Kapitel 4
Jax schlug Hacken und rannte einen Slalom durch die Bäume, um ihre Verfolger abzuhängen. Doch sie kamen immer näher. Verdammt. Sie schafften es nicht rechtzeitig. Jax muss sich schleunigst etwas einfallen lassen. Dort vorne war eine Felswand, wenn er einmal um den Fels herum laufen würde und sich dann wieder zurück in einen Menschen verwandelte, konnten sie es schaffen die Felswand zu erklimmen und den andern zu Entkommen. Denn niemand, konnte sich so schnell verwandeln wie Jax. Die meisten brauchten etwa zwei Minuten, bis sie ihre wahre Gestalt angenommen hatten. Bei Jax dauerte es nur drei Sekunden.
„Halt dich fest!", schrie er dem Mädchen zu. Sie legte sich auf seinen Rücken und umklammerte seinen Hals. Schon tauchte die Felswand vor ihnen auf. In einer scharfen Kurve, die man nicht vorhersehen konnte, bog Jax scharf nach rechts ab und verwandelte sich in einen Menschen. Jetzt trug er das Mädchen Huckepack. Sie umklammerte seinen Hals. So schnell er konnte, erklomm er die Felswand. Bis sie an einem Felsvorsprung ankamen. Etwa zehn Meter hatte er unter sich zurück gelassen.
Hier oben würden sie die beiden sicher nicht finden. Jax und das Mädchen hatten ihre Verfolger abgehängt. Aber sie mussten weiter ziehen. In Topas waren sie bestimmt weit gesucht. Jax ließ das Mädchen auf dem Boden ab und nahm stattdessen ihre Hand.
„Wir müssen weiter.", sagte er mehr zu sich, um sich Mut zu machen, als zu ihr. Sie nickte. Hinter ihnen befand sich eine Höhle. Jax und das Mädchen traten hinein, denn irgendwo mussten sie hingehen und hinunter zu steigen, war keine Option. Um sie herum wurde es schwarz. Ihre Schritte hallten an den Wänden wieder. Nach einer gefühlten Ewigkeit sah Jax einen Lichtkegel. Sie. fingen an zu rennen.
Sie standen auf einem Felsvorsprung und genossen eine wunderschöne Aussicht. Das Licht färbte den Himmel Orange. Der letzte Schnee glitzerte verräterisch, als könnte er es nicht erwarten, dass es wieder Schneien würde. Da kann er lange warten. Rosa Wolken zogen sich am Himmel entlang, bis der Horizont sie verschluckte. Die Wolken waren zum greifen nah und sahen aus wie Zuckerwatte. Nur sehr wiederwillig riss Jax sich von dem Anblick los und suchte nach einem Weg, wie sie nach unten kommen könnten.
Links von ihnen befand sich eine in das Gestein eingemeißelte Treppe. Die Stufen waren von dem Schnee und dem Eis ganz rutschig und sie mussten aufpassen, dass sie nicht in die Tiefe stürzten. Jax ging vor. Das kleine Mädchen folgte. Sie hielt sich an seinen Schultern fest. Bald waren sie unten angekommen und setzen ihre Füße in den kalten Schnee. Er durchweichte ihre Schuhe. Vor ihnen erblicke Jax eine Lichtung. Umringt von einem Kreis aus Wäldern.
„Ich denke, wir werden am Rand der Lichtung unser Nachtlager aufschlagen.", sagte er an das Mädchen gewandt. „Ok, und dann können wir uns gleich besser kennenlernen. Ich weiß nämlich noch nichts über meinen heimlichen Retter.", antwortete sie Jax. „Obwohl du mir bekannt vorkommst.", meinte sie nachdenklich. Er zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß was du meinst. Irgendwoher kenne ich dich auch."
Die Nacht brach heran und sie zündeten sich ein Lagerfeuer an. Die Flammen tänzelten auf dem Holz und spendeten ihnen Wärme. Jax legte sich auf den Rücken und blickte in die Sterne. Dabei überlegte er Fieberhaft, woher ihm das Mädchen bekannt vorkam. Ihm wollte es einfach nicht einfallen. Sie legte sich neben ihn und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Dann wendet sie den Kopf und betrachtete sein Profil.
„Wie heißt du?", fragte sie ihn. „Jax Wyler.", antwortete Jax. „Du?" „Ich wusste, dass ich deinen Namen kenne. Und ich bin mir sicher, dass du meinen auch kennst. Schau mich an und überleg mal." Jax drehte den Kopf nach rechts, um sie anzuschauen. Ein Windstoß blies durch die Bäume und ließ ihre Haare in ihr schmales Gesicht wehen. Goldene Punkte funkelten in ihren grünen Augen. Jetzt viel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Na klar, dein Name ist Venus Carmody!", rief er aus. Sie lächelte zufrieden. „Geht doch. Wie alt bist du Jax?" Sie sprach seinen Namen so aus, als wäre er das wundervollste, was sie je gehört hatte. So viel Liebe lag darin.
