Teil 16 (Clement)


Was zur Hölle ist denn bloß nicht richtig mit mir?

Wieso zieht Marcus alle anderen mir vor?

Verzweiflung macht sich in mir breit, während ich in meinem Schlafzimmer meiner Wohnung in London sitze und meine Hände nervös miteinander verwebe.

Auf dem TV-Bildschirm läuft das IndyCar Rennen in Long Beach.

Wieso ich mir das antue?

Keine Ahnung.

Eigentlich hätte ich ja auch da sein können...

Karten hatte ich Ja.

Aber ganz ehrlich.

Lust, Marcus und Pato zusammen zu sehen habe ich nicht.

Also sitze ich jetzt hier und warte, bis das Rennen zu Ende ist.

Marcus war von ganz hinten gestartet und macht dafür einen tollen Job, das muss ich ihm lassen.

Wie eine Rakete pflügt er durchs Feld.

Nun ja, es sind auch einige Leute ausgefallen, darunter auch Christian, was Marcus natürlich in die Karten spielt.

Auf einem Stadtkurs macht es aber ja auch Sinn, zumindest ist es nicht überraschend.

Gerade richte ich die Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher, wo man sehen kann, wie Marcus gerade Pato überholen will. Dabei geht es um den zehnten Platz, also eine Top-Ten-Platzierung.

Dafür batteln die beiden sich aber extrem heftig. Pato lässt Marcus absolut keinen Platz und wenn es so weiter geht, dann sitzt einer von den beiden im der Mauer.
Gerade will Marcus erneut zum Überholen ansetzten, da macht Pato doch die Tür zu und bringt Marcus dadurch gefährlich ins Schwanken.

Auf die Aktion des Mexikaners hin fange ich laut an zu fluchen.

Sowas macht man einfach nicht.

Er ist doch so viel langsamer als Marcus.

Wieso lässt er ihn dann nicht vorbei?

So langsam werde ich schon super sauer auf den Mexikaner.

Irgendwie fühle ich mich wie ein 14-Jähriges Fangirl, was sich darüber aufregt, dass der Lieblingsfahrer unfair behandelt wird.

Aber Marcus wird hier ja auch unfair behandelt und so, wie ich ihn einschätze, wird er das nicht auf sich sitzen lassen.

Und wie ich mich kenne, behalte ich recht.

So auch hier.

Nächste Runde, gleiche Stelle.

Marcus weiß, was Pato macht und versucht dieses Mal, auf der anderen Seite vorbei zu kommen.

Es ist zwar riskanter, aber Marcus weiß, dass er das kann.

Also versucht er es.

Gespannt halte ich den Atem an.

Wenn auch nur eine Sache schief geht, dann haben wir ein ganz großes Problem.

Auf Stadtkursen einen Unfall zu haben ist noch schlimmer, als auf normalen Strecken.

Aber er schafft es.

Marcus schafft es und schickt Pato damit fast in die Wand, jedoch hat er das aber auch verdient.

Freudig balle ich meine Hand zu einer Faust.

So muss es sein.

Da hat Marcus es Pato aber gewaltig gezeigt.

Marcus..

Da ist es schon wieder...

Dieses Gefühl...

Wieder wird mir schlecht...

Aber dieses Mal will ich mich nicht übergeben müssen.

Ich schaffe das, ich schaffe...

Das nächste, was ich merke, ist ein ekeliges Gefühl in meinem Mund.

Okay, ich schaffe es doch nicht.

Ich schaffe es nicht mehr mal bis zum Bad.

Die Hälfte landet auf meinem Bett, der Rest auf dem Boden, auch im Flur, da ich auf dem Weg ins Bad gewesen bin.

Das nächste, was Ich wirklich wahrnehme, ist ein Klingeln an der Tür.

Scheiße.

Das kann ich gerade gar nicht gebrauchen.

Die Kotze bekomme ich so schnell nicht weg, es sei denn, ich ignoriere die Person vor meiner Tür.

Zuerst hört sich die Idee ganz verlockend an, jedoch scheint die Person nicht locker lassen zu wollen, denn das normale Klingeln verwandelt sich in ein Sturmklingeln. 

Na toll..

Aber wer soll das sein?

Eigentlich weiß keiner, dass ich in London bin, glaube ich zumindest.

