-Kapitel 6-

Mit einem ungewohnt guten Gefühl betrat ich am nächsten Tag die Schule. Ich versuchte nicht mehr so leise wie möglich durch die Gänge zu schleichen und so lief ich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit ganz normal in Richtung meines Spints. Ich merkte, wie alle gebannt auf ihre Handys starrten. Doch ich wunderte mich schon lange nicht mehr darüber. Es war ja schon fast normal, dass das Leben nur noch viral stattfand –wo fand welche Party wann statt & wer hat welches Outfit wo getragen. Ich machte mir also nichts daraus und kramte in meinen Schließfach nach meinem Bio Buch, denn leider hatte ich heute die ersten zwei Stunden Bio bei Mr. Current. Eigentlich mochte ich Bio nicht sonderlich, da es mich schrecklich langweilte, doch bei Mr. Current vergingen die Stunden immer recht schnell. Als ich schließlich alles beisammen hatte, was ich brauchte, merkte ich wie mich immer mehr Schüler seltsam anstarrten. Nervös begutachtete ich mich unauffällig –hatte ich etwa noch Zahnpasta im Gesicht?-

Die Blicke ignorierend lief ich weiter in den Biosaal. Doch auch da begann wildes Getuschel und leises Gekichere als ich eintrat. –Hatte das etwa wirklich etwas mit mir zutun?- Die erste Stunde des Unterrichts bekam ich so gut wie nichts mit, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt herauszufinden, was hier vor sich ging. Ich beschloss aufs Klo zu gehen um sicherheitshalber mal Abrins Facebook Account zu checken. -Vielleicht hatte er sein Wort ja gar nicht gehalten und das Bild trotzdem hochgeladen?- schoss es mir siedend heiß durch den Kopf. Also entschuldigte ich mich kurz und ging zielgerichtet aufs Klo. Auf dem Weg dorthin wurde ich von einem von Abrins Freunden abgepasst. Naja, jedenfalls schwirrte er immer um Abrin herum also nahm ich mal an, das es ein Freund war. „Hey Cassia! Warte doch bitte einen Moment" rief er mir zu. Verwirrt drehte ich mich herum und blieb stehen. Ich glaube sein Name war Ash oder so etwas Ähnliches. „Was gibt's denn?" fragte ich ihn unsicher mit meinem Handy in der Hand. „Ich wusste gar nicht das du so abgehst." Grinste Ash mich an und ich entgegnete ihm einen irritierten Blick. -Von was redete er denn da?-

„Oh, du hast es noch gar nicht gesehen?" lachte er nun lauthals los. „Moment, das haben wir gleich." Fügte er kichernd hinzu, während er sein Handy aus der Hosentasche hervorholte. Er entsperrte es und klickte auf die Facebook App. Mir schwante böses, als ich sah welchen Namen er in die Suchleiste eingab.. „Hier schaus dir an." Sagte er und unterdrückte sein Lachen. Ich nahm sein Handy in die Hand um mehr erkennen zu können, doch auch ohne genaueres Hinsehen sah ich bereits, was das Video vor mir beinhaltete. Wie vermutet sah ich Abrin und mich, wie wir uns gestern hinter dem Schulgebäude küssten. Das Video war mit der Caption –Ich bekomm sogar die Erbärmlichsten- gekennzeichnet und ich merkte, wie sich langsam Tränen ansammelten. Schnell drückte ich Ash sein Handy zurück in die Hand und ließ ihn alleine stehen. Mit schnellen Schritten lief ich weiter in Richtung Mädchenklo. Das durfte doch verdammt nochmal nicht wahr sein! -Wie konnte er mir so etwas nur antun nach dem schönen Nachmittag den wir gestern hatten?- Ich hatte mir doch alles nur eingebildet. Als ob so jemand, wie Abrin jemals ernst sein könnte. Das war alles nur gespielt..Dabei fühlte es sich so echt an. Wütend schlug ich die Kabinentür auf und schloss mich ein. Nun liefen mir die Tränen ungehindert die Wangen hinunter und ich schaute auf mein Handy. Genau wie Ash gab ich Abrins Namen in die Suchleiste auf Facebook ein und scrollte durch seine Chronik. Ich fand das Video, welches anscheinend der Grund für das ganze Theater der anderen war. Doch das war nicht alles, was er postete..Direkt unter dem Video fand ich ein mir sehr bekanntes Bild. Es war mit der Caption -Bitch, don't act like u didn't like it- gekennzeichnet. Mir fiel mein Handy aus der Hand. Er hatte es tatsächlich gepostet und nicht gelöscht, wie er es mir versprach. Meine ganze Welt brach zusammen. Irgendwie traf mich das Alles härter als gedacht, doch das lag nicht an der Schwere der Tat sondern daran, das ich doch tatsächlich etwas für diesen Mistkerl übrig hatte. Selbst wenn es nur einen Tag andauerte. Mein Herz raste vor Wut und Enttäuschung. Ich hätte es besser wissen müssen, das alles vorhersehen müssen. Abrin war nicht nett -niemals.

