37
tw: mentioning of selfharm and suicidal thoughts
Da Jaemin selbst darauf besteht, und die anderen einverstanden sind, treffen sie sich am Sonntag zu siebt bei Jeno.
Jaemin ist schon deutlich früher da, hat es allein nicht aushalten können, und Jeno nutzt die Zeit, um ihn mit allem zu versorgen, was möglich ist, denn Jaemin isst noch immer nur das Geringste zu Hause, wagt es nicht, sich um seine Verletzungen zu kümmern, und so ist Jeno froh, wenn er ihn mit Essen vollstopfen und eincremen kann.
"Unsere Maknaes sind zuerst da", verkündet Jeno, "Jisung und Chenle. Beste Freunde und ziemliche Nervensägen, wenn sie's darauf anlegen. Aber lieb und können sich auch zurückhalten", schmunzelt er.
"Ich werd mir die Namen alle nicht merken können", murmelt Jaemin.
"Das ist nicht schlimm, bunny. Vielleicht klappt es aber mit den Haarfarben." Jaemin legt fragend den Kopf schief, Jeno schmunzelt. "Letzte Woche haben sie sich alle in einer Großaktion die Haare gefärbt."
"Du nicht?"
"Ich war bei dir und außerdem will ich das meinen Haaren nicht antun", grinst Jeno.
"Oh." Dann fällt Jaemin auch ein, dass Renjun blonde Haare hat. "Das ist toll. Das will ich auch machen."
Jeno stützt sich auf der Sofalehne ab, lächelt. "Dann machen wir das nächste Mal mit."
Jaemin hat keine Zeit, eine Antwort zu finden, es klingelt, also stehen sie auf und Jeno nimmt seine Hand, drückt sie sanft, und Jaemin weiß, dass er bei ihm ist.
Kaum hat Jeno die Tür aufgemacht, schießt auch schon ein hochgewachsener Junge an ihnen vorbei, er begrüßt sie, entschuldigt sich hastig, verschwindet im Bad.
"Yah, wo ist der Delfin? Und was zum Teufel ist in dich gefahren?"
"Seine Mutter wollte noch was von ihm, und ich hab Karamell an den Fingern!" Ein leises Jammern folgt.
"Jeno-hyung!", quietscht auf einmal jemand von draußen, im nächsten Moment ist schon der Nächste durch die Tür gehüpft. Für einen Bruchteil der Sekunde berührt seine Hand Jaemins, nur weil der Jüngere an ihm vorbeitritt, und doch reicht es, dass er wieder in der Grundschule ist und er und sein damaliger bester Freund über den Schulhof rennen.
Nur dass es diesmal nicht seine Erinnerung ist, sondern die des Schwarzhaarigen vor ihm.
"Lele", flüstert Jaemin. Er erstarrt, dreht sich zu ihm um, starrt ihn mit großen Augen an.
"Du bist also doch der Jaemin? Minnie?" Jaemin nickt, gefüllt von Angst, denn er weiß nicht, an was er sich erinnert.
Stille.
In der Jeno es versteht.
"Du bist sein Kindheitsfreund." Chenle nickt nur, den Blick immer noch auf Jaemin gerichtet, als könnte er nicht glauben, ihn hier vor sich stehen zu haben. Hinter ihm kommt Jisung aus dem Badezimmer, sichtlich verwirrt davon, dass Jaemin und sein bester Freund sich anstarren und Jeno zwischen ihnen hin- und hersieht.
"Kannst... du das immer noch? Mit... den... Leben und... alles?" Jaemin nickt langsam.
"Kann mich jemand aufklären?" Jisung sieht Jeno fast schon verzweifelt an, der Einzige, der noch vollständig anwesend ist.
"Die beiden waren zusammen auf einer Grundschule", sagt der nur, aber es reicht Jisung, um es zu verstehen.
"Wann kommen die anderen?"