Gefährlich wackelig stehe ich auf und wanke zur Eingangstür, von wo es immer noch unaufhörlich klingelt.

„Jaja,ich bin ja schon hier",Rolle ich mit dem Augen, als ich die Tür öffne.

Okay.

Da hätte ich auch drauf kommen können.

„Clement, was riecht es hier so abartig"

Felipe ist schneller in meiner Wohnung, als ich blinzeln kann.

Der Brasilianer schaut mich nicht einmal an, sondern schmeißt Schuhe und Jacke in irgendeine Ecke und stürmt weg.

„Pass auf, im Flur ist Kotze",rufe ich noch hinterher, als er mein Schlafzimmer eigentlich schon erreicht haben müsste.

Die Kraft hinterher zu rennen habe ich nicht.

Ich fühle mich einfach nur elend.

Vermutlich steht er gerade vor der Kotze und schüttelt seinen Kopf.

Den enttäuschten Blick kann ich bis hier nach unten spüren, doch fühle ich mich zu elend, zu eingefroren, um hinterher zu gehen.

Stattdessen lasse ich Felipe meine Kotze beseitigen.

Jetzt bin ich auch noch ein schlechter Freund für Felipe.

Fast könnte ich wieder anfangen zu kotzen.

Es ist doch alles doof.

Ich höre, wie Felipe in meinem Zimmer den TV ausmacht und dann wieder nach unten kommt.

Mit undefinierbaren Gesicht schreitet er auf mich zu.

Ich mache mich innerlich schon auf das Schlimmste bereit, doch der Ältere breitet einfach seine Arme aus und zieht mich in diese.

Genau in diesem Moment brechen bei mir auch alle Dämme.

Als würde mein Leben daran hängen, klammere ich mich an den Brasilianer und Kralle mich in sein T-Shirt.

"Alles ist okay Clem, lass es raus", streicht Felipe mir leicht über den Rücken und gibt mir damit die Sicherheit, die ich brauche, um unkontrolliert weiter weinen zu können.

Felipe würde mich niemals verurteilen, das weiß ich.

Und ich.

Ich kann nicht mehr.

Alles fühlt sich ausgelaugt und unmotiviert an.

Kraftlos und am allermeisten freudlos.

Ich kann mich nicht dran erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich wirklich happy gewesen bin.

Wo ist meine Freude hin?

Wieso bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst?

Was hat sich in der letzten Zeit so verändert, dass ich mich mit dem Zustand mit verändert habe?

Tausende Fragen schwirren mir im Kopf herum, lassen mich ganz schwammig denken.

Vielleicht kommt das aber auch vom Weinen.

Ich weiß es ehrlich gesagt Nicht genau.

Aber was weiß ich schon?

Ich habe mich selbst verloren, da habe ich andere Probleme.

„Ich bin für dich da Clem".

Beruhigende Worte des Älteren, welche mit Komfort geben und mich dazu bringen, mich ein Stück von ihm zu lösen.

So wirklich erkennen kann ich ihn nicht, denn dazu habe ich zu viel geweint.

„Ich weiß, und ich bin es auch für dich. Auch, wenn ich ein Arsch gewesen bin die letzten Wochen. Du bist mir wichtig Felipe."

Ich hoffe sehr, dass er alle Worte verstanden hat, denn ich habe nun wirklich leise geredet, konnte und wollte meine Stimmbänder nicht überanstrengen.

„Du mir auch Clem", erwidert Felipe und lächelt mich ein wenig an,"Komm, wir setzten uns jetzt erstmal hin und dann erzählst du mir, was denn los ist. Wir machen uns alle Sorgen um dich."

„Nicht alle", schnaufe ich leise, während ich langsam und vorsichtig zum Sofa bugsiert und in die Kissen gedrückt werde.

Felipe setzt sich neben mich und legt einen Arm um meine Schultern.

Vermutlich, um mir Nähe und Trost zu geben, welchen ich nur zu gerne annehme.

Er hat mir doch schon gefehlt.

„Nicht alle? Was meinst du damit Clem?"

Shit.

Aber andererseits...

Vielleicht kann Felipe mir ja helfen.

Zwar will ich ihn absolut nicht mit meinen Problemen belasten, aber das ganze Gekotze ist schon ekelhaft und ich will es unbedingt vermeiden, kann es jedoch einfach nicht.

