✘Kapitel 10
✘ Wenn man ein gefährliches Tier sieht, muss dies sofort einem Betreuer mitgeteilt werden. ✘
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Mariola
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"Beweg dich nicht, verdammt!",zischte ich angespannt und sah Jan dabei zu, wie er zittrig in seiner Bewegung innehielt.
"Ganz ruhig..."
"Ich geb' dir gleich ganz ruhig!"
Vorsichtig trat ich auf Jan zu und hob langsam meine Hand - streckte meine nun ebenso zittrigen Fingern nach der faustgrossen Spinne auf Jan's Schulter aus.
Keine Angst. Angst ist nur ein Gefühl. Angst ist eine Illusion.
Ich verzog das Gesicht, als meine Finger gleich den Körper des Viechs berühren würden.
Dann schloss ich schnell und fest meine Faust um die Spinne - und Jan rannte einige Schritte rückwärts von mir weg.
Die Spinne kitzelte mich an meinen Fingern und Handfläche.
Ich hab keine Angst. Angst ist nur eine... Fuck it!
Ich stiess ebenso wie Jan vorhin einen hohen Schrei aus - und schmiss das Ding in Richtung eines Busches neben uns.
Jan atmete zittrig durch, kam vorsichtig einen Schritt näher zu mir und starrte auf den Busch. Als hätte er Angst, sie würde ihn gleich anspringen.
Wieso zum Teufel wir überhaupt draussen hinter dem Duschhaus des Camps gepennt hatten - konnte ich auch nicht sagen.
Und dass vor allem Jan ein paar Meter neben mir geschnarcht hatte, war mir ebenso ein Rätsel.
Ich hätte mir einen schöneren Wecker vorstellen können, als den schreienden Nerd, welcher aufgesprungen - und sogleich über mich hinübergestolpert war.
"Ist sie weg?"
"Nein, sie kommt gleich wieder und zertrennt dir mit ihren Vampirzähnen die Kehle durch."
Jan sah mit bleichem Gesicht, noch etwas glasigen Augen und wirklich wütender Mimik zu mir rüber.
"Weisst du was lustig ist, Mariola?"
"Nein."
"Du nicht!"
Ich verdrehte daraufhin die Augen, ehe der aufgeregte Timothée, Sam und sogar Luisa in unsere Richtung liefen.
"Alles okay, Jan hatte nur einen Zoff mit einer Spinne.",sagte ich sogleich mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen - als die Drei atemlos und mit fragendem Blick bei uns stehenblieben.
"Ernsthaft?",fragte Timothée den leise fluchenden Jan sogleich grinsend.
Lu wiederum trat einige Schritte zu Jan und legte beruhigend ihre Hand auf dessen Schulter - sah ihn fragend an.
Ich hob eine Augenbraue, als ich Sam sah - wie sich dieser gerade eine unverkennbare klatschnasse Schiene um sein Handgelenk anlegte.
"Warst du etwa auch schwimmen?"
"Was? Nee...",wich Sam kopfschüttelnd aus und sah unsicher zu Tim rüber - dieser schien ebenso irgendetwas zu verheimlichen.
Interessant.
Naja, auch nur vielleicht.
Wir traten zurück zum Hauptplatz des Camps und ich runzelte etwas die Stirn - probierte mich an irgendwelche Bruchstücke von der Party zu erinnern.
Zu viel getrunken. Matt geküsst. Matt oben ohne. Die andere scheiss Sache. Dann Übelkeit. - und dann?
Eigentlich hätte ich nur allzu gerne bei den anderen nachgefragt, was letzte Nacht noch alles passiert war - wenn uns nicht die Rufe von Matt aus unserem Gespräch gerissen hätten.
"Wo zum Teufel sind sie!",drangen die wütenden Worte von ihm zu uns - während er mit schnellen Schritten vom Haupthaus zu uns stampfte.
Sein schwarzes Shirt war etwas schräg - und seine Baseballjacke hatte er nur halb angezogen, während er zu uns lief.
"Wo sind was?",fragte sein kleiner Bruder verwirrt und schien schon fast Angst vor ihm zu haben - trat einige Schritte rückwärts von ihm weg.
"Die Gondelschlüssel, verdammt! Sie sind nicht im Büro von Abraham!",schrie Matt uns laut an - auch er schien noch einen mächtigen Kater zu haben, da er immer wieder das Gesicht vor Kopfschmerzen verzog.
"Du willst mich verarschen, oder?",fragte ich ihn angespannt und lachte kurz entsetzt auf.
Matt sah fahrig zu mir - schien aber einen Moment daran zu denken, was letzte Nacht passiert war - weswegen er mich nicht allzu wütend anfuhr.
"Nein."
Er sah sich stirnrunzelnd und etwas schwer atmend umher.
"Wo ist denn Liam?"
"Ja, das wüsste ich auch gerne...",sagte Timothée unsicher und strich sich nervös durch seine violetten Haare.
"Warscheinlich schon wieder irgendwo total high rumhängend.",meldete ich mich kopfschüttelnd zu Wort - verdrehte über den Hampelmann die Augen.
"Ach, fick dich, Mariola!" Timothée trat mit wütendem Gesichtsausdruck auf mich zu - wurde aber von Sam zurückgehalten.
