Tagen, die ich hier verbringen muss auch bleiben werde." Sagte ich zornig und lief bereits die ersten Stufen hoch. Dad rannte mir hinterher und Mom seufzte nur ergeben. "Cassi bitte hör uns doch mal zu!" flehte er mich an und ich blieb stehen. "Die Winchesters sind sehr wohlhabend und genießen sehr viel Ansehen hier in der Stadt..mit ihnen im Klinsch zu liegen ist..ist.." Er suchte nach passenden Worten und raufte sich die Haare. Meine Augen weiteten sich bei dem Schreck, den ich durch meine Erkenntis bekam. Ich wusste was er sagen wollte und ich verstand nun auch wieso sie so unbedingt wollten, das ich dem Essen zustimmte. Sie hatten Schwierigkeiten hier und das nur wegen mir. Dad hatte recht, die Winchesters waren eine hochangesehene Familie hier in Delta und ihnen gehörte die halbe Stadt. Jeder, der sich hier etwas aufbauen wollte stand irgendwie unter deren Fuchtel und wurde schief angesehen wenn man nicht parierte. Mir war bewusst, das jeder der Schulden bei ihnen hatte oder auf andere Art in deren Schuld stand sich zusammenreißen musste, doch meine Eltern ließen sich nie etwas zu Schulden kommen. Ich fragte mich was ihnen dann Schwierigkeiten machte?
Ich seufzte und drehte mich um. Dad sah mir verzweifelt in die Augen und kam mir etwas entgegen. "Weißt du Cassi..seit sie Abrin verurteilten und ihn bestraften wunderte man sich hier im Ort wieso wir noch immer nicht zufrieden waren..wieso du noch nicht zufrieden warst. Uns beiden war klar, das dass was Abrin getan hat nicht einfach nur durch Sozialstunden beglichen werden kann aber allen anderen hier eben nicht..es ist..naja eine kleine Stadt, wie du weißt." Versuchte Dad mir zu erklären, doch davon wollte ich nichts wissen. "Dad was habt ihr für Probleme? Ihr wisst also, das ich Abrin niemals verzeihen werde egal wie viele Bestrafungen er bekommt. Da muss etwas anderes dahinterstecken." Antwortete ich ihm und sah ihn mit verschränkten Armen an. Dad fuhr sich nervös durch die Haare und sah sich nach Mom um.
"Nein nein Schätzchen! Es ist alles in Ordnung wir wollen nur..diesen Streit beiseite legen..zumindest Oberflächlich!" Beteuerte er und ich verdrehte die Augen. Er wollte mir nicht sagen was los war? Fein, dann störte es ja auch niemanden wenn ich einfach für den Rest der Woche in meinem Zimmer blieb. Ich verzog wütend mein Gesicht und ließ ihn dort stehen. Meine Zimmertür knallte ich laut zu und warf mich auf mein Bett. Ich konnte es nicht fassen! Sie mussten wahnsinnig geworden sein um zu denken, das ich mich jemals darauf einlassen würde. Ich setzte mich in den Schneidersitz und grübelte.
Sie mussten einen bestimmten Grund dafür haben. Etwas, das sie dazu veranlasste mir dieses hirnrissige Angebot zu machen. Aber was könnte sie bloß dazu bewegen? Ich schmiss mich wieder nach hinten und drückte mir mein Kissen aufs Gesicht. Ich wollte mich heute nicht länger damit befassen und entschied einfach schlafen zu gehen. Ich schloss meine Tür ab, vermutlich aus Gewohnheit und lief wieder auf mein Bett zu. Der Mond schien durch mein kleines Fenster neben meinem Schreibtisch und ich sah für einen Moment hinaus.
Ich erinnerte mich an längst vergangene Tage an denen ich ebenfalls hier vor dem Fenster stand und den anderen Kindern traurig beim spielen zusah. Wie viel Spaß sie hatten..Ich war so neidisch auf sie gewesen, auf sie und alle anderen, die Abrin nicht abgrundtief hasste!
So oft fragte ich mich, was ich an mir hatte, das Abrin so fürchterlich wütend machte. Wieso tat er mir all diese Dinge an? Wieso ausgerechnet mir! Ich war nie egoistisch gewesen, doch in diesem Moment schwor ich, war ich es. Mein Blick verdunkelte sich immer weiter und ich öffnete das Fenster. Der kühle Luftzug bließ mir ins Gesicht und kühlte meine vor Wut erhitzten Wangen. Es wäre mir völlig egal gewesen, ob jemand anderes an meiner Stelle hätte leiden müssen, wie ich es tat, solange ich verschont geblieben wäre. Meine Finger verkrampften sich um den Fenstersims und ich spürte, wie sich meine Augenbrauen immer mehr zusammen zogen. Nicht vor Trauer und Enttäuschung, wie sonst immer, nein - Diesmal vor Wut.
Wie konnte ich das nur all die Jahre über mich ergehen lassen? Wie konnte ich mich nicht wehren? Mich konnte ohnehin niemand leiden, da hätte es auch keinen Unterschied mehr gemacht wenn ich Abrin damlas als Kind noch windelweich geprügelt hätte!
Ich seufzte und schloss meine Augen. Diese Gedanken änderten auch nichts mehr an den Tatsachen. Die Dinge sind geschehen und man kann nichts mehr rückgängig machen, nichts mehr verändern, doch man konnte etwas verbessern. Wütend schlug ich mein Fenster zu.
Ich hatte es nun in der Hand. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich die Kontrolle und ich würde sie schamlos ausnutzen.
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