-Kapitel 21-
Willkommen zum Mittwoch - Update :-*
heute gibt es nicht viel Vorweg zu erwähnen.
Die medizinischen Erklärungen habe ich für meine Geschichte etwas angepasst. Ich möchte hierbei natürlich niemanden im Bereich Frauenarzt/allgemein Medizin auf den Fuß treten :-*
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„Carlos?"
„Ja?"
„Ich mag nicht immer so eine Extrabehandlung haben."
„Ich weiß, mi amor. Die nächsten Termine können wir anders legen, aber ich denke, das es für unser erstes Mal eigentlich gut ist, dass uns Dr. Livingston nach Praxisschluss empfängt. Der Trubel kann nicht gut für euch beide sein."
„Ja, schon, aber ich will einfach nicht, dass andere Menschen wegen mir Umstände haben. Dr. Livingston ist schon den ganzen Tag in ihrer Praxis und nun am Abend ist sie nur wegen mir noch hier. Ich finde es schön, dass sie ihre Praxis in einer sehr ruhigen Wohngegend hat, aber trotzdem fühle ich mich damit einfach unwohl."
Ruhig streichelte Lando über sein kleines Bäuchlein. Anfangs hatte er noch gedacht, dass er einen ganz schönen kleinen Bauch hatte, dafür dass er schon einige Wochen schwanger war. Aber seine Recherchen im Internet ergaben, dass dies wohl vollkommen normal war und vor allem bei jeder Schwangerschaft anders. Und trotzdem würde er Dr. Livingston darauf ansprechen, um sicher zu gehen, dass es normal war, dass sein Bauch eben noch nicht so üppig war.
Zärtlich malte Carlos Kreise auf den Handrücken seines Freundes, während sie schon im Behandlungsraum Platz genommen hatten. Dr. Livingston hatte sie höchstpersönlich in die Praxis gelassen und direkt zum Behandlungsraum geführt. Sie musste nur noch kurz etwas erledigen und wäre dann sofort bei ihnen.
Die Ärztin machte einen freundlichen und liebenswerten Eindruck. Vom Gefühl her würde Lando sie auf das Alter seiner Eltern schätzen, aber da er im Schätzen schon immer eine Niete war, konnte er natürlich auch meilenweit davon entfernt sein. Wichtig für ihn war einfach, dass er sofort ein gutes Gefühl bei der Ärztin gehabt hatte. Sie hatte Carlos und ihn mit einem ruhigen, herzlichen Lächeln begrüßt und danach durch die Praxis geführt. Es wirkte alles hell und freundlich. Die Einrichtung war schön, sie war einladend und irgendwie liebevoll.
„Entschuldigen Sie, Mr. Norris, Mr. Sainz. Ich musste nur eben schnell meinen Mann anrufen. Der ist nämlich einkaufen."
Praxis und Haus waren zusammen, wobei über der Praxis scheinbar die Wohneinheiten der Ärztin und ihrem Mann lagen, während unten eine geräumige Praxis eingebaut worden war.
„Ich fühle mich nicht wohl damit, dass Sie wegen mir extra noch geöffnet haben. Sie hätten schon lange Feierabend und sollten diesen genießen und mit ihrem Mann verbringen."
„Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Mr. Norris. Sie machen mir keine Umstände. Clark – Dr. Greyhound – und ich haben uns abgesprochen und es für angebrachter gehalten, Sie bei der ersten Untersuchung bei einer Frauenärztin keinem unnötigen Stress auszusetzen. Wir können später sehr gerne auch während der regulären Öffnungszeiten Ihre Termine machen. Aber das besprechen wir nachher. Jetzt geht es erst mal um Sie und ihr Baby. Also, Mr. Norris, wie fühlen Sie sich?"