Verheult betrachtete ich die grüne Kabinenwand vor mir, auf der unzählige dumme Nachrichten standen, wie –Lena+Lisa 4 eva- oder -0175638*** ruf mich an Abrin!- Verdammt er hatte mein Leben zerstört! Mit dem blöden Video hätte ich ja noch irgendwie leben können auch wenn ich nicht erfreut darüber gewesen wäre, aber es wäre besser gewesen als -das!- Wie sollte ich mich denn nun für ein College bewerben? Wie sollte ich einen Job finden wenn -das- im Netz kursierte?! Fassungslos sank ich zu Boden und weinte so schrecklich, wie schon lange nicht mehr. Ich war dank Abrin einiges gewohnt, doch er hatte es geschafft einen drauf zu setzen. Gestern hatte er mich zwar vor einem harten Aufprall bewahrt, doch heute ließ er mich mit purer Absicht fallen. Und ich fiel -tief.

Niedergeschlagen trottete ich nach Hause. Es war mir egal, das ich vier weitere Schulstunden verpasste. Ich wollte einfach keines dieser scheiß Gesichter mehr sehen und vor allem -eines- nicht. Zu Hause angekommen lief ich in die Küche auf der Suche nach einem Glas Wasser. Leider hielt meine Pechsträhne weiterhin an, denn ich lief leider direkt in die Arme meiner Mutter. „Cassi? Was machst du denn jetzt schon zu Hause?" fragte sie mich irritiert. -Tja, was sollte ich ihr denn da jetzt antworten?-  Natürlich könnte ich jetzt lügen und ihr sagen, das der Rest der Stunden einfach ausgefallen sei, doch das würde sowieso nichts bringen. Ich müsste morgen wieder in die Schule und noch einmal schwänzen konnte ich nicht, denn spätestens dann würde die Lüge auffliegen. Ich hatte also keine Wahl. „Mum? Ich muss mit dir sprechen" sagte ich leise, denn ich wollte nicht schon wieder anfangen zu weinen. „Cassia, was ist denn los?" fragte sie mich nun besorgt. Das konnte man immer daran erkennen, dass sie mich bei meinem vollen Namen ansprach. „Mum, es is was passiert in der Schule.." seufzte ich. Ich setzte mich auf einen der freien Küchenstühle und schlug niedergeschlagen die Hände über dem Kopf zusammen. „Ohnein, was ist denn jetzt schon wieder passiert? Hat Abrin dich etwa wieder einmal geärgert?" fragte sie genervt. –Phh, wenn es nur das gewesen wäre, würde ich wohl kaum hier sitzen und mit dir reden wollen- dachte ich mir frustriert und ignorierte den Kloß in meinem Hals.

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