-Kapitel 23-

„Hier habt ihr euch versteckt. Da kann ich ja lange im Haus suchen."

Entschuldigend blickte Lando zu seiner Schwester, welche sich neben Piñón und ihn setzte. Er hatte sich Piñón geschnappt und war in den großen Garten des Anwesens seiner Eltern gegangen. Als seine Beine schwerer wurden, hatte sich Lando für eine kleine Pause entschieden und es sich unter der Pergola auf der großen Gartenbank bequem gemacht.

„Ich brauchte frische Luft. Außerdem war es Zeit für Piñón."

„Mom und Dad sind heute Abend weg."

„Ich weiß. Mom hat es mir vor ein paar Tagen schon erzählt. Wir beide sind heute allein."

„Aber ich bin nicht der Grund, warum du so nachdenklich schaust, oder?"

„Ich sollte bei Carlos sein."

Automatisch legte er seine rechte Hand auf den Babybauch, der in den letzten Wochen wirklich gewachsen war. Noch immer war er nicht üppig, aber man konnte ihn schon deutlicher sehen.

„Es war nicht nur Carlos, der es für besser hielt, wenn du erst mal nicht mit zu den Rennen kommst. Auch McLaren und Ferrari haben das unterstützt. Selbst deine Kollegen waren da ziemlich einer Meinung. Geschweige denn von unseren und Carlos' Eltern."

„Aber so sieht es aus, als würde ich mich verstecken und Carlos allein mit dem Mist lassen. Cis, er ist angegriffen wurden! Man hat ihn körperlich angegriffen und ich verstecke mich bei meinen Eltern, während er seinem Job nachgehen muss. Das ist scheiße!"

Eigentlich hatte er sich geschworen, sich nicht aufzuregen, aber das fiel Lando unglaublich schwer. Das, was in Spanien passiert war, ließ ihn auch eine Woche später nicht los. Spanien war die Heimat seines Freundes, dem Vater seines Kindes und sie wussten ja beide, dass es intolerante Menschen gab. Aber dass man sie ausgerechnet in Spanien so angreifen würde, hatte Lando sehr erschrocken. Sie waren auf dem Weg zur Strecke gwesen. Und noch auf dem Parkplatz kamen natürlich wieder eine Menge Fans und Journalisten auf sie zu, durch die sich Carlos und er tapfer kämpften. Lando erinnerte sich genau daran, wie der Moment war, als plötzlich zwei Kerle vor ihnen auftauchten und Carlos mit einem Mal nicht mehr seine Hand hielt.

„Lando? Hey."

Beunruhigt setzte sich Cis näher an ihren Bruder, legte vorsichtig einen Arm um diesen und zog den Älteren etwas an sich.

„Die Schweine haben Carlos geschlagen. Die haben den Mann, den ich liebe, einfach geschlagen und niemand hat was getan. Nur ihre blöden Kameras und Handys haben sie auf das Schauspiel gehalten."

Einer der Typen hatte Carlos mit voller Wucht einen Schlag gegen die Brust verpasst, sodass sein Spanier von seiner Hand losgerissen wurde und auf den Boden geschleudert wurde. Da sein Spanisch noch immer nicht astrein war, hatte er nicht alles verstehen können, was man Carlos entgegengeschrien hatte. Aber Worte wie abartig, eine Schande, widerliche Schwuchtel, Abschaum hatte Lando verstehen können. Und als einer der Typen dazu ausholen wollte, nach Carlos zu treten, hatte sich ein Schalter in ihm umgelegt und Lando war dazwischengegangen. Wütend hatte er sich vor dem Schrank aufgebaut und diesen angeschrien.

Aber auch hier griff niemand ein und er wurde schamlos von den beiden Typen ausgelacht und bespuckt, was wiederum Carlos mit einem Mal wieder auf die Beine brachte. Aber bevor sich dieser körperlich mit den beiden Typen anlegen konnte, kam endlich Hilfe. Die Sicherheitsmänner hatten wohl endlich geschnallt, dass etwas passiert war und griffen ein. Für Carlos und ihn war danach der Tag gelaufen.

„Carlos ist jetzt in Monaco ganz allein. Er hätte aussetzen sollen. Ich verstehe nicht, wie er nur eine Woche danach zum nächsten Rennen übergehen kann. Mir aber verbietet er, dass ich ihn begleite. Herrgott noch mal! WIR sind ein Paar. WIR sind zusammen und WIR sollten das gemeinsam durchstehen. Er sollte sich den Arschlöchern nicht allein stellen müssen! Ich will an die Seite meines Mannes. Ich will ihn unterstützen und den Arschlöchern zeigen, dass uns dieser Vorfall nicht unterkriegen kann!"