„Soweit ganz gut. Die Übelkeit ist zum Glück nicht mehr so präsent. Das war nicht schön. Meine etwas gewagten Esskombinationen machen mir schon Angst, aber sie schmecken. Ich habe einen Trainingsplan mit meinem Physiotherapeuten erarbeitet und mache regelmäßig Sport. Ansonsten gehe ich sehr viel mit Piñón – dem Hund meines Partners – Gassi. Wir joggen auch. Ich bin oft sehr schnell müde und erschöpft, was mich nervt. Oft habe ich das Gefühl, ich würde den halben Tag verschlafen. Und am meisten machen mir die Hormone zu schaffen. Ich war auch schon vor der Schwangerschaft sehr emotional und nah am Wasser gebaut, ich nehme mir Dinge jetzt noch mehr zu Herzen und ich habe Angst, dass irgendetwas dem Baby schaden könnte. Im Internet stehen so viele Dinge, die mich überfordern. Ich will unser Baby nicht gefährden, sondern alles richtig machen."
Während Lando erzählte, wie es ihm ging und was ihn sorgte, hielt Carlos die ganze Zeit seine Hand und drückte diese hin und wieder, beobachtete Dr. Livingston, die sich Stichpunkte notierte.
„Mr. Sainz, wie fühlen Sie sich? Wie geht es Ihnen mit der Schwangerschaft Ihres Partners?"
Überrascht huschte sein Blick zwischen Lando und der Ärztin hin und her. Carlos hatte nicht damit gerechnet, dass auch er in die Befragung mit einbezogen werden würde. Für den ersten Moment war er deswegen schon überfordert.
„Ich freue mich. Ich könnte nicht glücklicher sein. Lando und ich haben am Anfang unserer Beziehung über Familienplanung geredet und wir beide wollten eine haben. Dass dies nun etwas schneller als geplant passiert, war anfangs schon beängstigend. Ich möchte Lando vor allem Schlimmen beschützen, vor allen vor dummen und bösen Kommentaren im Internet und intoleranten Menschen, die uns seit dem Outing auch schon vermehrt über den Weg gelaufen sind. Ich habe Angst um Lando und das Baby. Mir ist sein Syndrom bekannt und ich weiß, dass er anatomisch alles für eine Schwangerschaft hat, aber trotzdem habe ich Angst, was sein Körper jetzt alles durchmachen wird. Ich erwische mich dabei, wie ich alles argwöhnisch beobachte, wie ich versuche, die Umgebung zu scannen, um sicher zu sein, dass keine Gefahren bestehen. Es macht mir selbst ein ungutes Gefühl, weil ich Lando nicht einsperren möchte, aber trotzdem wäre mir das lieber bei all den Idioten, die es gibt."
„Jetzt mal davon abgesehen, dass Ihr Partner ein Mann ist und durch das Syndrom die Schwangerschaft geschehen konnte, sind es vollkommen normale Gefühle, die Sie haben. Ich höre es oft von Partnern, wenn sie ihre Freundinnen oder Ehefrauen begleiten, dass sie Ängste haben. Einige versuchen, sich stark zu geben, andere geben es offen zu. Sie sind damit nicht allein, Mr. Sainz. Bei Ihnen beiden sind eben gewisse Umstände etwas präsenter. Wie eben die Tatsache, dass Sie beide im öffentlichen Leben stehen und sehr bekannte Rennfahrer sind. Und mir ist bewusst, dass es sehr viele Menschen gibt, die nicht damit klarkommen, dass Ihr Partner schwanger ist. Ein Mann ist nicht schwanger. Aus. Leider ist dieses Denken auch in unserer Zeit noch sehr stark vertreten, obwohl es eine medizinische Erklärung gibt."
Die Ärztin wurde ihm immer sympathischer. Lando war froh, dass er doch auf Carlos und Dr. Greyhound gehört hatte. Zwar vertraute er seinem Hausarzt am meisten, aber bei Dr. Livingston hatte er auch ein sehr gutes Gefühl. Ihr Baby und er würden bei der Ärztin in guten Händen sein.
„Was Ihre Ausführungen betrifft, Mr. Norris - das sind alles normale Erscheinungsbilder einer Schwangerschaft. Leider kann ich Ihnen einige der Nebenerscheinungen nicht schönreden. Die Müdigkeit wird Sie sicher noch einige Wochen begleiten, genauso wie Sie später sehr wahrscheinlich oft geschwollene Beine und Füße bekommen werden. Ihr Körper ist dabei, etwas Unglaubliches zu vollbringen."
