Teil 12 (Clement)
"So Clement Novalak. Ich will jetzt Antworten", stemmt Felipe seine Hände in die Hüften und schaut mich durchdringend an.
Er hat mich auf sein Hotelbett bugsiert und mustert mich nun kritisch.
Ein wenig erinnert er mich ja an meine Mutter.
"Dann stelle mir Fragen", gebe ich im gleich Ton zurück, kann dem Blick aus den braunen Augen meines Gegenübers jedoch nicht standhalten und starre deshalb auf den Bettbezug unter mir.
„Wann das erste Mal?"
" Jeddah, als wir eine Folge für Screamingmeals gedreht haben. Eigentlich habe ich es auf den Alkohol geschoben, aber ich hatte nur drei Shots und das ist für meine Verhältnisse ja nicht so viel",meine ich nach kurzem Überlegen.
Ob es jetzt wirklich drei waren, das weiß ich nicht, aber ich kann Mich auf jeden Fall an drei Shots erinnern.
"Und weiter?",werde ich immer noch streng gemustert.
"Nach dem Rennen gestern. Ich bin zu Hitech, weil.."
Kurz halte ich inne.
Soll ich Felipe erzählen, wieso ich zu Hitech gehe?
Wird er mich nicht dann für komplett verrückt halten?
Andererseits haben wir ein sehr gutes Verhältnis ausgebaut und und eigentlich auch immer vertraut.
Also spricht ja eigentlich nichts dagegen.
Auch würde er mich nicht dafür verurteilen.
„Weil ich noch immer denke, dass..."
Die Worte wollen einfach nicht über meine Lippen, welche in genau diesem Moment anfangen zu beben.
Schnell senke ich wieder meinen Blick, will und kann Felipe einfach nicht in die Augen sehen.
„Hey, Clem, es ist doch alles gut".
Die Matratze neben mir senkt sich und ich werde in ein paar starke Arme gezogen.
„Wir vermissen Marcus doch alle. Er fehlt nicht nur dir. Du bist mit deinen Gefühlen nicht alleine Clem. Man muss sich manchmal erst an Umstellungen gewöhnen. Das dauert seine Zeit. Du bist sonst auch immer zu Hitech gelaufen. Das sitzt jetzt so drin. Irgendwann wird das aufhören und du wirst ihn auch weniger vermissen, beziehungsweise mit der Distanz klarkommen",redet Felipe auf mich ein und streicht mir über den Rücken.
Ich schüttle jedoch nur den Kopf, was die ersten Tränen dazu animiert, ihren Weg auf meine Wangen zu finden.
Ohne auf das vorher Gesagte einzugehen, fahre ich einfach fort;"Dann gestern beim IndyCar schauen wurde mir ja wieder schlecht, da warst du ja dabei. Als du weg warst dachte ich noch ein paar Mal,dass etwas kommen könnte, aber ich habe nichts gegessen, weshalb es, wenn es dann wirklich hoch kam, bloß Säure war."
„Und zum Schluss gerade, weil ich wieder mit IndyCar angefangen habe, stimmt's?",schaut Felipe mich besorgt an.
Stumm nicke ich.
Soviel ist mir auch klar.
„Clem, sei bitte ehrlich mit mir okay? Liegt es nur daran, dass Marcus weg ist, oder steckt noch etwas anderes dahinter?"
Schief schaue ich ihn an.
Was meint er damit denn jetzt?
„Ich, ich weiß es doch nicht Felipe",fange ich jetzt hemmungslos an zu weinen.
Ohne ein weiteres Wort zieht Felipe mich noch enger an sich, gibt mir Halt.
Es braucht glaube ich nicht einmal zwei Minuten, da ist das T-Shirt nass geweint.
Den Brasilianer scheint es jedoch wohl nicht zu stören, denn er hält mich einfach nur fest, wiegt mich ein wenig hin und her.
„Ich kann dir die Frage leider auch nicht beantworten Clem. Wenn ich es nur könnte...Denke einfach noch ein bisschen darüber nach. Du weißt, dass ich immer für dich da bin und du mit mir reden kannst".
„Ja...jaa, ich, ich weiß",schluchze ich leise.
„Jetzt wird aber auch erstmal was gegessen",meint Felipe zu mir.
Passend auf die Aussage hin geht auch schon die Zimmertür auf und das Essen kommt herein.
„Danke",nimmt Felipe das bestellte Essen entgegen und stellt es zwischen uns auf das Bett.
Ich mache jedoch keine Anstalten dieses anzurühren. Zu viel Angst habe ich, dass mir alles gleich wieder hochkommt.
„Du musst etwas essen Clem",redet Felipe auf mich ein, doch ich schüttle den Kopf.