„Ich bin 16 Jahre alt.", antwortete er ihr. „Ich bin zwölf." Jetzt hatte er auch eine Frage. „Hast du Geschwister?" „Ja, eine große Schwester. Ihr Name ist Emna. Alle sagen, wir könnten Zwillinge sein! Dabei ist sie zwei Jahre älter als ich. Hast du welche?" „Auch ich habe eine Schwester. Ihr Name ist Clariss und sie ist genauso alt wie deine Schwester." Sie holte tief Luft. „Jax?" kleine Pause. „Bitte versprich mir nicht zu schreien oder wegzulaufen, ok?" Er nickte unsicher.
Sie fuhr fort. „Es macht mir selber ein wenig Angst, aber irgendwie habe ich das Gefühl, alles über dich zu wissen. Ich gebe dir ein Beispiel. Ich weiß zum Beispiel, dass eure Mutter euch, deiner Schwester und dir, abends, wenn ihr nicht einschlafen konntet immer ein Lied vorgesungen hat. Ich weiß auch, dass eure Eltern vor mehreren Jahren ums Leben gekommen sind. Das einzige Was ich von dir nicht weiß, ist deine größte Angst. Es ist total gruselig. Aber deine Angst würde ich gerne erfahren. Würdest du sie mir verraten?"
Sie machte große Hundeaugen, die Jax bekannt vorkamen, die er aber noch nie zuvor gesehen hatte. Er nicke wieder. Dann atmete er tief ein und wieder aus. „Na schön, meine größte Angst ist es, irgendwann ohne meine Schwester leben zu müssen. Ich weiß, dass es seltsam klingt, und es sehr unrealistisch ist, dass sie früher stirbt als ich aber ich habe wirklich Angst sie zu verlieren. Nachdem meine Eltern schon nicht mehr da sind, habe ich Angst davor, irgendwann ohne sie leben zu müssen... Hast du auch irgendeine Angst?" Sie dachte nach. Lange dachte sie nach. Aber schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Ich glaube nicht."
In dem Moment vernahm Jax ein kreischen.
Dann Schreie.
Er setzte sich abrupt auf. Er zog Venus, die vor Angst zitterte an seine Brust und schütze sie mit seinen Armen. Langsam wurde das Kreischen leiser und die Schreie verstummen. Nur noch gequältes Stöhnen war zu hören. Jax musste nachsehen, was da los war. Das Gefühl, dass da etwas nicht stimmte, ließ ihn nicht los. „Du bleibst hier, Venus. Ich schaue was da los ist.", flüsterte er dem Mädchen zu. Sie hielt ihn am Arm fest.
„Du darfst nicht gehen, Jax.", flehte sie. „Ich bin gleich wieder zurück.", versicherte er ihr. „Ok.", murmelte Venus. Er löste sich vorsichtig aus ihrer Umklammerung. Dann trat er in den Wald hinein, in die Richtung, aus der die Schreie kamen.
Als er das Blut und die toten Wölfe entdecke, stockte ihm der Atem und das Blut in seinen Adern gefror. Es waren insgesamt vier Kadaver. Doch warte mal, einer zuckte noch. Bei näherer Betrachtung war es ein Schneeweißer Wolf. Seine Augen waren rot.
Alan.
Er hob den Kopf, als er Jaxs Schritte wahrnahm. „Wir sind euch gefolgt, haben euch belauscht. Wollten gerade angreifen, als von oben etwas hinabgeschossen kam. Jax, du musst mir glauben. Es war ein Dämon!", sagte Alan mit zitternder Stimme.
„Ja, ja, und ich bin eigentlich ein Vampir!", verhöhne Jax ihn. „Bei dir weiß man nie.", selbst auf dem Sterbebett hasste Alan ihn so abgrundtief. „Weißt du was? Du bist ein elender verwöhnter Vollidio...." Weiter kam Jax nicht, denn über ihnen kreischte irgendetwas. Er blickte nach oben, und ducke sich augenblicklich. Ein Ghule kam im Sturzflug auf sie zu gerast. Ein Leichenfressender Dämon! Alan schloss die Augen.
Jax schmiss sich auf den Boden. Er hielt den Atem an. Doch der Ghule schien ihn nicht zu bemerken, denn er ließ sich hinter die Bäume auf die Erde sinken und biss zu. Blut spritzte. Ein markerschütternder Schrei erklang. „Jax!", schrie Venus voller Angst und mit zitternder Stimme. Sie kam in seine Richtung gestolpert. Jax warf Alan einen finsteren Blick zu und verabschiedete sich somit von ihm. Dann rannte er Venus entgegen. Erleichtert fiel sie ihm in die Arme und brach in Tränen aus.
Jax drückte sie fest an seine Brust. In dem Moment hatte er nicht mehr vor, sie jemals wieder loszulassen. Doch irgendwann löste sie sich aus seinem Griff. „Ich habe nachgedacht.", sagte sie. „Als der Schrei ertönte, und ich dachte, der Schrei kam aus deiner Kehle wurde mir klar, dass das meine größte Angst ist." Jax schaute sie verwirrt an. „Was?"
„Meine größte Angst ist es, dich sterben zu sehen, Jax."
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