„Man sagt Männern ja oft nach, dass sie nicht so stark sind, wie sie tun. Und oft habe ich gelesen, wenn wir Männer Schwangerschaften austragen müssten, dass die Menschheit schon ausgestorben wäre, weil wir ja schon beim kleinsten Husten kurz vor dem Sterben stehen. Denken Sie, dass ich es schaffen werde?"
Schmunzelnd legte die Ärztin den Stift nieder, mit welchem sie sich bis gerade eben ihre Notizen gemacht hatte. Ihr Blick heftete sich auf Lando.
„Es gibt sicherlich Vertreter Ihres Geschlechtes, die mit einer Schwangerschaft nicht zurechtkommen würden. Man darf aber nicht alle über einen Kamm scheren. Sie müssen sich eben nur bewusst sein, dass Ihr Körper in den nächsten Wochen und Monaten sehr viele Veränderungen durchmachen wird. Sie werden an Gewicht zunehmen. Kleine Tätigkeiten werden Ihnen schwerer fallen. Mit der Zeit wird das Baby in Ihnen größer und schwerer und es wird Ihre Organe sicher auch gerne mal als Boxsack benutzen. Sie werden oft den Gang zur Toilette suchen, da das Boxen in die Blase beliebt ist. Ihre Stimmungsschwankungen können extremer werden und sie werden sicher Momente haben, wo Sie sich unter der Bettdecke verkriechen wollen, weil alles zu viel wird. Aber was Sie auch niemals vergessen dürfen - in Ihnen wächst ein neues Leben. Sie sind dabei, einem kleinen Menschen das Leben zu schenken und glauben Sie mir, Mr. Norris, es wird nichts Schöneres geben als den Moment, in dem sie dieses kleine Wesen in den Armen halten dürfen. Jeder Frust, jedes extra Kilo und die schlimmsten Stimmungsschwankungen werden sie mit einem Mal als belanglos empfinden."
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„Ist alles in Ordnung?"
„Ja. Es sieht alles sehr gut aus."
Es fiel Lando schwer, ruhig liegen zu bleiben. Nachdem die Ärztin ihn aufgefordert hatte, sich auf die Liege zu legen, wurde er zappelig. Carlos neben ihm hatte alle Hände voll damit zu tun, damit er auf der Liege nicht hin und her rutschte.
„Mein Kollege hat mit seiner Diagnose ziemlich genau ins Schwarze getroffen. Sie dürften in der 17. oder 18. Woche sein. Ihr Kleines ist ungefähr so groß wie eine Birne. Ihr Baby ist genau 12 cm groß und wiegt stolze 130 Gramm."
„Und es ist wirklich alles so, wie es sein soll? Ist Landos Bauch nicht sehr klein?"
„Ich kann Sie beide beruhigen. In dieser Phase der Schwangerschaft wächst und reift ihr Baby gerade enorm. Ihr Kleines fängt an, etwas Fett anzusetzen, um seine Körpertemperatur zu regulieren, was zurzeit noch vom Fruchtwasser reguliert wird. In den nächsten Tagen könnte es vermehrt auftreten, dass Sie ein leichtes Flattern spüren. Ihr Kleines hat Schluckauf, was in dieser Phase der Schwangerschaft normal ist. Ihr Baby bildet langsam ein Immunsystem und die Knochen werden härter. Der Babybauch wird in den nächsten Tagen und Wochen stark zunehmen, davon können Sie ausgehen. Jede Schwangerschaft ist anders. Jeder Mensch ist anders. Es gibt zierliche, schmale Personen. Es gibt starke, gut gebaute Personen. Machen Sie sich um den Bauch keine Sorgen, der wird schneller größer als Sie meinen."
Während die Ärztin noch einige kleine Untersuchungen tätigte, übernahm Carlos es, das Gel mit einem Tuch vom Bauch seines Freundes zu wischen. Vorsichtig half er Lando wieder in eine sitzende Position und hauchte diesem glücklich lächelnd einen Kuss auf die Stirn.
