✘Kapitel 29

Der Campleiter Abraham Turner wird das ganze Camp durch mit dabei sein - beim Lösen von Konflikten wird letztendlich sein Urteil gelten.

▪︎

Abraham
-

"Wir müssen etwas tun, verdammt! Baker wird damit nicht durchkommen!" Ich schlug mit der Faust auf die Tischplatte - sah, wie die beiden gegenüber von mir zusammenzuckten.

Ich wusste, dass mein Bruder gerade andere Probleme besass - würde sich bald von Christine trennen - doch dieses Thema hier war tausendmal wichtiger, als dieser kleine Ehestreit.

"Vor ein paar Monaten klang das noch anders. Wie konntest du nur zulassen, dass unsere Söhne dort oben festsitzen!",entgegnete Ryan wütend - doch keineswegs mit der Stärke wie ich. Er war immer mein kleinerer, sensiblerer Bruder gewesen.

"Ich wusste nicht, wann Baker zuschlagen würde! Ich dachte, sehr warscheinlich würde er während des Camps irgendetwas anstellen - wie so oft schon. Wie immer."
Ich erinnerte mich an einige Zwischenfälle in den paar letzten Campjahren - der grösste Teil davon war den Bakers zuzuschreiben.
Kleine Unfälle - zwei Tage lang kein Strom. Auf einmal schlechtes Trinkwasser - oder Bettwanzen in allen Betten. Feuer, welche aus dem Nichts zu brennen begannen.

"Und du hättest nicht denken können, dass sie gerade da angreifen würden, wo sie oben alleine sind?" Christine besass schon den ganzen Abend Tränen in den Augen.
"Es war ein verdammter Abend! Diese Saufparty von den Betreuern gibts seit Jahrzehnten!"
"Mir kommt es eher so vor, als hättest du sie als Köder zurückgelassen!"

Wieder schlug ich auf die Tischplatte - wieder zuckten beide zusammen.
"Wie könnt ihr es wagen! Ich habe alle den ganzen Campsommer über beschützt! Beschützt habe ich sie!"
"Oh, ja.",flüsterte Ryan kopfschüttelnd. "Natürlich - du bist ja immer der Held."

Wütend stand ich vom Tisch meines Bruders auf und ging einige Schritte durch ihre Küche.
"Ich bin diese Scheisse mit dem Familienkrieg leid, Abe!" Nun stand ebenso Ryan auf - trat auf mich zu. "Wir müssen dem ein Ende setzen!"

"Das ist unmöglich und das weisst du!",zischte ich und wendete mich von Ryan ab - schüttelte den Kopf. Mein Bruder war weich - viel zu weich und das schon immer gewesen. Die Turners würden nicht aufgeben - würden sich niemals den Bakers unterdrücken. Niemals.

"Und was ist mit deinem Sohn?"
Fahrig drehte ich mich zu ihm um.
"Er ist nicht mein Sohn!"
"Nur, weil er dich an seine Mutter erinnert - heisst das noch lange nicht, dass du ihn einfach ignorieren kannst, Abe! Ich dachte, unsere Familie sei dir am wichtigsten!"

Ich stiess ein wütendes Zischen aus und schaute aus dem Fenster. Auf die Hauptstrasse, welcher hier meiner Meinung nach viel zu nahe an dem Haus meines Bruders durchführte.

"Er war nie ein Teil unserer Familie - und wird es auch nie sein. Es ist besser für ihn."
"Besser für ihn - oder besser für dich?" Nun stand ebenso Christine von ihrem Stuhl auf.

"Er kann auch nichts dafür, dass er Probleme hat.",pflichtete sie ihrem (Noch-) Mann bei. "Der arme Junge hat ja nicht einmal eine Ahnung, weshalb er damals in St. Ravens angegriffen wurde!"

"Ich rede nicht über ihn!",zetterte ich - doch dieses Mal zuckten die beiden nicht zusammen. Irgendetwas schien die beiden anzutreiben - vielleicht war die Wut gegen mich sogar hilfreich, damit sich die beiden wieder verstehen würden. Hätten sie sich nicht etwas anderes aussuchen können?

"Wie konntest du das?",fragte mich mein Bruder nach einem kurzen Schweigen kopfschüttelnd - entgeistert. "All die Wochen des Camps - wissend, dass dein Sohn neben dir lebt, isst, im Haus neben dir schläft... wie zur Hölle konntest du ihn ignorieren?"

Mein ganzer Körper spannte sich an - ballte meine Fäuste und schnaubte wütend auf.
Ich hatte ihn stets weggedrängt - und das ziemlich erfolgreich. Es war ja auch nicht unbedingt schwierig gewesen - so, wie er nunmal war.

Vielleicht stand es mir nicht zu, so etwas zu sagen, aber ich war durchaus enttäuscht von meinem Sohn; aufgedreht, Zigaretten rauchend und kiffend. Die ganze Zeit auf Medikamenten - kompletter Absturz. Ausserdem sogar auch noch in Männer verliebt.
Ich wusste ja, wie sich die Welt änderte - doch ich hatte nunmal meine Prinzipen. Die Turners hatten ihre Prinzipien. Jemand wie Liam passte nicht in unsere Welt. In meine Welt.

"Er ist ein Wrack - ein Aussenseiter. Liliane hat ihn nicht gut aufgezogen - da kann ich auch nichts dafür.",sagte ich mit etwas angehobenen Kinn - dachte an Liam's Mutter, welche ebenso schon immer etwas instabil gewesen war.

Heute wusste ich nicht mehr, wie ich dieser Frau hatte hinterher rennen können. Ryan hatte unrecht - es schmerzte mich nicht, dass Liam mich an sie erinnerte.
Es verging nicht lange Zeit, in welcher wir in einer Beziehung gewesen waren - und als ich ein Ende gesetzt hatte, kam sie einen Monat später angerannt und sagte, sie sei von mir schwanger. Doch ich war stark geblieben.