Cis wusste, dass die Aufregung weder für Lando noch für das Baby gut waren. Aber sie konnte ihren Bruder verstehen. An seiner Stelle wäre sie auch wütend. Die Videos kursierten im Netz und mitansehen zu müssen, wie die meisten umstehenden Idioten nur die Handys und Kameras draufhielten, statt Lando und Carlos zu helfen, war heftig.

„Die FIA und auch die Teams waren an diesem Tag sehr deutlich zu der Presse. Immerhin standen unzählige von den Journalisten drumherum und haben auch nichts unternommen."

„Und was bringt das Carlos und mir? Ein Wochenende gab es keine Pressekonferenz am Donnerstag wegen des Verhaltens der Presse. Großartig. Dafür schreiben sie auch jetzt schon von der großen Krise bei Carlos und mir. Wir würden das als Paar nicht schaffen. Ich war als Rennfahrer sowieso nicht zu gebrauchen. Ich würde Carlos im Stich lassen, sobald es Gegenwind geben würde. Gegenwind?! Wir sind beleidigt und bedroht worden. Wir wurden im Netz und Alltag angefeindet und letzte Woche wurden wir angegriffen! Was bilden sich diese Aasgeier eigentlich ein? Soll uns noch weitaus Schlimmeres zustoßen?!"

Aufgebracht sprang Lando auf, bereute diese Entscheidung aber sofort, als er schmerzhaft das Gesicht verzog und die Hände gegen den Bauch presste.

„Lando, du musst dich beruhigen. Bitte."

Heiße Tränen liefen über sein Gesicht, als er sich von Cis zurück auf die Gartenbank ziehen ließ. Sein Bauch fühlte sich angespannt an und Angst überkam ihn, als er versuchte, ruhig zu atmen. Vergeblich versuchte Lando ruhiger zu atmen, aber es wollte nicht funktionieren. Er war so aufgewühlt, so verletzt und wütend.

„Ich ... ich will zu Carlos ..."

Bitterlich weinend ließ er sich zur Seite fallen und zog die Beine an den Körper. Carlos war nach dem GP von Spanien verständlicherweise nicht in seiner Heimat geblieben. Mit Lando war er nach England geflogen und gemeinsam hatten sie Zeit miteinander verbracht. Erst am gestrigen Mittwoch hatte sich Carlos auf den Weg nach Monaco gemacht, wo das nächste Rennen stattfinden sollte.

Verzweifelt blickte Cis auf ihren Bruder. Was sollte sie machen? Oliver und Flo anrufen? Ihre Eltern? Oder doch am besten Carlos? Aber würde sich dieser nicht noch mehr Sorgen?

„Lando? Soll ich Carlos anrufen?"

„Nein. Ich will zu Carlos. Ich will, dass er mich in die Arme nimmt und sagt, dass alles gut wird."

+

„Da bist du ja, Carlos."

„Hm. Was gibt es?"

„Nach dem, was letzte Woche vorgefallen ist, würden wir es verstehen, wenn du nicht fahren möchtest."

„Es ist mein Job."

„Schon. Aber es ist auch deine Aufgabe, für Lando und euer Baby da zu sein. Ich habe mit der obersten Etage geredet und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wenn du aussetzen möchtest, dies kein Problem ist. Wir haben Callum schon seit dem Wissen über die Schwangerschaft im Simulator fahren lassen und auch auf der Strecke. Er würde sofort für dich einspringen."

Das überraschte Carlos doch ein wenig. Früher oder später musste ja jemand für ihn fahren, wenn das Baby auf der Welt sein würde. Aber dass Mattia ihm da wohl einige Schritte voraus war, war schon überraschend.

„Du wirst die Saison nicht zu Ende fahren können."

„Nicht?"

„Wenn die Rechnungen aufgehen, wird euer Nachwuchs Ende August, Anfang September auf die Welt kommen. Ich gehe davon aus, dass du dann die Zeit mit Lando und eurem Baby verbringen möchtest. Natürlich besteht kein Problem, wenn Lando nach der Geburt mit an die Strecken will, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er das unbedingt möchte. Gerade die ersten Wochen und Monate sind so wichtig und prägend für das Baby. Die Zeit solltet ihr in Ruhe genießen um als kleine Familie zusammenwachsen können."