„Du kannst mir alles erzählen Clem. Ich kann an deinen Gesichtszügen förmlich ablesen, wie du nachdenkst, ob du mir etwas erzählen sollst oder nicht",lächelt Felipe mich aufmunternd an, also fasse ich mir ein Herz.

„Ich, ich will das absolut nicht mehr! Felipe, was ist aus mir geworden? Schaue mich doch mal an. Von außen, von außen ist alles irgendwie perfekt. Ich führe in der Formel 2, habe Erfolg...alles doch toll oder? Ja, es ist toll, aber alles, was dahinter steckt ist einfach nur scheiße. Ich, ich merke doch selbst, wie ich mich verändere, verändert habe...Ich, ich fühle mich einfach unglaublich leer und unglücklich. Dazu kommt einfach so ein Gefühl, dass immer im Zusammenhang mit Marcus auftaucht, aber am stärksten ist, wenn Pato da ist. Ich, ich werde wütend. Ich fühle so eine Enttäuschung in mir. Marcus scheint so happy zu sein...Er ist erfolgreich drüben...Lebt einfach ein traumhaft tolles Leben..."

Sofort Presse ich meine Lippen zusammen.

„Und das ohne dich",spricht Felipe die nächsten Worte aus, welche ich nicht über meine Lippen bringen konnte.

Stumm nicke ich und merke, wie wieder Tränen ihren Weg auf meine Wangen finden.

„Es...es sieht alles so perfekt aus...Denkt er überhaupt noch an mich? Ich meine, er meldet sich nie, nicht mal, um mir zu gratulieren. Es fühlt sich so an, als würde ich für ihn gar nicht mehr existieren...dabei...ich...Er ist so präsent, wie immer."

„Aber Clem",drückt Felipe fest meine Schulter,"Du hast damit angefangen, schaue nicht so, ich bin realistisch, und als Reaktion darauf hat er es dir gleich getan und es einfach gelassen. Überlege doch mal; Vielleicht denkt er doch genau wie du. Du hast es gerade selber gesagt. Bei dir wirkt alles perfekt. Vielleicht ist es bei Marcus auch so, nur, dass er anders damit umgeht. Vielleicht redet er, zum Beispiel. Du musst nicht immer vom Schlimmsten ausgehen Clem. Denke doch mal positiv, so, wie du es sonst immer getan hast. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Marcus dich auch vermisst. Ihr wart seid Jahren so eng befreundet, das wirft Marcus nicht weg. So ist Marcus nicht. Du bist ihm immer sehr wichtig gewesen... wieso sollte es jetzt plötzlich nicht mehr so sein? Ja, Pato ist da, aber du machst doch was mit uns. Zu unserer Clique sind doch auch neue Leite dazu gekommen."

Kurz lasse ich mir seine Worte durch den Kopf gehen.

Ja, sonst bin ich immer die positiv denkende Person gewesen.
Ja, Marcus und ich sind uns immer wichtig gewesen.
Ja, vielleicht bin ich Schuld dran, dass wir alle keinen Kontakt mehr haben.

„Du hast ja recht",seufze ich,"Ich bin nur immer so sauer. Ich weiß, dass ich hätte an der Strecke sein können. Aber dort... ich hätte Pato vermutlich zusammen geschlagen."

„Wieso? Hat er dir je etwas getan?" legt Felipe seinen Kopf schief.

Scharf denke ich nach.

Nein, hat er nicht. Ich kenne ihn ja nicht einmal. Und trotzdem. Er hat diese Nähe zu Marcus. Eine Nähe, die ich vorher hatte und jetzt abgeben musste und eigentlich auch gerne zurückhaben will.

Aber wieso reagiere ich so schlimm?

Das habe ich hier bei Felipe und Callum zum Beispiel auch nicht...

Nun ja, da wusste ich auch, dass Marcus die alle nur als Freunde hat und nicht...

Ja was nicht Clem?

Scharf denke ich nach.

Sie waren halt immer nicht so close, wie Marcus und er es gewesen sind.

Irgendwas hatte uns beide immer verbunden.

Aber was?

Gerade will ich meine Gedanken mit Felipe teilen, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich...ich...ich glaube ich bin eifersüchtig.

Und zwar verdammt eifersüchtig auf Pato.

Der Grund?

Liebe.

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Ich wünsche euch allen einen schönen Donnerstag und hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat 🤍

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