6) Aufmarsch

Alles in der nächsten Woche verlief normal. Die Unterrichtsstunden, die Glevinenbesuche, die Genervtheit ihres Vaters, die Aufmüpfigkeit von Mi-Lenn. Fani fiel sie immer mehr auf die Nerven. Dann kam auch schon der nächste Donnerstag und Fani musste zum Glück nicht in dir Schule gehen. Vormittags war eine Probe für den Aufmarsch am Nachmittag. Sie übten auf dem Sportplatz des Schulgeländes, wo sie gehen und stehen mussten, machten aus, wer von ihnen die Fahne trug und solche Dinge. Mi-Lenn und Evily waren tatsächlich dabei, außerdem Ciné und auch Tani machte mit. Außer ihnen waren noch einige Schüler aus anderen zehnten Klassen da. Fani erkannte Eranya und Mohio aus ihrer alten Klasse. Zeit zum Unterhalten hatten sie jedoch zunächst nicht. Sie mussten sich aufstellen.
"Wer trägt die Fahne? Freiwillige vor!", rief der junge Rekrut, der vom Militär zur Schule gekommen war, um allen Teilnehmern den Ablauf beizubringen. Er war noch nicht bei Einsätzen im Dienst sondern hauptsächlich für solche Schulungen zuständig und er war noch selbst in der Ausbildung, hatte er ihnen erzählt.
"Also?", fragte er und sah in die Runde. Fani zog sich eher noch weiter zurück. Doch Mi-Lenn hob die Hand. Stirnrunzelnd fragte Fani sich, was dieses Mädchen nur vorhatte, vor allem wegen der Blicke, die sie mit Evily tauschte. Die Blicke ließen deutlich schließen, dass die beiden irgendetwas planten.
"Nun los! Stellt euch auf! Die Fahnenträgerin nach vorne und der Rest in Zweierreihen dahinter!", rief der Rekrut. Fani stellte sich neben Ciné und Evily und Mi-Lenn gingen ganz nach vorne. Der Rekrut trat noch vor Mi-Lenn und sagte:"So! Ich zähle jetzt einen Takt zum Laufen vor. Ein Takt voraus und dann marsch! Ich führe!"
Der Rekrut klatschte einen Takt vor und dann marschierten alle ihm hinterher über den Platz. Immer riefen sie:"Eins! Zwei! Eins! Zwei!"
Dann stoppte der Rekrut und wandte sich um:"Heute Nachmittag werden Trommeln diesen Takt angeben und ihr zählt nicht mehr mit! Wehe ich höre dann auch nur ein einziges 'Eins! Zwei!'! Jetzt kommt der nächste Schritt. Wir teilen uns. Die Leute, die auf der linken Seite stehen, gehen nach links weg, die, die auf der rechten Seite stehen, nach rechts! Ihr steht in einer Reihe!"
Die Schlange marschierte weiter und teilte sich dort, wo Evily und Mi-Lenn vorher gewesen waren. Fani wandte sich nach links und als das letzte Paar Schüler in der Reihe stand, hielten sie an.
"Gut! Und jetzt müsst ihr einfach stehen bleiben, bis ihr abgehen müsst. Das kann eine Weile dauern. Ihr werdet sehen, wann ihr gehen müsst. Ihr geht einfach weiter in die Richtung von gerade und dann zu den Ausgängen. Seht ihr die weißen Streifen? Wir tun mal so, als wären das die Ausgänge. Also: Abtreten!"
Der Rekrut sah zu, wie alle Schüler zu den Ausgängen marschierten und sich dahinter stauten.
"So und nicht anders! Wenn ihr abgetreten seid, könnt ihr ganz normal an der Veranstaltung teilnehmen oder aber gehen. Wir üben das jetzt noch ein Mal und dann geht ihr in den Unterricht!"
Sie liefen also alles noch ein Mal ab und Fani war schon fast froh, danach der prallen Sonne zu entkommen und ins kühle Schulhaus zurückkehren zu können. Dort gongte es gerade zur Pause und die Schüler strömten auf die Gänge. Fani ging mit Ciné zusammen nach oben zu ihrem Klassenraum und Mi-Lenn und Evily folgten ihnen. Während sie durch den Gang gingen, in dem es weitgehend leer war, weil alle im Klassenzimmer blieben, hörte Fani die beiden reden:"Die werden sich wundern, wenn wir einfach nicht auftauchen!"
"Allerdings! Und dann haben sie auch keinen Fahnenträger mehr!", kicherte Mi-Lenn.
"Sie werden auf die Schnelle auch keinen Ersatz mehr finden! Die Idee war spitze!", sagte Evily grinsend. Das hatten sie also vor.
"Ist das euer Ernst? Ihr meldet euch, um dann nicht zu kommen?", fragte Fani laut und drehte sich um.
"Ja, das stiftet Chaos. Und das bei einer Regierungsveranstaltung, also noch besser", sagte Mi-Lenn, allerdings sprach sie deutlich leiser und blieb jetzt direkt vor Fani stehen. "Wenn es dir nicht passt, tja, kannst du eh nichts ändern."
Fani funkelte sie an und ging dann Ciné hinterher in das belebte Klassenzimmer

