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Die Nacht vor ihrem Flug verbringt Jaemin bei seinem Freund, und er kann vor lauter Aufregung nicht einschlafen. Anfangs leistet Jeno ihm noch Gesellschaft, sie spielen zusammen an seiner Konsole, aber irgendwann gewinnt Jaemin gegen ihn und pausiert daraufhin das Spiel, weigert sich, weiterzumachen.

"Du musst schlafen."

Jeno grinst müde, drückt ihm einen Kuss auf den Schmollmund. "Ist ja gut, bunny. Willst du auch?"

Jaemin schüttelt den Kopf. "Ich les."

"Okay."

Jeno schaltet Konsole und Fernseher aus, und sie kuscheln sich aneinander, Jeno an Jaemins Rücken, damit ihn das Licht nicht stört.

"Du kannst auf dem Flug schlafen", murmelt Jeno, "oder wenn wir ankommen, also mach dir keine Sorgen, wie lange du wach bleibst. Wenn du nicht schlafen kannst, mein ich. Ansonsten ist es gut, wenn du nochmal schläfst."

"Ich versuch's auch noch, aber ich bin nicht müde."

"Okay. Was liest du?"

"Immer noch das von vorhin."

"Was war das noch?"

"The Ivy Years."

"Ach ja." Jeno gähnt. "Sorry, ich bin müde. Gute Nacht, Engel."

"Gute Nacht, kkot." Es bringt Jeno zum Lächeln.

Jaemin beendet das Buch keine zwei Stunden später mit einem breiten Grinsen, und knipst die Nachttischlampe aus, kuschelt sich in Jenos Umarmung.

Er freut sich auf die nächste Woche. Die Lees sind eine richtige Familie für ihn geworden, und mit ihnen Urlaub zu machen, fühlt sich wie der nächste Schritt an. Die beiden Anwälte tun alles, damit er sich bei ihnen wohlfühlt, und Jieun ist einfach toll. Von Jeno braucht er ja gar nicht erst anzufangen.

Apropos Jeno, der hat sich seit er eingeschlafen ist nicht von Jaemins wegbewegt, nur sein Bein über dessen geschoben und sich noch dichter an ihn gekuschelt. Seine Arme sind auch immer noch da, und sie geben Jaemin Sicherheit. Sicherheit, die er braucht, um für ein paar Stunden doch noch schlafen zu können.

Sie wachen noch vor dem Wecker auf, da Jenos Vater eine volle Wasserflasche auf die Fliesen fällt und dementsprechend laut in Scherben zerbricht.

"Um Gottes willen", murmelt Jeno, nachdem sie gleichermaßen zusammengezuckt sind.

"Jetzt bin ich definitiv wach", gähnt Jaemin, reibt sich die Augen.

"Durch einen Herzinfarkt, großartig." Jeno setzt sich auf und fährt sich durch die zerzausten Haare. "Guten Morgen."

"Morgen." Jaemin folgt ihm, um ihn zu küssen, gähnt schon wieder.

"Bis wann hast du gelesen?", gluckst Jeno.

"Mh", er streckt sich halb, "zwei, glaub ich."

"Dann kannst du gleich wohl gut schlafen."

"Mal sehen." Eigentlich hat Jaemin Angst vor dem Flug – aber das will er Jeno nicht sagen, damit er sich keine Sorgen macht.

Sie machen sich fertig und helfen Jenos Eltern dabei, das Gepäck im Auto zu verstauen, sodass sie nur noch mit ihrem Handgepäck am Esstisch sitzen und eigentlich etwas essen sollen – aber Jaemin ist viel zu aufgeregt und hat Angst, auf dem Flug spucken zu müssen.

Zu ein bisschen kann Jeno ihn noch überreden, besticht ihn mehr oder weniger mit dem Kaffee, den er Jaemin macht. Dann warten sie nur noch darauf, dass Jieun sich zu ihnen gesellt, und verlassen pünktlich das Haus.

Erst im Flugzeug setzt Jaemins Nervosität wieder richtig ein, am Flughafen war er viel zu abgelenkt, und da er mit Jenos Fingern spielt, ist es für diesen mehr als sichtbar.

