✘Kapitel 11

Wenn man ein Problem oder Anliegen hat, darf man dies zu jeder Zeit einem Betreuer mitteilen.
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Timothée

-

"Hat Liam seine Medikamente genommen, Tim?"

Ich starrte immer noch wie in Trance auf die Wand des Schlafzimmers.
Wo waren wir hier gelandet? Wo waren wir hier nur zur Hölle gelandet?

Gestern Abend noch hatten wir uns betrunkene Horrorgeschichten erzählt - und nun schienen wir selber in einer solchen zu stecken? Fuck!

"Tim!"
Matt trat in mein Sichtfeld und legte abrupt seine Hände an meine beiden Schultern - schüttelte mich kurz.

Ich riss mich wütend von seinen Griffen weg und verzog das Gesicht.
Ich hasste diesen Typen!

"Hat er seine Medikamente genommen, Tim?!"

Ich zögerte - drehte innerlich durch. Wusste nicht, was ich sagen sollte. Sollte ich lügen? Oder die Wahrheit sagen? Wusste ich überhaupt die Wahrheit?

"Ich weiss es nicht.",hauchte ich mit gerunzelter Stirn.

"Fuck! Fuck, das ist so verdammt beschissen!",rief Matt verzweifelt aus und strich sich durch seine kurzen Haare.

"Was - denkst du wirklich ernsthaft, er würde deswegen so komplett durchdrehen und solchen Scheiss machen?!",fuhr ich ihn nun an - mit meiner zurückgekehrten Kontrolle und Kraft. Trat wütend auf ihn zu - zeigte kopfschüttelnd auf die Nachricht an der Wand.

Ich kannte ihn zwar erst seit fünf Wochen - doch es konnte nicht wahr sein, dass er so... verrückt war.
Nein, niemals.
Nicht Liam. Nicht er.
Liam hatte andere Probleme - aber nicht solche.

"Wer soll es denn sonst gewesen sein, hm?"
"Jedenfalls nicht Liam!"
"Und wo ist er denn jetzt?"
"Was weiss ich, man!"

Matt schüttelte den Kopf und grinste schwach - trat ebenso herausfordernd einen Schritt auf mich zu.

"Eigentlich solltest du das doch wissen, oder? Ihr zwei seid doch so unzertrennlich." Dieser amüsierte und fiese Unterton in seiner Stimme brachte mich zur Weissglut.
"Halt deine scheiss Fresse!"

Nein, ich hatte keine Ahnung mehr, was nach unserem Schwimmen im See passiert war.
Erinnerte mich an irgendwelche Rufe - die meinen Namen beinhaltet hatten.
An Kälte. Husten. Erbrechen.
Und dann schien ich entweder ohmächtig oder eingeschlafen zu sein.

"Vielleicht hat er gedacht, er könne uns einen Schrecken einjagen...",sagte Sam neben uns vorsichtig - schien aber ebenso unüberzeugt zu sein, wie ich.

"Liam würde sowas nicht tun, man!"
"Und woher weisst du das?" Matt sah mir mit funkelnden Augen in Meine.
"Weil ich ihn kenne."
"Ach, bitte!"

Nun reichte es mir. Ich ging auf ihn los - konnte aber von Jan und Lu gerade noch zurückgehalten werden.
Ich wusste ja, dass wir Scheisse angestellt hatten gestern Abend - wir hätten Sam nicht zu viel trinken lassen dürfen.
Aber hier ging es um Liam. Und Sam lebte ja noch!

Ich war nicht jemand, der sich prügelte - aber mein Kopf drehte komplett am Rad. Wusste nicht, was zum Teufel hier los war.
Wütend riss ich mich aus deren Fängen und drehte mich wieder zum ebenso fahrig aussehenden Matt um.

"Du hast sowas von gar keine Ahnung, Matt!"
"Naja, was ich mich Sicherheit weiss, ist - dass Liam ohne seine Medikamente ein Wrack ist und ebenso, dass er immer irgendetwas gegen mich gehabt hatte!"
"Vielleicht solltest du dir mal die Frage stellen, wieso das so ist!"

Nun mussten Sam und Mariola Matt zurückhalten, dass dieser sich nicht auf mich stürzte.

"Hört verdammt nochmal auf! Das bringt doch jetzt auch nichts!",trat Jan kopfschüttelnd zwischen uns.

Doch Matt hörte gar nicht auf ihn und trat mit wütendem Grinsen an Jan vorbei - schaute mir herausfordernd in die Augen.

"Weisst du, vielleicht hätte ich dich letzte Nacht gar nicht aus diesem scheiss See rausziehen sollen - dann wärst du nämlich gottsjämmerlich ertrunken!"