„Ich kann nicht".
„Und ob du kannst. Du musst sogar. Du bist Profisportler. Du führst verdammt nochmal die WM-Wertung an."
„Ich weiß, ich weiß Felipe",seufze und verstecke mein Gesicht in meinen Händen.
„Zudem brauchst du Nährstoffe. So viel, wie du am Joggen bist, dann es nicht gesund sein, so wenig Energie wie du bekommst.",schaut Felipe mich an."Komm schon. Wenigstens ein bisschen Salat. Wenn du es selber nicht möchtest, dann wenigstens für mich."
Zitternd und durch Felipes Worte gelenkt, greife ich zu der beigelegten Gabeln und schaffe tatsächlich die Hälfte des Salates, welchen ich mir eigentlich bestellt hätte.
„Guck mal, so schwer ist es doch gar nicht gewesen",lächelt Felipe mir aufmunternd zu.
„Hört sich so einfach an, ist es aber nicht",Rolle ich mit den Augen,"Wenn ich ehrlich mit dir bin, habe ich schon Angst, dass es wieder nicht drin bleibt.
Jedes Mal, wenn ich über Marcus rede, kommt es wieder hoch. Dabei ist er doch gar nicht zum Kotzen"
Kurz muss Felipe auflachen und auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
„Da hast du Recht",grinst Felipe mich erleichtert an.
Wahrscheinlich ist er froh, dass ich meinen Humor im Gegensatz zu meinem Willen zu essen, nicht verloren habe.
„Aber Pato ist es"
Schnell halte ich mir die Hand vor dem Mund.
Das ist mir nicht gerade wirklich rausgerutscht oder?
Eigentlich schoss mir der Gedanke nur durch den Kopf, aber laut aussprechen wollen war nie meine Intention gewesen.
„Was?"
Felipes Blick ist nicht säuerlich oder so.
Er ist interessiert.
Wie passt das denn bitte zusammen?
„Wie war das Clement?"
„Ich, ich sagte, dass Pato zum Kotzen sei",kratze ich mir verlegen am Kopf.
„Und wieso ist er das?",fragt Felipe einfach weiter.
„Er, er ist Marcus einfach so nahe. Und Marcus guckt ihm in die Hose",Rolle ich meine Augen und deute damit auf das Video von James an, welches Felipe bestimmt auch schon gesehen hat,"Ist aber auch egal, ich muss sowieso bald los. Mein Flug geht bald und ich muss noch packen. Habe ich bei dem ganzen Gejogge vollkommen vergessen."
Ich will einfach nur raus aus dieser Situation. Ich habe schon viel zu viel gesagt.
„Clem, ich, ich habe vergessen, habe noch einen Termin bei Aston Martin...aber du hast mir gerade sehr geholfen...",sammelt auch Felipe vor sich hin.
Perfekt. Das kommt super gelegen,denn das Thema will ich beim besten Willen nicht vertiefen.
„Absolut kein Problem",lächle ich ihn an.
Mit dem Essen sind wir sowieso fertig also...
„Wir sehen uns aber in Baku oder?",erkundige ich mich noch, bevor ich much vom Bett aufrapple und das Zimmer verlasse.
„Auf jeden Fall",nickt Felipe mir zu und lächelt mich aufmunternd an.
Mehr oder weniger gezwungen erwidere ich dieses und verschwinde mit einem Winken auf mein Zimmer.
———————————
Felipe POV:
Ich muss sofort zu Jak. Ich weiß, dass der junge Amerikaner Clem nahe steht. Also könnte dieser auch Infos haben und nachdem, was Clem mir gerade erzählt hat, ist die Ursache für das Problem, sagen wir mal, von außen betrachtet sehr simpel.
Jak und Hitech sind auch noch hier, da bin ich mir ziemlich sicher.
Schnell schnappe ich mir Handy, Zimmerkarte und meine Sonnenbrille und eile wieder nach unten in die Lobby.
„Entschuldige",spreche ich den Mann an der Rezeption an,"Wissen sie zufällig, wo das Team Hitech GP untergebracht ist? Ich hab..ähm, geschäftliche Angelegenheiten zu klären".
„Warten sie einen Moment".
Erleichtert atme ich aus.
Ich hatte eigentlich nicht mit einer Auskunft gerechnet, aber das Glück ist heute wohl auf meiner Seite.
„Vierter Stock, Bereich links. Die Fahrer ganz vorne",lächelt er mir zu.
„Sehr großen Dank",lächle ich ihm zu und bin auch schon wieder bei den Fahrstühlen.
Jetzt nur noch das Zimmer von Jak erwischen.
Mein Gefühl rät mir zur ersten Tür, welche gleich am Rand ist.