Nachdenklich verließ Carlos nach dem Gespräch mit Mattia das Motorhome. Es war richtig nett und großartig von seinem Boss, dass er ihm jederzeit die Möglichkeit gab, sich zurückzuziehen, um ganz für Lando und ihr Baby da sein zu können. Und nach dem, was man ihnen in Spanien angetan hatte, war der Wunsch nach einer Auszeit größer denn je. Lando ging es nach dem Angriff wirklich schlecht. Das ganze Wochenende über hatte sich sein Freund nur im Hotel aufgehalten und das Zimmer erst wieder verlassen, als sie abgereist waren. Weder Daniel noch Jon oder George hatten ihn überreden können, an die Strecke zu kommen.

Und nun ließ er Lando quasi allein. Lando war zwar in der Obhut seiner Eltern, aber trotzdem allein. Im Grunde hätte er gar nicht erst nach Monaco fliegen dürfen, er hätte mit Lando gemeinsam die Auszeit nehmen sollen. Sie hätten zusammen neue Kraft tanken können.

„Hey, Carlos."

Erschrocken wirbelte Carlos herum, war er doch so in seinen Gedanken versunken, dass er um sich herum nicht wirklich etwas wahrnahm.

„Daniel."

„Magst du mit reinkommen?"

Blinzend hob er den Kopf, merkte erst jetzt, dass ihn sein Weg zu McLaren geführt hatte. Nickend folgte er dem Australier und lächelte leicht, als man ihn grüßte, während sie den Driver Room von Daniel ansteuerten.

„Wie geht es dir?"

„Beschissen."

„Ja, so siehst du auch aus."

Mit einer kleinen Geste signalisierte Daniel, dass sich Carlos setzten sollte, während er selbst zwei Flaschen Wasser aus seinem kleinen Kühlschrank holte und eine an Carlos reichte.

„Ich habe das Gefühl, dass ich Lando im Stich gelassen habe."

„Weil du hier in Monaco bist und nicht an seiner Seite?"

„Ja. Lando war so erschrocken und ängstlich nach diesem Angriff, dass er mich kaum noch loslassen wollte, nachdem wir erst mal sicher waren. Du hast selbst versucht, ihn aus dem Hotel zu bekommen. Aber alle Versuche scheiterten. Wir hatten darüber gesprochen, dass er sich vielleicht eine kleine Auszeit bei seinen Eltern nehmen wollte, um Ruhe zu finden. Das war vor dem Angriff. Und statt bei ihm zu sein, schicke ich ihn weg."

„Du hast das getan, um ihn zu schützen. Um euer Baby zu schützen."

„Das macht es nicht besser, Daniel. Natürlich habe ich das gemacht, um die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben in Sicherheit zu wissen, aber ich hätte trotzdem bei Lando bleiben und diesen Job einfach mal links liegen lassen sollen. Aber das habe ich nicht getan, weil ich meinen Job gewissenhaft erfüllen will. Landos jüngste Schwester hat mir vorhin geschrieben."

Angespannt ballte Carlos seine Hand so fest, dass er die Wasserflasche richtig zerdrückte. Am liebsten wäre er nach Nizza gefahren und hätte den nächsten Flug nach England genommen. Aber auch hier kam ihm seine Loyalität gegenüber seinem Vertrag in die Quere.

„Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war es keine freudige Nachricht?"

„Nein. Cis hat Dr. Greyhound gerufen. Lando hat sich fürchterlich aufgeregt, war wütend und verletzt über das, was geschehen war. Er wollte unbedingt zu mir. Ich sollte ihn in die Arme nehmen und sagen, dass alles gut werden würde. Daniel, ich war nicht da, als es Lando so schlecht ging. Ich hätte mir doch denken können, dass Lando den Übergriff nicht so einfach wegstecken würde. Ich habe gesagt, dass ich mich sofort auf den Weg machen würde, aber Cis hat zurückgeschrieben, dass es aktuell keine gute Idee sei, da die Stimmungsschwankungen wohl extrem waren. Mit einem Mal wollte Lando mich nicht mehr sehen. Mir sei die Arbeit wichtiger als das Baby und ich hätte ihn im Stich gelassen. Solle ich doch bei der Arbeit bleiben und glücklich werden."

„Wow. Diese Stimmungsschwankungen sind aber schon echt heftig. Dabei weiß doch jeder, wie sehr Lando dich liebt und deine Nähe genießt. Schon bevor wir offiziell von euch als Paar wussten, konnte man Lando ansehen, wie wichtig du für ihn bist. Er hat jedes Mal gestrahlt, wenn ihr zusammen Zeit verbringen konntet. Du machst ihn glücklich, Carlos, das solltest du nie vergessen. Die Schwangerschaft, die damit freigesetzten Hormone, der Verbot, seinem Job nachgehen zu dürfen, der Übergriff, die bösartigen Kommentare und die Anfeindungen und dann eben das Wissen, dass du ihn lieber abschiebst, als ihn in deiner Nähe haben zu wollen, waren für die wirklich zarte Seele einfach zu viel. Lando ist ein so zerbrechliches Wesen. Seine Empathie geht weit über das hinaus, was ich kenne. Und gleichzeitig ist er so stark geworden. Ich konnte live miterleben, wie aus einem scheuen 19-jährigen Teenager ein toller junger Mann wurde. Lando ist in den letzten Jahren so viel stärker und selbstbewusster geworden und das hat er sicherlich auch dir zu verdanken."

