-Kapitel 78-
Soma sah mich verwirrt an. "Erfahrung?" Widerholte er irritiert. Ich hob meinen Blick nicht, da ich ihn einfach nicht ansehen konnte. Es war mir irgendwie zu peinlich. Ich wollte dieses Gepräch eigentlich gar nicht führen! Jedenfalls nicht jetzt und nicht hier.
"Ich..es gibt da etwas..meine Vergangenheit ist.." stammelte ich unsicher, ob ich es ihm anvertrauen sollte oder nicht, ob er mich danach noch immer für großartig hielt oder nicht. Er merkte, das dass Thema ernst war und so setzte er sich aufrecht hin. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und strich mir mit der einen Hand über meine Haare. Seine Berührungen waren so wundervoll, als hätte meine Seele genau das gebraucht, als könnte mein Körper gar nicht mehr ohne leben. Ich schloss die Augen und genoss einfach nur den Moment.
"Cassia, du musst mir nichts erzählen, was dir unangenehm ist, doch ich würde dich wirklich gern besser verstehen." flüsterte er, während er noch immer über meine Haare strich. Ich atmete tief durch und spürte einfach, das ich ihm vertrauen konnte. Er würde nicht davon laufen oder mich auslachen. Tory tat es schließlich auch nicht. Diese Menschen hier um mich herum, meine Freunde, waren anders als die Menschen, die mich in Delta umgaben. Sie glaubten an mich und gaben mir das Gefühl eine von ihnen zu sein. Wie konnte ich ihnen also nicht vertrauen?
"Nein, ich..werde es dir erzählen.." sagte ich und öffnete meine Augen. Soma saß so dicht bei mir, das ich dieses wunderschöne Grau in seinen Augen funkeln sehen konnte obwohl das Zimmer nur von Mondlicht durchflutet wurde. Ich sammelte mich und meinen Mut zusammen und begann meine Geschichte von vorn. Ich erzählte ihm von den jahrelangen Schikanen im Kindergarten und der Grundschule und davon, wie es immer schlimmer wurde. Das er mein Essen über mich kippte, das er meinen Spind mit eckligem Zeug befüllte, das er meine Tasche in den Teich warf, das er mich durch die Gegend und vom Baum schubste als wir noch kleiner waren. Ich erzählte ihm von dem Foto auf der Mädchentoilette und wie Abrin mich damit erpresste und die ganze Sache ihren Höhenpunkt fand. Soma hörte mir die ganze Zeit über zu und unterbrach mich nicht ein mal, auch wenn ich immer wieder eine Pause einlegen musste um nicht in Tränen auszubrechen. Es war unglaublich hart das Alles zu erzählen und dann auch noch Soma, dem Jungen für den ich tatsächlich etwas empfand, dem Jungen mit dem ich meinen ersten Kuss viel lieber gehabt hätte..
"Meine Eltern waren so verzweifelt, da ich nicht mehr zur Schule gehen wollte, das sie mich hier her geschickt haben in der Hoffnung, das alles besser wird." beendete ich meine Geschichte und seufzte. "So jetzt weißt du wieso ich so ein Drama daraus mache wieder nach Hause zu gehen." durchbrach ich die Stille, die sich bildete. Soma schwieg noch immer und fixierte einen Punkt hinter mir an der Wand an. In mir keimten Zweifel auf..würde er nun auch anfangen zu lachen? Anfangen mich zu schikanieren?
"Du fährst auf keine Fall nach Hause morgen." sprach er nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich sah ihn verdutzt an. "Was? Wie meinst du das?" fragte ich ihn. "So, wie ich es gesagt habe. Du bleibst bei Tory über die Ferien." erklärte er mir trocken und hielt noch immer meine Hand. "Soma, ich kann nicht einfach hier bleiben." murmelte ich traurig, da ich mir wünschte hier bei ihnen zu bleiben. "Wieso denn nicht? Es tut dir nicht gut jetzt nach Delta zu gehen! Du bist dort völlig allein und ohne uns! Wir..wir können dich dort nicht beschützen.." sagte er aufgebrachter als zuvor. Mein Herz zersprang beinahe vor Emotionen. Er wollte mich beschützen?
"Früher oder später muss ich aber wieder nach Hause..und was soll ich meinen Eltern sagen? Sie vermissen mich genau wie ich sie. Außerdem sind sie ja da um auf mich aufzupassen." seufzte ich und umklammerte Somas Hand fester. "Cassia.. dieser Abrin ist noch ne Nummer zu groß für dich. Du bist noch nicht bereit das allein zu klären. Wir sind nicht bei dir und du kannst niemanden um Hilfe bitten wenn er dir was antut und deine Eltern nicht da sind! Ich..ich will doch nur das dir nichts passiert.." seufzte er niedergeschlagen und führte meine Hände an seinen Mund. Er platzierte hauchfeine Küsse auf ihnen und ich spürte, wie das Blut durch meine Adern rauschte. Seine Lippen berührten kaum meine Haut, doch es fühlte sich unglaublich an.
"Ich weiß..aber ich muss nach Hause Soma. Ich werde mich dem stellen, was mich dort erwartet. Wenn ich eines von euch und meiner Zeit hier gelernt habe dann, das ich mich nicht länger verstecken werde. Auch wenn du der Meinung bist ich sei noch nicht bereit dazu muss ich das tun." sagte ich entschlossen und sah ihm direkt in die Augen. "Das hab ich doch von dir gelernt." flüsterte ich und schmunzelte etwas. Er grinste schwach und und verdrehte die Augen. "Na schön ich kann dich offensichtlich nicht umstimmen aber du nimmst deinen Funker mit und du gibst mir deine Handynummer! Wenn..wenn irgendetwas ist..egal was..dann rufst du mich an, klar?" sagte er eindringlich und ich nickte nur schnell. "Gut.." seufzte er und sah mich undefinierbar an. Ich sah auf meine Uhr auf dem Nachttisch und verfiel erneut in Panik. "Oh Gott es ist schon halb drei!? Ich hab noch nicht fertig gepackt!" rief ich während Soma mir nur wieder den Mund zuhielt.
"Du willst doch das schlafende Etwas dort drüben nicht wecken oder?" flüsterte er schnippisch und ich schüttelte nur stürmisch den Kopf. "Gut, dann schlag ich vor du beruhigst dich jetzt und rennst nicht mehr durchs Zimmer, wie ein aufgescheuchtes Huhn sondern reißt dich zusammen und bringst das schnell hinter dich." fuhr er fort und ich schmunzelte. "Ja du hast Recht, danke Soma." flüsterte ich und umarmte ihn. Es überkam mich einfach und es fühlte sich so wahnsinnig gut an ihn so dicht bei mir zu haben. Seine Arme um mich zu spüren, seinen Atem an meinem Nacken zu fühlen, seine Haare, die mich im Gesicht kitzelten und allgemein das Alles wahrzunehmen.
Wir lösten uns zaghaft voneinander und ich stand auf um meinen Koffer wieder in Position zu bringen. "Willst du mir helfen?" fragte ich ihn und sah, wie er sich amüsiert zurücklehnte. "Nein, nein..dem Chaos hier bist du gewachsen. Ich bleib aber freundlicherweise hier liegen falls ich dich doch noch vor Tory retten muss weil du sie aufgeweckt hast." Scherzte er und machte es sich auf meinem Bett bequem - Naja immerhin einer von uns bekam heute Nacht seinen Schlaf.
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