Nervös klopfe ich an und atme aus.
Glück gehabt.
„Felipe, was gibt es denn? Du siehst ein wenig abgehetzt aus. Komme doch rein".
Lächelnd trete ich in das Hotelzimmer des Amerikaners ein.
Am besten komme ich gleich zur Sache.
„Jak, findest du nicht auch, dass Clem sich in letzter Zeit..."
„Ein wenig komisch verhält?",beendet er meine Frage,"Ja, in der Tat. Isack meinte schon zu mir, dass er Clem gesehen hat, wie er im Paddock in einen Busch Erbrochen hat und..."
„Das war ja nicht das erste Mal",bin ich nur an der Reihe, den Satz des Jüngeren zu beenden.
„Genau",nickt Jak.
„Und hast du Vermutungen, woran das liegen könnte?"
„Nicht wirklich. Es geht aber immer um Marcus, wenn es ihm so schlecht geht. Er blockt Marcus aber auch immer ab im Moment. James hat mir gerade geschrieben, ob ich wüsste, was mit Clem los sei, denn Marcus hätte ihn einfach nur gefragt, ob er mal wieder mit Podcast drehen will, aber Clem hat abgelehnt. Dabei dachte ich immer, dass Clem Marcus so krass vermisst und es ihm deswegen nicht so gut geht",kratzt Jak sich verwirrt am Kopf.
„Das dachte ich auch. Aber Jak, jetzt kommt's. Gerade haben wir zusammen gegessen und er hat fast nichts runter bekommen. Irgendwie haben wir dann rumgealbert und er meinte, Marcus sei ja gar nicht zum Kotzen, aber Pato sei es".
„Hat er nicht gesagt oder?",schaut Jak mich geschockt an,"Das ist doch voll fies."
„Ja, dass ist es auch, aber denke mal scharf nach...wieso sollte eine Person wie Clem, welche extrem weltoffen und zu jedem freundlich ist, plötzlich eine Person nicht mögen? Pato ist praktisch genauso, wie er, also sollte es doch eigentlich perfekt passen oder?",schaue ihn dir durchdringend an.
„Ja, eigentlich schon...es sei denn",werden Jaks Augen ganz groß.
„Er ist eifersüchtig",kommt es von uns beiden aus einem Mund.
„Glaubst du wirklich?",schaut Jak mich nachdenklich an.
„Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Clem weiß selber nicht genau, was das für ein Gefühl ist, welches Auslöser für das Alles ist. Das würde woe Faust aufs Auge passen. Bei all seinen Ex-Freundinnen hatte er das nie. Er meinte selber mal zu mir, dass er keiner wirklich hinterhergetrauert hat. Das war letzte Saison oder so...Vielleicht.."
„Ist er in Marcus verleibt, kann das Gefühl aber nur nicht einordnen",beendet Jak wieder meinen Satz,"Das ist schon möglich, aber können wir uns da sicher sein? Sollten wir Clem da nicht drauf ansprechen?"
„Nein, sicher kann man da nie sein, bis wir es aus Clems Mund selber hören und nein, wenn wir ihn darauf ansprechen wird er sofort abblocken. Ich habe ihm schon angesehen,wie schwer es ihm gefallen ist, überhaupt mit mir zu reden, da sollten wir ihn besser nicht überrumpeln."
„Okay, da hast du recht. Sollten wir es aber nicht vielleicht James sagen? Er macht sich Sorgen, dass weiß ich."
„Lass uns damit noch ein bisschen warten",murmle ich.
„Was willst du denn noch tun? Beweise sammeln?",schaut Jak mich durchdringend an.
„Nein, aber wir sollten auch keine Gerüchte in der Welt setzten, welche nicht stimmen. Wir sind Rennfahrer Jak. Für uns steht einiges auf dem Spiel und das sollten wir nicht so einfach wegwerfen."
„Stimmt, dass sind dann wohl die Dinge, an welche man denkt, wenn man schon älter ist",lacht Jak.
„Nennst du mich hier etwa alt?",lache ich auf.
„Ja, aber darum geht es jetzt nicht. Also beobachten wir noch ein wenig?"
„Würde ich sagen.",stimme ich zu.
„Okay, dann ist es abgemacht. Aber wir bleiben leise."
„Wir bleiben leise".
Zustimmend nicke ich.
Vielleicht sind wir ja auf der richtigen Spur.
Hoffentlich.
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Ja, hoffentlich...😉
Und da haben wir auch schon wieder Montag!
Viel gibt es hier Nicht zu sagen, weshalb ich euch eine tolle Woche wünsche und hoffe, dass ihr viel Spaß mit dem Kapitel hattet!🤍
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