Teil 2 (Clement)
Bahrain
Schnell schnappe ich mir meinen Rucksack und bewege mich hektisch aus meinem Hotelzimmer.
Heute ist Freitag der dritte März, was bedeutet, dass unser erstes Qualifying der Saison direkt vor der Tür steht.
Es ist meine zweite Saison, da muss jetzt einiges besser laufen als in der ersten.
Mein Welpen-Schutz ist weg und ab jetzt werden einige ein Auge auf mich richten und da muss man performen, ob man will oder nicht.
Zudem habe ich mir Roman Stanek einen Rookie als Teamkollegen, weshalb ich sozusagen die Rolle des Leaders im Team übernehmen muss.
Unpünktlichkeit ist da eher kontraproduktiv, weshalb ich einen Zahn zulegen muss.
Die Trident Mitarbeiter wissen aus 2021 zwar, dass ich nicht Pünktlichkeit in Person bin, jedoch kann ich nicht auf ihre Geduld vertrauen, weshalb ich den kurzen Fußmarsch zwischen Hotel und Paddock in einem eiligen Tempo zurücklege.
Am Eingang des Formel2-und 3 Paddocks bleibe ich kurz stehen.
Marcus muss bestimmt gleich auch hier sein.
Marcus und ich treffen uns nämlich immer hier, damit wir zusammen in den Paddock gehen können.
„Hey Clem",höre ich eine bekannte Stimme hinter mir.
Lächelnd drehe ich mich um und sehe Jak Crawford auf mich zueilen.
„Jackie-Moon!",rufe ich begeistert,"Wie gehts dir? Wie war die Pause?"
Marcus hat Jak irgendwie zu uns ins Boot geholt, im Laufe der letzten Saison. Er passt aber auch perfekt in unsere Runde, finde ich zumindest.
„Super, ich war kurz drüben und sonst halt Training, Training Training....und viel Vorbereitung auf heute und wie sieht es bei dir aus?"
„Auch toll. Ich war kurz in der Schweiz bei meinem Bruder und ab dann ähneln sich unsere Aktivitäten sehr. Aber nun mal zu etwas anderem...Hast du Marcus gesehen? Oder ist er schon im Paddock,denn ich finde ihn hier nirgends."
Verwirrt schaut Jak mich an.
Was hat er denn jetzt?
Ich habe doch nichts dummes gesagt oder?
„Clem, Marcus ist in Amerika",meint Jak tadelnd und zieht mich mit sich in den Paddock.
Stimmt, da war ja was.
Innerlich schlage ich mir mit der flachen Hand an die Stirn.
Wie konnte ich das nur vergessen?
Gerade, nachdem mir Marcus mehr oder weniger charmant gesagt hat, dass Callum mich in einer seiner Folgen als Co-Co-Host ablöst.
Ein wenig getroffen hatte es mich schon, das muss ich zugeben, jedoch habe ich auch irgendwie Verständnis dafür, denn Marcus geht es nunmal auch um seine Selbstinszenierung und die ist ihm schon wichtig. Jeder, der Marcus kennt, weiß das.
„Stimmt, habe ich gar nicht dran gedacht",gebe ich und fahre mir kurz durch meine langen, braunen Haare.
„Ja, manchmal verdränge ich auch, dass einige nicht mehr hier sind. Oder auch, dass ich nicht mehr bei Prema fahre. Gestern habe ich mich beim Essen fast zu Prema statt zu Hitech gesetzt. Man muss sich halt erst an alle Veränderungen gewöhnen", erzählt Jak, was mich zugegebenermaßen zum Lachen bringt.
Jak ist schon manchmal ein wenig tollpatschig.
Verbringt zu viel Zeit mit Arthur nehme ich an.
„Dann sehen wir uns auf der Strecke"grinse ich ihn an und biege nach links ab, um zu meinem Team zu kommen.
„Hey Clem",werde ich sofort freudig begrüßt, was ich mit der gleichen Energie zurückgebe.
Da Roman nicht so ein krasses Energiebündel ist, wie ich es bin, Wird es auch jetzt erst ein wenig lauter im Zelt.
Ich brauchte dieses Gewusel, diese Lautstärke einfach.
„Hey Romi",gehe ich direkt auf meinen neuen Teamkollegen zu.
„Den Spitznamen werde ich wohl nie wieder los oder CLEM?",grinst er mich an und betont meinen Spitznamen ganz besonders.