"Bald." Jeno zieht sanft an Jaemins Hand und er löst sich aus seiner Starre, Chenle folgt, und sie setzen sich in Stille ins Wohnzimmer.
Plötzlich krabbelt Chenle aber vor Jaemin auf den Fußboden und lächelt schüchtern zu ihm hoch.
"Erzähl mir von deinen letzten zehn Jahren, Minnie."
"Da ist nicht viel passiert", weicht Jaemin aus, "ich hab nur gelesen."
"Hattest du keine Freunde?"
Jaemin schüttelt den Kopf. "Jeno ist der erste nach dir", gibt er leise zu.
"Oh." Erst sieht Chenle noch deprimiert aus, doch sein Gesicht hellt sich auf. "Jetzt hast du sechs!"
"Wenn ihr mich überhaupt mögt", flüstert Jaemin.
"Natürlich mögen wir dich!", empören sich beide Maknaes gleichzeitig, "und die anderen werden dich auch mögen!", ergänzt der Schwarzhaarige.
Ein Klingeln unterbricht sie, und er rennt zur Tür, Jisung folgt ihm.
"Es ist wohl was passiert", lächelt Jeno, steht auf und Jaemin tut es ihm gleich, "du arbeitest jetzt in einem Buchladen."
"Und ich hab mir meinen Körper aufgeschnitten und werde von meinen Eltern wie Dreck behandelt und wurde vorgestern zusammengeschlagen", murmelt Jaemin. Jeno bleibt stehen, zieht ihn an sich und legt seine Arme um ihn. Auf einmal will Jaemin einfach nur drauflosheulen, und Jeno nie wieder loslassen, und ihm seine Erinnerungen geben, nur, damit er ihn verstehen kann, seinen Schmerz, sein Leiden, die Qualen, denen er ausgesetzt war – und ist.
"Ich weiß einen!", ruft plötzlich jemand, Jaemin zuckt zusammen, "Nana! Schaut mich nicht so dumm an, er heißt doch Na Jaemin! Nana!"
Davon bricht er dann doch in Tränen aus.
Ein Spitzname. Von einem Menschen, der ihn noch nicht einmal gesehen hat, und ihn trotzdem für so wertvoll hält, ihm einen zu geben.
"Toll, Hyuck, du hast ihn zum Heulen gebracht", murrt eine Jaemin bekannte Stimme, es muss also Renjun sein.
"Setzt euch schonmal ins Wohnzimmer", hört er Jeno sagen, "wir kommen nach." Mehrere Schritte wandern an ihnen vorbei, und Jeno schiebt ihn sanft in Richtung Küche, weg von den Stimmen, lässt ihn los und nimmt seinen Kopf in seine Hände.
"Ist das nur wegen 'Nana'? Oder ist da noch etwas anderes?" Er sieht so ehrlich besorgt aus, dass Jaemin noch mehr weint.
"Ich hab das nicht verdient", schluchzt er, "dich nicht und auch die fünf nicht. Mein Leben ist vorbestimmt mit Leid und Schmerz und Einsamkeit und–"
"Bunny. Bunny." Jenos Stimme ist das Einzige, das ihn noch aufrecht hält. "Es ist egal, ob du uns verdienst oder nicht. Du hast uns jetzt am Hals. Und wir werden bleiben. Selbst wenn du leidest, selbst wenn du Schmerzen hast, allein wirst du es nicht ertragen müssen. Irgendjemand wird immer da sein, und dich auffangen können. Das ist jetzt so, und das kannst du nicht mehr ändern."
"Ich wollte sterben, Jeno, ich kann mich nicht mehr an die Zeit erinnern, in der ich es nicht wollte, und jetzt bist du aufgetaucht, und deine Freunde auch noch, und ich hab wieder einen Grund, um zu leben, um es wirklich zu wollen."
"Dann tu das, bunny. Leb. Mit uns. Für dich."
22.07.2020
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top