Carlos wusste später nicht mehr, wann und wie es passieren konnte, aber er lag weinend in den Armen von Daniel. Klammerte sich fast schon verzweifelt an dem Älteren fest und schien sich auch nicht beruhigen zu wollen, als Daniel beruhigend über seinen Rücken streichelte.

Das Summen seines Smartphones ließ Daniel kurz in seinem Tun stoppen. Carlos lehnte mit dem Kopf an seiner Schulter und war wirklich eingeschlafen. Gerade vielleicht das Beste für den Spanier. Er musste sich unbedingt mit den anderen Jungs in Verbindungen setzen. Sie mussten dringend etwas für Lando und Carlos tun.

Kommst du heute noch zu mir?

Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Carlos ist gerade bei mir und es geht ihm richtig schlecht.

So schlimm?

Schlimmer. Ich kenne Carlos schon ein paar Jahre, aber ich habe ihn noch nie so weinen gesehen. Lando geht es wohl aktuell auch nicht so gut. Seine jüngste Schwester hat mit Carlos geschrieben.

Falls du bei Carlos bleiben möchtest, kann ich das verstehen.

Ich denke nicht, dass wir hier im Paddock bleiben werden. Ich lasse Carlos jetzt noch ein bisschen schlafen und werde dann versuchen, zusammen mit ihm das Paddock zu verlassen. Wir haben dasselbe Hotel. Wenn ich ihn wohlbehalten in seinem Zimmer abgeliefert habe, werde ich noch zu dir fahren. Ich melde mich auf jeden Fall. Ich liebe dich. Xxx

Ich dich auch. Und danke, Daniel, dass du dich um Carlos kümmerst.

Das ist selbstverständlich. Das würde ich für jeden von euch tun. Wir müssen doch zusammenhalten. Und wir werden es dem fucking Pack da draußen zeigen.

Tz. Nicht solche Ausdrücke, Babe.

Wieso? Weil du zu jung dafür bist? ;p

Haha ... Seit ich mit dir zusammen bin, habe ich Sachen und Dinge gehört, die mich bis auf Lebenszeit verdorben haben. ;p

Ooooh ... Was du immer für romantische Äußerungen von dir geben kannst ...

Habe vom Besten gelernt. :D

Lachend schüttelte Daniel den Kopf. Sein Freund war ein kleiner Teufel. Aber leider hatte Max nicht unrecht. Er hatte den jungen Niederländer schon etwas verdorben. Aber das auch schon, bevor sie zusammengekommen waren.

Ich denke, wir sollten es Carlos und Lando sagen.

Denke ich auch. Die beiden sind schon lange sehr gute Freunde.

Aber erst versuchen wir, dass sie etwas Ruhe bekommen. Auch wenn Carlos es nicht gerne zugibt, hat ihn der Übergriff ziemlich mitgenommen. Wir sollten uns mit den anderen besprechen.

Dafür haben wir extra die WhatsApp-Gruppe ins Leben gerufen.

Nachdem er mit Max zu Ende geschrieben hatte, tippte Daniel schnell etwas in ihre kleine geheimen Gruppe, von welcher Carlos und Lando nichts wussten. In schnellen kurzen Sätzen erklärte er, was passiert war. Es dauerte nicht lange, bis unzählige Antworten ertönten, welche Carlos leise an seiner Schulter murren ließ. Aber wirklich aufwachen tat der Spanier von den Tönen des Smartphones nicht.

+

Sie hatte die ganze Zeit an der Seite ihres Bruders gewacht. Nachdem der Arzt wieder weg war, hatte Cis ihren Eltern Bescheid gegeben, welche auch sofort zurück nach Hause kamen. Gemeinsam hatten sie bei Lando am Bett gesessen und besorgte Blicke über diesen gleiten lassen.

Es war spät, als sie alle ins Bett gegangen waren. Cis hatte sich nur schnell Bettdecke und Kissen aus ihrem Zimmer geholt und diese auf dem Boden vor Landos Bett ausgebreitet. Mit einer weiteren Decke hatte sie sich ein Schlaflager gebaut und blieb die ganze Nacht bei Lando.