„Darf ich Sie was fragen?"
„Sicherlich, Mr. Norris. Dafür bin ich da."
„Sollte ich auf etwas Bestimmtes achten? Was kommt jetzt noch auf mich zu? Welche Veränderungen?"
„Es wird nun mehr Blut durch Ihre Adern fließen, um die Versorgung des Kindes sicherzustellen. Unter Umständen kann es sein, dass Sie dadurch mehr schwitzen, da Ihr Körper Mineralien verliert. Jod, Kalzium und Eisen sind in dieser Zeit sehr wichtige Mineralien. Wobei Eisen sehr wichtig ist, da es für die Bildung von roten Blutkörperchen verantwortlich ist. Als Ihre Frauenärztin kontrolliere ich diese Werte regelmäßig. Eisenmangel kann sich ansonsten in Müdigkeit, Kopfschmerzen oder auch Appetit- und Schlaflosigkeit äußern."
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Leise summend schritt Lando über den Asphalt. In der linken Hand hatte er seine Wasserflasche, in der rechten ein leckeres Fruchteis. In seinem kleinen Rucksack auf dem Rücken hatte er noch zusätzlich eine Flasche mit Saft, eine Tüte Salzbrezel und Popcorn. Schokoriegel wollte er anfangs auch mitnehmen, hielt es aber bei der Sonne nicht für sehr ratsam. Stattdessen hatte er sich eine Frischhaltedose mit Obst in der Küche bei McLaren zusammenstellen lassen.
Es war schon fast 20 Uhr, aber noch wunderbar warm und hell. Sie waren seit gestern in Portugal, wo am Wochenende das nächste Rennen stattfinden sollte. Carlos war mit seinen Jungs schon am Morgen über die Strecke gelaufen. Auch Daniel und Paul hatten ihren Track- Walk schon hinter sich. Lando selbst hatte sich den ganzen Tag bei Andi und Zak aufgehalten, war in den Boxen oder auch kurz bei Carlos gewesen. Am Abend hatte er entschlossen, selbst einen Track-Walk zu machen. Carlos war noch bei Gesprächen mit Ferrari für das anstehende Rennen. Und da ihm allein im Hotelzimmer schon langweilig war, er aber auch an der Strecke auf Carlos warten wollte, entschied er sich für seinen gemütlichen Spaziergang.
Das leichte T-Shirt verbarg sein kleines Bäuchlein und auch die kurze Hose saß bequem mit dem Gummizug am Bauch. Bewusst hatte sich Lando für bequeme Klamotten entschieden, sich dessen bewusst, dass Carlos zur Not einen Pullover oder Jacke für ihn haben würde, sollte es doch kühler werden.
„Lando?"
Erschrocken zuckte Lando zusammen, blieb stehen und drehte sich der rufenden Stimme entgegen.
„Nicholas? Was machst du noch hier?"
„Ich wollte mir nochmal ein bisschen die Strecke für das morgige freie Training anschauen."
„Du kennst die Strecke doch? Oder warst du mit deinem Team heute nicht beim Track-Walk?"
„Doch, ich war heute Morgen los. Aber irgendwie war ich dann länger in der Box, habe noch verschiedene Analysen gelesen und prompt war es schon Abend. Und dann habe ich dich gerade entdeckt. Was machst du hier?"
„Mir war langweilig. Ich wollte nicht im Hotel warten, also habe ich Carlos geschrieben, dass ich nochmal zur Strecke komme und einen kleinen Track-Walk mache. Er ist noch bei Ferrari. Die haben wohl etwas mehr zu besprechen. Geantwortet hat er nämlich noch nicht."
„Kann ich dich etwas begleiten? Ich hätte da nämlich noch ein Anliegen."
„Klar. Wir freuen uns auf Gesellschaft."
„Wie geht es dir eigentlich? Medial ist noch immer eine Menge los. Und es erschien mir, dass selbst am Mittwoch beim Anreisen viel mehr Journalisten hier waren."