Dies liess mich innehalten - verblüfft die Stirn runzeln.
"Was...?",krächzte ich verwirrt und sah den nun ebenso wieder etwas ruhigeren Matt an.

"Du weisst das nicht mehr? Okay, du warst ja auch echt durch."
Ich schüttelte als Antwort unsicher den Kopf.

"Du warst mit Liam im See - aber du warst so zu, dass du viel zu weit ins Wasser rausgeschwommen bist und nicht gecheckt hast, dass du - naja - schwimmen müsstest. Liam hätte dich da niemals rausziehen können, weil er ebenso total durch war. Hab dich, als ich seine Rufe gehört hatte, dann mit seiner Hilfe ans Ufer gezogen - und deswegen hast du mein blödes Shirt an. Hattet ja beide nur noch eure scheiss Unterhosen an."

Ich schaute mit benebeltem Blick auf mein Shirt - dann wieder zu Matt.
Wie eine Explosion waren diese Bruchstücke der Erinnerungen wieder in meinem Kopf anwesend.
Es tat weh. Und irgendwie wusste ich, dass da noch etwas anderes war. Das war noch nicht alles.
Was war danach geschehen?

"Und danach..?" Ich hasste es, wenn meine Stimme so ängstlich und kleinlaut klang.
Ich mochte es nicht, nun kleiner als Matt zu wirken - denn dies tat ich früher immer bei solchen Leuten wie ihm.
Und tue es nun immer noch.

"Danach hat mir Liam gesagt, er würde dich ins Bett bringen. Naja, ich habs ihm geglaubt und euch alleine gelassen..." Er schielte kurz automatisch zu Mariola rüber - welche verwirrt darüber die Stirn runzelte.

Ich atmete etwas zittrig durch und starrte mit gerunzelter Stirn ins Leere - dann an die Wand.
Jan hatte uns vorhin versichert, dass es roter Edding-Stift war, mit welchem daraufgeschrieben wurde - also nicht Blut, wie in jedem schlechten Horrorfilm.

"Was ist, wenn es Abraham war?",meldete sich Jan vorsichtig zu Wort und sah etwas unsicher zu Matt und Sam.
Sam schien nachdenklich - während Matt schon wieder auf 180 war.

"Das ist nicht dein ernst!"
"Was denn? Wenn wir Liam ausschliessen können, dann..."
"Wer hat denn gesagt, wir schliessen Liam aus?"

Ich stiess ein wütendes Stöhnen aus und wendete mich von der Gruppe ab. Trat aus dem Raum hinaus.
Merkte, wie unfassbar verloren ich mir ohne Liam bei ihnen vorkam. Ich gehörte nicht zu ihnen - das tat ich nicht. Liam auch nicht.

Ohne ihn hätte ich diese fünf Wochen nicht überleben können - ohne ihn wäre ich irgendwann durchgedreht.
Er war mein Anker gewesen - und nun war er weg.
Und ich? Ja, ich ertrank.

Draussen an der frischen Luft versuchte ich wieder normal zu atmen - lehnte mich mit angespannten, zittrigen Körper an die Veranda und kniff die Augen zu.

"Dreh' du jetzt nicht auch noch durch."
Ich drehte mich fahrig zu Mariola um und spürte, wie meine Augen brannten.
Eigentlich wollte ich ihr sagen, dass sie verschwinden soll - doch sie redete sogleich weiter.

"Hör zu, ich glaube es ja auch nicht wirklich, okay?",gab sie leise zu, nachdem sie kurz noch einmal reingeschaut hatte - damit uns niemand hörte.
"Ich weiss wie komisch Liam ist, aber ich weiss auch, dass er bloss Medikamente wie Antidepressiva, was gegen ADHS oder allgemein zur Beruhigung nimmt."

Überrascht sah ich sie an und legte etwas den Kopf schräg - versuchte herauszufinden, ob Mariola dies ernst meinte.
Und scheinbar tat sie dies tatsächlich.
Wieso kannte sie sich in diesen Themen aus?

"Woher weisst du das?"
"Naja, mein Dad... musste viele Medikamente schlucken. Ich kenne mich da etwas aus.",sagte sie ausweichend und nickte knapp.
Ich merkte, dass sie nicht weiter darüber reden wollte - weswegen ich ebenso nickte.

"Danke, Mariola."
"Bild' dir bloss nichts darauf ein, Punk."

Ich lachte kurz leise auf - und tatsächlich sah ich ein kurzes Grinsen auf Mariola's Lippen.

Doch dies blieb nicht lange - ebenso mein Lachen verstummte abrupt.
Denn wir hörten etwas.

Auf einmal wurde in vollster Lautstärke von irgendeinem Ort im Camp - Musik abgespielt.

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