„Liebling, magst du wirklich nicht runterkommen? Wir haben den Tisch gedeckt."

„Nein, Mom."

„Sollen wir dann was nach oben bringen? Du solltest was frühstücken, Liebling."

„Ich habe keinen Hunger. Ich will einfach im Bett liegen bleiben und meine Ruhe haben."

Lando war sich bewusst, dass er seiner Mom gegenüber wirklich sehr unfreundlich war, aber er konnte es auch nicht ändern. Die Decke hatte er sich bis über den Kopf gezogen, während beide Hände unter der Decke auf seinem Bauch ruhten. Es verfluchte sich noch immer dafür, dass er das ihrem Baby gestern angetan hatte. Dieser Nervenzusammenbruch war alles andere als förderlich für seine Schwangerschaft. Hinzu kam, dass er sich noch nicht bei Carlos gemeldet hatte, obwohl unzählige Nachrichten von diesem auf seinem Display leuchteten.

Das schlechte Gewissen nagte stark an ihm und Lando konnte die Tränen nicht zurückhalten. Er hatte sich Carlos gegenüber nicht fair verhalten, obwohl er nichts geschrieben hatte. Cis hatte ihm aber erzählt, dass sie mit Carlos geschrieben hatte. Auch davon, dass er wohl sehr gemein zu Carlos gewesen war.

„Lando?"

„Lass mich."

„Nein. Du wirst da jetzt unter der Decke hervorkommen und deinem Freund antworten."

„Ich war ein Arsch."

„Warst du nicht, mi amor. Das sind deine Hormone und die Wut über den Angriff."

Hektisch schlug Lando die Bettdecke von sich, drehte sich zur anderen Seite und blickte direkt auf das Display von Cis' Handy, auf welchem ihm Carlos lächelnd entgegenblickte.

„Guten Morgen, ihr beiden."

„Car ... Carlos ..."

„Ich musste dich einfach sehen, sonst kann ich mich nicht auf den heutigen Tag konzentrieren."

„Ich vermisse dich so sehr. Es tut mir so leid, was ich gesagt habe."

„Es ist alles gut, Lando. Ich hätte dich nicht einfach allein lassen sollen und so weitermachen, als wäre nichts passiert. Ich glaube, ich wollte mich einfach beweisen und zeigen, dass mich dieser Übergriff nicht belastet."

„Du hast uns nicht allein gelassen. Du hast dich um uns gesorgt und wolltest, dass wir in Sicherheit sind. Aber ich fühlte mich so abgeschoben und bevormundet. Wir sollten das gemeinsam als Paar durchstehen. Du siehst doch, was gleich geschrieben wurde, weil du allein in Monaco aufgetaucht bist. Man spricht sofort von einer Krise in unserer Beziehung und von einer dummen Idee, dass wir uns geoutet haben."

„Es ist egal, was wir machen, Lando. Die Presse wird immer etwas zu schreiben haben und wenn wir ihnen selbst nichts liefern, wird eben etwas erfunden. Das war schon immer so und das wird leider auch so bleiben. Wir beide wissen es besser. Sollen die doch von einer Krise schreiben und uns unterstellen, dass ein Outing zu früh war. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie sehr ich dich und unser Baby liebe. Ihr seid das Wichtigste für mich und ich wäre so gerne bei euch. Ich verspreche dir, wenn das Wochenende vorbei ist, verbringen wir ganz viel Zeit. Ich würde dich gerne mit nach Mallorca nehmen. Da können wir abschalten und uns ausruhen."

Während erneut Tränen über sein Gesicht liefen, nickte Lando arg. Gemeinsame Zeit mit Carlos hörte sich fantastisch an. Wenn er Zeit mit Carlos verbrachte und wieder neue Kraft und Selbstbewusstsein tanken würde, könnte er sich beim nächsten Rennen der Presse entgegenstellen und dieser zeigen, dass sie ihn nicht kleinkriegen.

„Danke, Carlos."

„Nein, mi amor. Du musst dich nicht bedanken. Du bist alles, was ich will. Es ist gerade etwas schwer, weil dich die Hormone ärgern und du dir noch mehr zu Herzen nimmst, aber ich werde mich nicht abwimmeln lassen. Ich weiß, dass du es nicht ernst meins."

„Was wäre ich auch ohne dich? Ich mochte mich noch nie mit dir streiten und ich will es jetzt auch nicht. Und ich möchte auch nicht immer alles auf die Hormone schieben, aber nach langen Erklärungen von Dr. Greyhound und lesen im Internet muss ich mir eingestehen, dass es wirklich die Hormone sind, die mich so reagieren lassen. Ich möchte dich doch nicht verlieren, weil ich so bin."