„Carlos und ich versuchen, nicht so viel in den sozialen Medien unterwegs zu sein. Und wir haben viele Menschen um uns herum, die richtig widerliche Nachrichten sofort entsorgen. Aber man kann ja nicht alles filtern. Es tut uns weh, wenn wir lesen, dass man uns die Pest wünscht, dass wir widerlich sind und dass man mit dem Baby Mitleid haben müsste."
„Mitleid? Das kleine Wesen hätte es doch niemals besser erwischen können als euch beide als Väter. Ihr beide strahlt so viel Liebe aus, dass sich jeder glücklich schätzen darf, euch kennen zu dürfen. Ich weiß, dass ihr tollen Eltern werdet. Carlos und du habt das sicher schon oft gehört, aber lass die anderen einfach reden! Die wissen es leider nicht besser."
Seufzend nickte Lando. Manchmal klappte dieser Ratschlag gut, aber es gab auch weniger gute Tage, da nahm Lando all der Hate schon sehr mit, da fühlte er sich zwei, drei Jahre zurückversetzt, als er noch sehr unsicher auf alles reagierte.
„Ich habe unserem Baby versprochen, dass es ganz viel Liebe bekommen wird. Und dass Carlos und ich es immer beschützen werden."
Nicholas nickte lächelnd, sammelte gleichzeitig Mut, um Lando das zu sagen, was ihm seit dem Outing seiner Kollegen auf dem Herzen lag. Auch wenn er sicher keine Angst vor der Reaktion des jungen Briten haben musste, war ihm etwas mulmig zumute.
„Lando?"
„Ja?"
„Ich muss mich entschuldigen."
„Entschuldigen? Wofür?"
Ratlos blickte er den Älteren von der Seite an und blieb stehen. Nicholas wirkte irgendwie verunsichert, fast etwas überfordert, gar ängstlich. Aber wieso?
„Dafür, dass Carlos und du all die Last allein auf euren Schultern tragen müsst. Es ist nicht fair, dass ihr so viel Hass abbekommen habt."
„Das war uns ja vorher schon bekannt. Damit haben wir gerechnet, dass nicht alle freudestrahlend auf uns zu rennen würden. Aber was hat das mit dir zu tun?"
„Ich bin schwul. Schon immer. Na ja, oder seit dem Moment, wo sich die Sexualität entwickelt."
Es geschahen einige Dinge gleichzeitig. Sein Kopf hatte die Information sofort verarbeitet und sein Mund öffnete sich auch, aber Worte kamen nicht heraus. Wie ein kleines Reh schaute er Nicholas an, blinzelte nach einigen Momente und wenig später konnte Lando spüren, wie sich seine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln verzogen und er den Kanadier von jetzt auf gleich fest umarmte.
Nicholas war von dieser Reaktion überrascht und brauchte einige Sekunden, um seine Arme auf den Rücken von Lando zu legen, um die Umarmung zu erwidern.
„Du bist nicht sauer? Enttäuscht? Wütend?"
„Häh? Wieso?"
Und da war er wieder, dieser unschuldige, fragende Blick, den scheinbar niemand so gut wie Lando beherrschte. Er hatte sich nur ein wenig von Nicholas weggedrückt, um diesen verwirrt anblinzeln zu können.
„Weil ich nach eurem Outing nicht direkt zu euch gekommen bin? Weil ich mich nicht auch danach geoutet habe? Es hätte euch vieles erspart. So hätte man den Druck der Öffentlichkeit auf eine weitere Schulter verteilen können."
„Spinnst du? Glaubst du echt, dass Carlos und ich das verlangen würden? Wir haben uns doch nicht geoutet, damit uns nun viele andere nacheifern. Wäre schön. Aber jeder macht diesen Schritt für sich, entscheidet selbst, wann es richtig ist. Niemals würde uns der Gedanke kommen, andere zu drängen oder zu verlangen, dass es auf mehreren Schultern aufgeteilt wird."
Erleichtert lehnte sich Nicholas an den Jüngeren, spürte richtig, wie ihm die schwere Last von den Schultern fiel. Seit Bekanntgabe des Outings fühlte er sich Carlos und Lando gegenüber wirklich schlecht. Er hatte das Gefühl, die beiden verraten zu haben.