Mit ihm als Teamkollegen wird es bestimmt lustig werden.
Diese Saison kann einfach nur spitze werden.
„Nein wirst du nicht ",lache ich und klopfe ihm einmal aufmunternd auf den Rücken, während er es mir gleich tut.
Danach gehen wir sofort zu unseren Autos, bekommen von unseren Ingenieuren die ersten Daten im die Hand gedrückt.
Was habe ich das nicht vermisst.
Ich hasse Daten und noch mehr hasse ich es, sie zu studieren.
Eine geschlagene Stunde später dürfen wir endlich heraus auf die Strecke.
Man was habe ich es vermisst.
Endlich wieder im Auto sitzen.
Dieses Gefühl von Freiheit zu spüren.
Pures Adrenalin.
Nach dem freien Training, welches für mich ganz gut gelaufen ist, fahre ich schnell zurück in die Box.
Gleich gibt es Mittagessen.
Ich muss unbedingt zu Marcus und ihn fragen, was wir essen wollen in der Hospitality.
Also werfe ich, sobald ich mein Auto in der Garage geparkt habe, Helm und Handschuhe in eine Ecke und mache mich auf den Weg zur Hitech-Box.
Zum zweiten Mal an diesem Tag werde ich zurück ins Jahre 2023 befördert.
„Was willst du denn hier Clem?",fragt Isaac Hadjar mich irritiert, als ich vor dem Zelt stehe.
„Eigentlich wollte ich..."fange ich an.
„Er wollte zu Marcus. Jedoch hat er, laut seinem Gesichtsausdruck, gerade gemerkt, dass er vergessen hat, das Marcus nicht hier, sondern in Amerika ist",beendet Jak den Satz für mich,
Nickend bestätige ich die Aussage und werde von den beiden Teamkollegen lachend betrachtet.
„Muss ich mir Sorgen machen, dass wenn ich zweiundzwanzig bin, relevante Dinge vergesse?",fängt der Ältere der beiden an zu scherzen.
„Ähm..."
Tatsächlich weiß ich gerade nicht, was ich sagen soll.
„Bringe ihn doch nicht so in Verlegenheit", setzt Jak sich für mich ein, weshalb ich ihn dankend anlächle und mich dann, natürlich nicht, ohne mich zu verabschieden, wieder auf den Weg zu Trident mache.
Wie konnte ich das bloß schon wieder vergessen?
Ist es wirklich so alltäglich geworden, immer zu Hitech zu gehen und Marcus zu sehen, dass es schon zu meinem festen Ablauf gehört.
Eigentlich kann ich es gar nicht glauben, aber wer geht nicht immer zu seinen Freunden?
Da ist es normal...
Schnell ziehe ich mich um und mache mich, das erste Mal, seit langer Zeit, alleine auf den Weg zum Essen.
Das restliche Wochenende läuft ganz gut.
Beide Rennen kann ich vor Roman beenden, was auch vorausgesetzt wurde.
Sprinterinnen war P7, von wo ich auch gestartet bin und im Hauptrennen konnte ich meine Startposition vier in einen zweiten Platz verwandeln.
Unglaublich glücklich steuere ich das Schild mit der zwei an.
Breit grinsend springe ich aus dem Auto und gratuliere Theo, welcher das Rennen überragend gewonnen hat und Ayumu, welcher Dritter geworden ist, bekommt ebenfalls eine gratulierende Umarmung.
„Herzlichen Glückwunsch Clement",werde ich von der Moderatorin, welche die Interviews macht, begrüßt.
„Dankeschön",lächle ich in die Kamera.
„Wie sah das Rennen aus deiner Perspektive aus?"
„Sehr gut. Die Undercut gegen Enzo hat super funktioniert und der Move gegen Ayumu hier war auch sauber. Alles in allem bin ich total zufrieden und kann es schon gar nicht mehr abwarten, bis es in Jeddah weiter geht", strahle ich und es Kamera.
Nachdem auch Theo sein Interview beendet hat, gehen wir zusammen in den Cool-Down-Room und dann auf das Podium.
„For the second time in his career, it's P2 for the Frenchman Clement Novalak", dröhnt es aus den Lautsprechern und ich laufe, immer noch strahlend, auf das Podium.
Das letzte mal, als ich hier stand, hatte Marcus gewonnen.
Marcus.
Wie gerne hätte ich meinen guten Freund und James jetzt hier.
Wie gern würde ich mit ihnen feiern können.