„Schatz, du wirst mich nicht verlieren. Ich muss nur selbst noch lernen, besser mit deinen Stimmungsschwankungen umzugehen, ohne dich dabei zu verletzen. Wenn ich am Montag zurückkomme, nehmen wir uns ganz viel Zeit. Nur für uns drei. Wenn es dir gesundheitlich gut geht, fliegen wir."

Nachdem Cis der Arm irgendwann fast abgestorben war, überließ sie ihrem Bruder einfach ihr Handy und eilte nach unten in die Küche, wo sie ein Frühstück für Lando zusammenstellte.

Als sie mit einem Tablett zurück in das Zimmer von Lando kam, hatte dieser das Gespräch beendet und lächelte dankend. Cis wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, als sie am Morgen Carlos geschrieben hatte.

+

„Ich bin dir wirklich dankbar. Allein hätte ich den Mut nicht gehabt, mich bei Carlos zu melden."

„Ich möchte nur, dass es euch gut geht. Euch dreien."

Auch nachdem Lando sein Frühstück gegessen hatte, blieb er in seinem Zimmer. Irgendwie fehlte ihm die Kraft, das Bett zu verlassen. Cis hatte sogar das Gassigehen mit Piñón übernommen, während sein Dad und seine Mom abwechselnd nach ihm geschaut hatten.

„Carlos hat gesagt, dass wir uns die nächste Woche nur für uns nehmen. Er kommt am Montag. Sonntag schafft er aus Termingründen leider nicht. Aber Montagmorgen nimmt er morgens gleich einen zeitigen Flug."

„Und wie geht es dir jetzt? Tut der Bauch noch weh? Fühlst du das Baby?"

„Das Gespräch mit Carlos hat gutgetan. Und ich hatte das Gefühl, dass er diesmal nicht versucht hat, zu stark für mich zu sein. Ich weiß, dass er vieles überspielt, obwohl es ihn auch sehr nahe geht. Er macht das für mich und unser Baby. Aber ich möchte nicht, dass er alles hinnimmt oder vor mir den Starken Mann markiert. Wir sind ein Team. Und als Team stehen wir all die guten und schlechten Sachen gemeinsam durch. Das habe ich vorhin auch noch mal zur Sprache gebracht."

Gerne würde sie Lando mehr unterstützen, aber mehr als für ihren Bruder da zu sein, war Cis leider nicht möglich. Aber sie sah es ihrem Bruder deutlich an, dass er zwar wirklich sehr erschöpft wirkte, aber viel entspannter war als am gestrigen Tag noch. Auch war sie sicher, dass es Carlos nun besser ging, dass sich dieser bestimmt besser auf seine Arbeit konzentrieren konnte.

„Lando, darf ich dich was fragen?"

„Sicherlich."

Lächelnd lehnte sie sich an ihren Bruder. Auch wenn Lando es nicht aus dem Bett geschafft hatte, so wollte er auch nicht die ganze Zeit liegen und hatte sich aufgesetzt, sodass Cis und Piñón nun auch sein Bett mit in Anspruch nahmen.

„Carlos und du habt am Dienstag euren Jahrestag. Hast du was geplant?"

„Du weißt, wann Carlos und ich unseren Jahrestag haben?"

„Natürlich weiß ich das. Der Tag, an dem mein Bruder mir freudestrahlend verkündet hat, mit dem tollsten und großartigsten Mann der Welt zusammen zu sein."

Verlegen senkte Lando seinen Kopf und zupfte etwas an seinen Pulloverärmel. Es war nicht kalt, aber er fühlte sich in den Hoodies von Carlos einfach wohler, eigentlich schon sehr geborgen.

„Ich habe mich damals so sehr für dich gefreut. Es ging dir so schlecht wegen deinen Gefühlen für Carlos. Und dann seid ihr zusammengekommen und ich hatte dich schon lange nicht mehr strahlen gesehen. Du warst so glücklich. Oft denkt ihr ja, dass ich nicht viel mitbekomme, weil ich die Jüngste bin. Aber ich weiß schon, dass es dir eine Zeit lang nicht gut ging, nachdem Carlos gewechselt war. Damals hatte ich Angst, dass ihr euch trennt."

Lando musste sich eingestehen, dass er erstaunt war, wie viel Cis mitbekommen hatte. Die war doch seine kleine Schwester und sollte nichts von seinem Kummer und seinen Sorgen mitbekommen. Als großer Bruder war es doch seine Aufgabe, seine kleine Schwester zu beschützen. Aber scheinbar hatten sie seit seiner Anwesenheit hier zu Hause ihre Rollen getauscht. Cis kümmerte sich unglaublich fürsorglich um ihn.