Jaemin sieht ihn ängstlich an, als er seine Hand loslässt, aber Jeno wühlt nur kurz in seiner Tasche herum, ehe er seine Hand wieder nimmt.

"Hier." Jeno schiebt ihm einen Kaugummi zwischen die Zähne. "Damit es nicht so unangenehm wird."

"Mir ist schlecht", flüstert Jaemin.

"Alles gut, bunny. Du hast kaum was gegessen, das liegt an der Aufregung."

"Trotzdem, ich..."

Jeno platziert einen Kuss auf seinem Handrücken. "Wir fliegen nur ein paar Stunden. Hast du schon darüber nachgedacht, was du machen möchtest, wenn wir da sind?"

"Allgemein?" Jeno nickt. "Ans Wasser gehen. Eine Postkarte an Eomma schicken. Wir müssen Fotos machen. Ganz viele Süßigkeiten kaufen, auch wenn ich die bestimmt nicht alle essen kann, aber trotzdem. Bücher holen. Oder zumindest in einen Buchladen gehen. Lesen. Können wir da auch Fahrrad fahren? Sonst spazieren gehen."

"Klingt doch gut." Jeno streicht über seine Finger. "Und schwimmen willst du auch noch?"

Jaemin nickt. "Zumindest ausprobieren. Eomma hat mir extra Geld für Badesachen gegeben. Brauch ich überhaupt irgendwas außer einer Hose?"

"Glaub ich nicht. Also, außer, du willst was über deinen Armen haben." Daran hat Jaemin noch überhaupt nicht gedacht.

Nachdenklich sieht er auf die Hoodieärmel hinab, für die es eigentlich viel zu warm ist. "Weiß ich nicht", sagt er schlussendlich.

"Kannst ja auch noch drüber nachdenken."

Jaemin nickt leicht und legt seinen Kopf auf Jenos Schulter ab. Sein Freund erzählt ihm von vergangenen Urlauben und erwähnt auch immer wieder Dinge, die sie zusammen unternehmen, und Orte, die sie zusammen sehen müssen, und Jaemin beruhigt sich dadurch, denkt nicht mehr an die Übelkeit, und so flaut sie ab.

Dann dauert es auch nicht mehr lange, bis er müde ist und den Rest des Flugs verschläft, erst wieder aufwacht, als Jeno ihn anstupst.

"Was..."

"Guck mal raus, Baby." Jaemin blinzelt noch verschlafen, lehnt sich an Jeno vorbei zum Fenster und ist wach, sobald er die Aussicht sieht.

"Wow", sagt er leise, den Blick auf das Land unter ihnen gerichtet. Der Himmel ist beinahe wolkenlos, die Sonne scheint, und es fühlt sich unreal an, von so weit oben auf die Erde zu sehen. Die grünen Felder werden zu Häusern, riesige Gebäude voller Menschen, zwischen ihnen volle Hauptstraßen und Gassen, und Jaemin ist sich sicher, dass er die Stadt hören könnte, wäre er draußen, ohne das Flugzeug.

"Nicht wahr?", schmunzelt Jeno. "Es ist jedes Mal so schön wie vorher."

Eine Weile noch sieht Jaemin hinaus, bevor er nach seinem Handy sucht und es Jeno in die Hand drückt, damit dieser Fotos macht. Als Jaemin es wieder zurückhat, geht er sie durch und muss lächeln, als ihm bewusst wird, dass das nicht der einzige Moment sein wird, den er mit Jeno erlebt und nicht vergessen wird.

"Dankeschön", flüstert er. "Dass du mit mir Erinnerungen erschaffst."

"Dafür bin ich doch da, mein Engel."

Jeno verschließt Jaemins strahlende Augen fest in seinem Herzen, und hofft gleichzeitig, dass sie nie wieder erlischen.

19.12.2020 ach du scheiße
ich bin noch nie geflogen und immer noch sad darüber weil ich eigentlich hätte fliegen sollen aber der austausch wurde wegen Corona abgesagt :(

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