"Das kannst du doch nicht ernst meinen!",hauchte Christine entsetzt und trat einen Schritt auf mich zu - schüttelte den Kopf. "Wie bist du nur so kalt geworden?"

"Ich bin nicht kalt - ich beschütze unsere Familie!",knurrte ich und biss die Zähne zusammen. "Ich beschütze sie vor den Bakers - wie auch unser Vater es getan hat!"
"Hat ja super geklappt.",meldete sich nun wieder mein Bruder zu Wort - und strich sich durch seine Gesicht, ehe er mich wieder anschaute.

"Abe, wenn Matt und Sam etwas passiert - ich werde dir das niemals verzeihen. Ich meine es ernst."
Ich schnaubte abermals und drehte mich wieder dem Fenster zu.
"Wir finden einen Weg, Baker zu schlagen. Haben wir bisher immer gefunden! Wenn nur dieser Dreckssturm nicht wäre!",rief ich aus und schlug etwas gegen den Fensterrahmen.

Der Himmel wurde immer wie dunkler, Blätter flogen umher - die Bäume wurden unangenehm durch Böen in Windrichtung gezogen. Fast sah es so aus, als könnten sie sich nicht mit dem Stamm am Boden festhalten - und doch wusste ich, dass sie Stand hielten.
Die Starken jedenfalls.

"Wir müssen irgendetwas tun! Bist du dir wirklich sicher, dass die Polizei nicht helfen kann?"
"Die Polizei hat Baker doch schon fast zur Hälfte geschmiert! Wie immer.",knurrte ich kopfschüttelnd. "Aber eine Vermisstenanzeige wäre ein späterer Plan, ja."

"Ein späterer Plan? Die Mutter von Jan hat hier schon zehnmal angerufen - mal abgesehen von Timothée's Onkel! Oder der Oma von Mariola!" Christine trat zu mir ans Fenster - schaute mich von der Seite eindringlich an. "Und was willst du Liliane sagen, Abe? Im Gegensatz zu dir, liebt sie ihren Sohn! Liam hat es nicht verdient, wie ein Köder den Bakers ausgehängt zu sein - und unsere Söhne ebenso wenig! Alle Jugendlichen dort oben haben es nicht verdient, in diesen Familienstreit hineingezogen zu werden!"

"Familienstreit?",fuhr ich sie an, sodass sie nun doch wieder einen Schritt zurückwich. "Christine, bei aller Liebe - ich weiss, dass du in diese Familie durch eine Heirat gekommen bist, aber denk doch noch einmal an die Geschichte! Wie die Bakers seit Jahrzehnten versuchen, uns alles zu nehmen!"

"Mein Gott, ihr kommt mir ja vor wie kleine Kinder, welchen man ein Spielzeugauto weggenommen hat!",entgegnete sie nun mit erhobener Stimme - mit Wut, welche sie bloss sehr wenig zeigte. "Das da oben sind unschuldige Kinder - sie haben keine Ahnung, was mit ihnen geschehen wird und weshalb sie dort oben festgehalten werden! Und um ehrlich zu sein - weiss ja auch weder Ryan, ich oder du was Baker vorhat!"

Angespannt schaute ich in den aufkommenden Sturm hinaus - spannte den Kiefer an und strich mir kurz über meinen Bart.
"Abe, weisst du, was Baker mit ihnen vorhat?"
Ich schwieg.
"Abraham!",rief mein Bruder wütend aus - wohl geschockt über den Fakt, dass ich ihm offensichtlich noch mehr Sachen verschwiegen hatte. "Was zur Hölle hat er mit unseren Söhnen vor?"

Langsam drehte ich mich zu den beiden um - draussen hörte man, wie der Donner aufkam. Fast schon das Haus zu erschüttern schien. Einen Moment schaute ich noch ins Leere, ehe ich sprach.

"Ich glaube, er hat es tatsächlich geschafft."
"Was geschafft, Abe? Was zum Teufel hat er geschafft?"

"Zacharias hatte sich einige Male schon Zugang zu seinen Daten erschaffen können.",erzählte ich mit nun doch etwas heiserer Stimme über unseren Cousin, welcher sich viel besser mit Computer auskannte, als ich - was ja auch letztendlich schnell zu schaffen war. Doch er hatte es vor einem halben Jahr das letzte Mal geschafft, die Bakers zu hacken. Wenn auch nur für kurze Zeit.

"Mittlerweile hat er wohl darauf geschaut, dass sowas nie wieder geschehen kann - aber Zacharias hat einiges gefunden. Pläne. Anfragen. Briefe. Bestellungen und Abrechnungen. Tonnenweise davon. Und offensichtlich hat Baker gespart - sitzt auf einem kleinen Vermögen, welches er gerne noch grösser machen will." Ich schaute die beiden nun wieder an - auch ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. "Aber niemals hätte ich gedacht, dass er so eine Scheisse durchziehen würde - ihr kennt ihn doch. Baker mit seinen hirnlosen, unzähligen Ideen - welche dann letztendlich nicht einmal die Hälfte ausgeführt werden. Er will einem so stets täuschen. Verwirren. Damit wir nie wissen, was er wirklich vorhat."

Ryan runzelte die Stirn - schüttelte langsam den Kopf.
"Aber jetzt weisst du es, oder? Woran arbeitet er, Abe? Was will er dort oben tun?"
Man hörte einen Moment lang nur noch den Donner - und den Wind, welcher draussen pfiff und in immer wiederkommenden Böen gegen das Haus schlug.

"Sie nennen es das Carpe Noctem - Projekt."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top