Schnell schüttle ich meinen Kopf.
Heute wird erstmal die Sau rausgelassen.
Das tue ich auch.
Zusammen mit Felipe, Logan, Oscar, Robert, aber auch Jak, Ollie, Isaac und Arthur sitze ich in der Hotelbar und gebe jedem einen aus.
„Prost",rufe ich laut in die Runde und stoße mit allen an.
Jak und Ollie dürfen noch nicht trinken, was mir aber total egal ist. Dieses tolle Wochenende muss gemütlich beendet werden.
„Schau mal, die schalten gleich um auf IndyCar",höre ich Jak zu Ollie sagen.
Sofort schellt mein Kopf zum Fernseher, welcher von denn Decke hinunter hängt.
Von unserem Platz aus hat man einen super Blick auf diesen.
„Und jetzt sind wir wieder beim Rennen in St. Pete, wo Marcus Armstrong gerade grandios seine Führung ausbaut. Wer hätte gedacht, dass sich der Rookie gleich so macht?",spricht der Kommentator gerade.
Erstaunt schaue ich genauer hin.
Marcus ist tatsächlich erster und es sieht nicht gerade schlecht für ihn aus.
Das Grundprinzip der IndyCar Serie habe ich noch nicht wirklich verstanden, denn es ist schon ein wenig unterschiedlich zu dem hier, und dennoch kann ich sehen, dass es gut aussieht für den Neuseeländer.
Lautstark fiebern alle mit, bei dem Überholmanöver, bei jedem Stop, bis...
„Und Marcus Armstrong gewinnt sein erstes Rennen in der IndyCar-Serie".
Um unseren Tisch herum brechen alle in lautes Klatschen aus.
„Das hat er echt gut gemacht",gebe ich zu und Jak nickt mir bestätigend zu.
„Finde ich auch. Wenn er die ganze Zeit so weiter fährt, dann wird es wirklich eine gute Saison für ihn.
„Nun mal halblang Leute. Es ist das erste Rennen der Saison gewesen",Holt Felipe uns wieder in die Realität zurück.
Der gute Realist.
„Ja, aber trotzdem. Es ist toll",grinse ich und zucke nach meinem Handy.
Ich würde mich doch schlecht fühlen, wenn ich ihm nicht gratulieren würde.
„Herzlichen Glückwunsch Mate,
Erster im ersten Rennen...wenn das nicht mal eine starke Leistung ist!
Wir sind alle sehr stolz auf dich!
Mach weiter so!"
Grinsend sende ich es ab, da Marcus es wohl erst nach der Siegerehrung sehen wird und wende mich wieder dem Bildschirm zu.
Mittlerweile hat die Siegerehrung angefangen und Marcus zwinkert glücklich in die Kamera.
Lächelnd stütze ich meinen Kopf auf meine linke Hand und betrachte meinen guten Freund, wie er seine Trophäe in Empfang nimmt.
Ich muss sagen, dass ich echt stolz auf Marcus bin.
Sowas zu schaffen zeigt nur sein fahrerisches Können.
Zweiter ist Christian Lundgaard geworden, was mich ebenfalls sehr freut, denn ich mag den Dänen sehr gerne.
Als Marcus jedoch seinen Arm um den Dänen legt und ihn zu sich zieht, macht sich irgendwie ein komisches Gefühl in meiner Magengegend breit.
Mit einer lustigen Grimasse schauen sie in die Kamera, doch mein Lächeln weicht.
Was ist das?
Was ist das bloß für ein Gefühl...
Eigentlich sollte ich da jetzt sein, ihm persönlich gratulieren, danach mit ihm feiern gehen und total die Sau rauslassen.
Stattdessen sitze ich im Europa und es reicht für nichts mehr, als eine einfache Textnachricht.
Seufzend stecke mein Handy in meine Hosentasche und wende den Blick ab.
Es fühlt sich irgendwie falsch an, hier zu sein und nicht bei Marcus.
In Gedanken versunken starre ich einfach nur auf meinen Drink vor mir, während alle anderen gerade mit strahlenden Mienen den anderen Interviews auf dem Bildschirm folgen.
••••
Neue Woche, neues Kapitel 🙈
Dieses Mal aus Clems Sicht, damit ihr auch schön mitbekommt, was in Europa so abgeht 😉
Ich hoffe, dass ihr einen tollen Start in die neue Woche hatte und ebenfalls viel Freude hiermit.
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