"Hast du denn auch überall nachgesehen?",meldete sich nun auch Jan unsicher zu Wort - erst jetzt bemerkte ich, dass er seine blöde Mütze gar nicht mehr trug.
Besser so.
"Wenn ihr euch besser im Büro von ihm auskennt - kommt nur rein! Die Türen stehen euch ja immer offen!"
Also traten wir alle zusammen in das Haupthaus ein - teilweise waren Bänke und Stühle wild umhergestellt worden.
Die Kugeln vom Billiardtisch lagen am Boden, weswegen Sam fast gestolpert wäre - hätte er sich nicht im letzten Moment noch an Lu festhalten können.
Es war stickige Luft hier drinn - es roch unfassbar unangenehm.
Konnte es wirklich sein, dass wir alle einen solchen Filmriss hatten?
Das war doch unmöglich.
Wir hatten es gestern wirklich übetrieben.
Wieso zur Hölle hatte ich mich darauf bloss eingelassen?
Im Gang die zweite Tür links - führte in Mr. Turners Büro. Ich war vielleicht bisher zweimal hier drinn gewesen - eigentlich hatte er sein Büro immer recht unter privatem Verschluss gehalten.
Der Raum war auch nicht wirklich schön eingerichtet - vor dem Fenster stand sein grosser Schreibtisch - an der Wand hing eine eingerahmte Karte der Campregion und zwei Bücherregale waren nur halb gefüllt mit Büchern. Die andere Hälfte des Regals war mit Staub bedeckt.
"Wo sollten die Schlüssel genau sein?",fragte ich mit gerunzelter Stirn und trat auf den Schreibtisch zu.
Einen Stapel Dokumente und irgendwelche geöffnete Briefumschläge waren in der rechten Ecke - links eine verstaubte, rostfarbene Bürolampe.
In einem Stiftebecher, welcher das Logo des Camps zierte - waren perfekt gespitzte Bleistifte darin und edelaussehende Kugelschreiber.
"Er sagte, sie seien in seinem Büro. Aber ich denke schon, dass er sie irgendwo hingelegt hat, wo man sie offensichtlich sehen kann!",antwortete mir Matt gestresst und sah seufzend umher.
Das etwas trübe Sonnenlicht fiel durch das mit dunkelroten Vorhängen versehene Fenster hinein.
Liess den vielen Staub und die stickige Luft nur noch mehr zur Geltung kommen.
"Vielleicht hat er ihn in sein Schlafzimmer getan?",kam es etwas kleinlaut von Matt's kleinem Bruder.
Matt drehte sich etwas fahrig zu ihm um - war mir ziemlich sicher, dass er noch äusserst sauer war, dass Sam auf jeden Fall nicht die Dosis Alkohol gestern Abend eingehalten hatte, welche Matt für ihn vorbestimmt hatte.
"Er sagte aber, er sei in seinem Büro."
Sam zuckte als Antwort nur unwissend und unsicher mit den Schultern.
Ich verdrehte daraufhin etwas die Augen und trat mit Jan und Lu wieder in den Gang hinaus - scheinbar hatten auch sie die Idee, halt einfach mal nachschauen zu gehen.
Schaden konnte es ja nicht.
Also gingen wir zur Tür gegenüber des Büros. Sie stand etwas offen, was mir überaus komisch vorkam.
Mr. Turner schlief stets in seinem Einzelzimmer im Haupthaus - während alle anderen Betreuer in deren Hütte zusammen schliefen. Irgendwie war ich froh darüber gewesen - in einem Raum mit seinem Chef zu schlafen, wäre irgendwie unangenehm gewesen.
Hier drinn war nur noch stickigere Luft. Auch wenn dies gegen alle meine Prinzipien des Sommercamps verstöst - wünschte ich mir, dass hier alle Räume eine Klimaanlage besitzen würden.
Aber warscheinlich war ich einfach immer noch ziemlich gereizt über diese anstrengenden Kater-Kopfschmerzen.
Nie wieder mich auf einen solchen Scheiss einlassen, wie gestern. Nie wieder.
Das Zimmer sah nicht gross anders aus, als unsere drüben.
Ein Einzelbett - ähnliche, weisse Bettwäsche und ein Holz-Nachttisch.
Mit schnellen Schritten trat ich ein und machte die Schubladen auf - welche aber bis auf einer Packung Zigarren und einem alten Buch leer war.
"Wo könnte er sie hingetan haben...",murmelte ich nachdenklich - bekam aber keine Antwort meiner zwei Mitstreiter.
Verwirrt drehte ich mich vom Bett weg und sah, wie Jan geschockt auf die gegenüberliegende Wand starrte - erst einen einzigen Schritt in das Zimmer getreten war.
Spürte, wie Lu nach meiner Schulter griff und diese etwas schüttelte.
"Was ist denn, verdammt!",sagte ich genervt und riss mich von ihren Händen weg - ehe ich ihrem ebenso ängstlichen Blick folgte.
Könnte schwören, dass mein Herz für einen Schlag ausgesetzt hatte.
Mit grosser, roter Schrift war an der hellen Holzwand ein Weinglas gezeichnet.
Darunter stand in Grossbuchstaben;
PROST, MEINE LIEBEN FREUNDE!
AUF DASS EUCH DER STURM ZERFETZEN WIRD!
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