„Ihr seid drei Jahre zusammen. Und gründet eine kleine Familie."

„Ja. Eine kleine Familie."

Die Handbewegungen waren schon verinnerlicht. Sanft strich Lando über seine Wölbung, die sich unter seinem Hoodie versteckte.

„Und was hast du für Carlos?"

„Na ja ... irgendwie will ich versuchen, dass er das Haus verlässt."

„Oooh. Du willst was machen?"

„Ich möchte ihm sein Lieblingsessen machen. Burger mit Pommes."

Überrascht schaute Cis ihren Bruder an. Sie wussten alle, dass Lando nicht unbedingt für Küche und Herd geeignet war. In den letzten Jahren hatte sich das wohl etwas geändert, aber großartig kochen schien Lando deswegen immer noch nicht zu können.

„Während Carlos freies Training hatte oder Interviews, hatte ich viel Zeit. Oder wenn er andere Termine mit Ferrari hatte. Ich habe dann Videos bei YouTube geschaut und mir einige davon gespeichert."

„Wow. Das ... das ist süß, Lando. Und du schaffst das? Versteh mich nicht falsch, aber kochen und du waren sonst meist wie Feuer und Wasser."

„Ich habe versucht, einfache Rezepte zu finden und bin wirklich zuversichtlich, dass ich es schaffe. Nur muss ich eben schauen, dass Carlos nicht zu Hause ist. Ich muss einkaufen und alles herrichten."

„Puh. Das wird aber schwer, Carlos aus dem Haus zu bekommen. Sagtest du nicht, dass er mit dir nach Mallorca fliegen will?"

„Das mit Mallorca eilt ja nicht. Da können wir jeden Tag hinfliegen. Weißt du, Cis, ich habe gerade überhaupt keinen Plan, ob Carlos unseren Jahrestag überhaupt auf dem Plan hat."

„Die beiden vorherigen hat er doch auch nicht vergessen."

„Da war ich auch noch nicht schwanger und wir nicht geoutet. Carlos versucht, mich zu schützen und gibt nicht oft preis, wie es innerlich in ihm aussieht. Aber weißt du, ich könnte es schon verstehen, wenn er unseren Jahrestag vergessen hat - bei all dem Stress, der in den letzten Wochen herrschte."

Nachdenklich verzog Cis die Lippen. Eigentlich traute sie Carlos nicht zu, so einen wichtigen Tag zu vergessen. Aber so unrecht hatte ihr Bruder nun auch wieder nicht. Wie würde Lando aber reagieren, wenn Carlos wirklich ihren Jahrestag vergessen hatte? Würden die Hormone die Kontrolle übernehmen oder würde er es einfach lächelnd hinnehmen, weil er eben um den ganzen Stress wusste?

„Das Einkaufen kann ich auch für dich übernehmen. Du musst mir nur aufschreiben, was du alles brauchst. Ich könnte dann zu dir kommen, wenn Carlos aus dem Haus ist und alles vorbeibringen. Und ich könnte dir auch mit dekorieren helfen, falls du so was geplant haben solltest."

Vor Dankbarkeit und Freude liefen Lando schon wieder Tränen über das Gesicht. Er konnte es nicht verhindern, dass ihn die Gefühle übermannten.

„Hey."

Behutsam legte sie die Arme um ihren Bruder und lächelte diesen aufmunternd an.

„Und wie werden wir Carlos nun los? Was, wenn er auch was geplant hat?"

„Vielleicht sollten wir Dad miteinbeziehen. Carlos und er verstehen sich doch sehr gut. Und die beiden spielen unglaublich gerne Tennis zusammen. Du willst die Burger und Pommes zum Mittag machen?"

„Ja, ich denke, das ist am besten, weil ich so schnell müde und erschöpft bin. Wer weiß, ob ich das am Abend noch alles hinbekomme."

„Dann haben wir einen Plan. Selbst wenn Carlos etwas für dich geplant hat, kann es ja sein, dass er dies gegen Abend machen möchte. Oder er plant wirklich einen ruhigen Tag. Aber darüber sollten wir uns nicht weiter den Kopf zerbrechen. Ich habe da noch eine andere Frage, Lando. Kennst du noch Faye?"

„Hm. Der Name sagt mir was. Ist sie nicht deine beste Freundin?"

„Ja. Und weißt du noch, was ihre Mutter beruflich macht?"

„Cis, du fragst Dinge. Faye ist deine beste Freundin. Ich weiß, dass du es mal erwähnt hast und dass ihre Mutter damals auch mal hier war, um sie abzuholen."