Hatte Fani gehofft, Mi-Lenn würde nur scherzen, hatte sie sich geirrt. Am Nachmittag, 10 Drin vor Beginn des Aufmarschs, war nichts von Mi-Lenn oder Evily zu sehen der Rekrut, der ebenfalls da war, wurde zusehen nervös und schließlich sagte er:"Wir müssen die Fahne wohl anderweitig vergeben. Würdest du sie nehmen?"
Er drückte die Fahne Mohio in die Hand und der Schwarzhaarige stellte sich an den Anfang der Zweierreihen.
"Wo bleiben denn diese zwei Mädchen!?", fragte der Rekrut drei Drin vor Beginn ungeduldig. Fani tausche mit Ciné Blicke. Sollten sie etwas von dem sagen, was sie gehört hatten? Fani entschied sich dagegen, doch Ciné hatte offenbar anders entschieden. Er zog sein Clovepad heraus und sah darauf, als wolle er etwas nachsehen. Dann sah er überrascht auf den Bildschirm und sagte:"Mi-Lenn hat mir geschrieben! Sie schreibt, dass sie ihre Eltern im Vorfeld nicht gefragt hat, weil sie dachte, wenn sie sicher dabei ist, können ihre Eltern nicht 'Nein' sagen und jetzt haben die Eltern ihr Hausarrest gegeben!"
Fani fand es überhaupt nicht gut, dass Ciné jetzt Ausreden für Mi-Lenn erfand, doch der Rekrut schien Ciné zu glauben und seufzte:"Nun ja, dann wissen wir zumindest, dass sie nicht mehr kommt. Und die andere?"
"Weiß ich nicht. Aber ist das nicht egal, weil wir sonst eine ungerade Zahl wären?", fragte Ciné.
"Stimmt. Nun, dann los! Es fängt gleich an! Alle bereit machen!", sagte der Rekrut. Fani richtete sich nun etwas nervös weiter auf, um auf jeden Fall eine gute Haltung zu haben. Kurz darauf hörte man jemanden vom Platz vor dem Regierungsgebäude her laut um Ruhe bitten. Der Rekrut zählte den Rythmus zum Laufen ein und los ging es. Sie marschierten durch die Straße auf den Platz zu. Alle Leute sahen zu ihnen, während sie den Platz betraten und sich aufstellten, allen voran Mohio mit der Fahne. Dazu wurde laut Blasmusik gespielt und als sie standen, verstummte die Musik. Die Familienministerin betrat das Rednerpult, das vor dem Regierungsgebäude aufgestellt war und leitete die Veranstaltung ein:"Willkommen an diesem wunderschönen Nachmittag! Evfasca möge währen!"
Die Menge antwortete mit Jubel und viele antworteten mit einem lauten:"Evfasca möge währen!"
"Wir sind heute hier, um auf die Fortschritte des letzten Jahres zu schauen, die das Familienministerium erfolgreich für Sie als Bürger errungen hat. Außerdem wollen wir voll Freude in die Zukunft blicken auf all die geplanten Dinge. Unter anderem wird auch ein Vertreter des Schulministeriums hier sprechen und die Veranstaltung beginnen. Vorher begrüßen wir aber gemeinsam die Zehntklässler der Ahan-Hochschule aus dem Stadtteil Clinniho, die heute zu Gast sind."
Applaus brandete auf und Fani wünschte sich irgendwohin weit weg von hier, während sie gleichzeitig aber auch etwas stolz war. Als der Beifall verebbt war, sagte die Ministerin:"Diese Schule wird übrigens auch eine der nächsten sein, die renoviert und mit neuer Technik ausgestattet wird. Und hiermit übergebe ich an Herrn Hars vom Schulministerium."
Fani sah aus dem Augenwinkel, wie der Rekrut ihnen ein Zeichen gab und sie marschierten ab, während die Familienministerin zurücktritt und dem Vertreter des Schulministeriums den Platz überließ. Vom Zuschauerraum aus hatte Fani endlich die Ruhe, das Regierungsgebäude genauer zu betrachten. Das schön ausgeschmückte, hell cremefarbene Gebäude hatte ein riesiges Eingangsportal mit zwei Flügeln und immer wieder Verschnörkelungen und Verzierungen an Wänden und Säulen. Es war schon ziemlich alt und es war einfach nur riesig. Über dem beeindruckenden Gebäude wehten die Fahnen mit dem Regierungslogo und überall im Umfeld konnte man dieses Zeichen erkennen, das schwarze Symbol auf orangenem Grund, das jedem Bürger Evfascas vertraut war. Ein wenig sah es nach einer Sanduhr aus, aber nicht ganz. Während der Schulministeriumsbeamte ein neues Konzept für Lehrmethoden vorstellte, überlegte Fani, was sie jetzt machen sollte. Wollte sie der Rede der Politiker lauschen oder wollte sie gehen? Nun, zuerst würde sie jedenfalls Ciné suchen gehen, dann konnten sie gemeinsam überlegen. Doch diese Suche gestaltete sich in dem Gedränge auf dem Platz nicht als einfach und nachdem die Familienministerin wieder  das Wort übernommen gatte, gab Fani auf. Sie würde einfach nach Hause gehen. Gerade wollte sie sich einen Weg aus der Menge bahnen, als ihr Clovepad sich vibrierend meldete. Sie zog es heraus und nahm ab:"Ciné?"
"Ja. Fani, wo steckst du? Ich bin bei dieser Apotheke am Rand vom Platz. Kommst du da hin?", fragte Ciné.
"Ach, da bist du! Ich hatte gerade aufgegeben und wollte gehen. Aber ja, ich komme rüber", sagte Fani. Sie beendete das Gespräch und hielt auf den Schildern Ausschau nach einer Apotheke. Sie brauchte eine Weile, um es am Beginn einer Seitenstraße zu finden, dann eilte sie los.

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