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Während sie die Strecke weiter abgingen, erzählte Nicholas, wann er bemerkt hatte, sich mehr für Männer zu interessieren, wie er es seinen Eltern erzählt hatte und wie seine erste Beziehung mit einem Mann gewesen war. Lando fühlte sich richtig wohl. Es war schön, dass sie eine weitere Person auf ihrer Seite zu haben. Natürlich erzählte er nicht von Alex, George und Charles. Es war nicht seine Aufgabe und außerdem würde er Freunde niemals ohne deren Erlaubnis outen.
„Mein Freund war nicht wirklich begeistert, als ich ihm erzählt habe, dass ich es Carlos und dir erzählen möchte. Also dass ich schwul bin."
„Hat er Angst?"
„Ich weiß auch nicht. Immerhin seid ihr öffentlich geoutet und ihr seid meine Kollegen. Wir drei sitzen im selben Boot. Und ich fühle mich viel besser, wo du es nun weißt. Außerdem fühle ich mich jetzt an Strecken nicht mehr so allein."
„Bist du auch nicht. Carlos und ich werden immer für dich da sein, wenn du jemanden zum Reden brauchst. Dein Freund ist nicht mit an den Strecken?"
„Nein. Er ist zu Hause in England."
„Oooh. Dann siehst du ihn während er Saison aber nicht oft?"
Traurig schüttelte Nicholas den Kopf. Wenn man durch die Welt reiste und nicht geoutet war, war dies eben das Los einer geheimen schwulen Partnerschaft.
„Vielleicht traut sich dein Freund ja irgendwann, sich Carlos und mir zu offenbaren. Aber du kannst ihm auch jetzt schon versichern, dass euer Geheimnis bei uns sicher ist. Wir sagen nichts."
„Lando!"
Entschuldigend grinste er Nicholas an, bevor er sich abwendete und auf Carlos loslief, der ihm entgegengejoggt kam. Freudig sprang er dem Älteren in die Arme und schmuste sich fröhlich an dessen Brust.
"Carloooooos."
„Entschuldige, mi amor. Ich habe deine Nachricht gerade erst gelesen."
„Macht doch nichts. Ich wusste, dass du in einer wichtigen Besprechung warst. Aber ich dachte auch, es wäre besser, wenn ich dir Bescheid gebe, dass ich an der Strecke bin."
Ohne groß nachzudenken, küsste Carlos seinen Freund. Liebevoll verband er ihre Lippen und genoss es, seinen Briten wieder bei sich zu haben. Er hatte Dr. Livingston versichert, dass er versuchen würde, an seinen Ängsten und Sorgen zu arbeiten. Aber das ging nicht von heute auf morgen, weswegen Carlos schon ein ganz klein wenig nervös wurde, nachdem er die Nachricht von Lando gelesen hatten. Diesen zusammen mit Nicholas auf der Strecke vorzufinden, erleichterte ihn ungemein.
„Hast du schon zu Abend gegessen?"
„Nein, ich wollte auf dich warten. Aber ich habe mir die Speisekarten der Restaurants des Hotels schon angeschaut. Nicht gut. Habe jetzt richtig Hunger."
Lachend nahm er Lando an die Hand, drückte diese liebevoll, bevor er zu einem weiteren täglichen Ritual überging. Carlos ging etwas in die Hocke, streichelte den Babybauch und sprach ein paar kurze spanische Sätze mit ihrem Baby.
„Möchtest du mit uns essen, Nic? Dann kannst du Carlos auch erzählen, was du mir erzählst hast. Natürlich nur wenn du möchtest."
„Wenn ich euch nicht störe, würde ich gerne mitkommen."
Gemeinsam schlenderten sie die Strecke zurück, verließen das Paddock und machten sich auf den Weg zum Hotel von McLaren, wo Lando es kaum erwarten konnte, das Restaurant anzusteuern. Die ganze Fahrt über hatte sein Bauch laut geknurrt und er hatte leise versucht, mit ihrem Baby zu reden, was ihm sowohl von Carlos als auch von Nicholas liebevolle Blicke bescherte.
TBC ...
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