„Ihre Mom ist Fotografin."

„Stimmt. Du hattest mal Bilder gezeigt. Richtig gute Bilder. Aber wieso ist das jetzt wichtig für meinen Jahrestag?"

„Sie hat sich irgendwann auf ein Gebiet spezialisiert und ist darin wirklich sehr gut. Ständig ist sie ausgebucht und hat auch schon Preise für ihre Bilder bekommen."

„Hilft mir nicht weiter, Cis."

„Sie macht Babybauch-Shootings."

„Was soll das sein?"

Irgendwo im Hinterkopf geisterten Bilder, aber Lando konnte sie nicht genau einordnen. Er hatte diesen Begriff schon mal gehört, wusste aber gerade nicht, was es sein sollte.

„Hier."

Cis hatte sich ihr Handy geschnappt und hielt Lando dies nun vor die Nase. Auf dem Display war eine Website aufgerufen, die viele schwangere Frauen zeigte.

„Sie setzt den Babybauch wunderschön in Szene. Ich habe gedacht, dass es vielleicht eine schöne Überraschung für Carlos sein könnte, wenn du solche Bilder machen lässt. Selbstverständlich nur, wenn du dich bereit dazu fühlst."

Je länger er auf das Display schaute, desto mehr wollte er sich die ganze Seite ansehen. Kurzentschlossen nahm er das Handy an sich und scrollte sich durch die Galerie. Und Cis hatte recht. Es waren wunderschöne Bilder von Frauen mit ihrem Babybauch. Aber es gab auch Partnerbilder.

„Die sind wirklich schön. Aber ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich mich so entblößt vor Fremden zeigen kann. Und kommt sie überhaupt damit klar?"

„Dass du ein schwangerer Mann bist? Julie kennt dich Lando. Sie wusste zwar bis zu eurem Outing nicht, dass du mit einem Mann zusammen bist oder dass du ein seltenes Syndrom hast, aber sie würde dich auch niemals verurteilen. Ich hatte nur dran denken müssen, als du uns gesagt hast, du seist schwanger. Und es wäre eine schöne Erinnerung für euch beide."

„Wir könnten sogar gemeinsame Bilder machen. Falls Carlos so was machen würde."

Begeistert nickte Cis. Schon von dem Moment an, in dem ihr Bruder und Carlos berichtet hatten, sie würden ein Kind bekommen, ließ sie die Idee mit dem Bauchshooting nicht mehr los. Unauffällig hatte sie ihre beste Freundin etwas ausspioniert und gefragt, wie so was ablaufen würde. Und Faye hatte ihr berichtet, dass ihre Mom sehr diskret und einfühlsam mit ihren Kundinnen umgehen würde.

„Aber so kurzfristig bekomme ich doch keinen Termin, du hast gesagt, sie ist ständig ausgebucht. Heute ist Freitag. Am Montag kommt Carlos und am Dienstag ist unser Jahrestag."

„Ja, schon. Aber sie arbeitet nicht am Wochenende. Nur von Montag bis Freitag. Ich könnte Faye anrufen und fragen. Oder eben direkt Julie."

Und schon kam wieder das Unbehagen, dass er anderen Umstände machen könnte. Sofort knabberte Lando auf seiner Unterlippe und war hin- und hergerissen. Die Idee mit den Bildern war großartig und er war sich sicher, dass Carlos sich freuen würde. Aber er wusste eben auch nicht, ob er den Mut haben würde, sich oben ohne einer fremden Person zu zeigen. So gut kannte er Julie dann auch wieder nicht. Aber noch mehr überwog eben das Unbehagen, jemandem seine freie Zeit zu nehmen.

„Hey, Brüderchen. Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich telefoniere nachher mit Faye und frage einfach. Mehr als ja oder nein kann Julie auch nicht sagen."

Seufzend nickte Lando. Vielleicht sollte er das nicht machen, sondern Cis einfach vertrauen. Seine Schwester hätte den Vorschlag sicher nicht gemacht, wenn dieser nicht umsetzbar war.

„Ich glaube, ich gehe mal etwas mit Piñón raus. Frische Luft und Bewegung tun mir sicher gut. Außerdem kann ich es mir dann noch etwas durch den Kopf gehen lassen."

„Mach das. Ich telefoniere in der Zwischenzeit mit Faye und gebe dir dann später Bescheid."

Mit einem liebevollen Kuss auf die Wange von Lando schnappte sich Cis das Tablett mit den Frühstückssachen und verschwand damit wieder nach unten. Lando selbst blieb noch ein paar Minuten im Bett, bevor er sich dann doch endlich aufraffte und anzog.

TBC ...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top