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Kranich.

Das Wort, auf das sie sich geeinigt haben, das Wort, das noch in der gleichen Nacht tausendfach auf Jenos Handybildschirm erscheint, bis er endlich von dem Dauerklingeln wach wird. Sobald er wach genug ist, ruft er Jaemin an.

"Was ist los, bunny?"

"Hab ich dich geweckt? Ich wollte dich nicht wecken."

"Jetzt bin ich wach. Also, was ist es?"

Jaemin sucht nach Worten, während Jeno sich aufsetzt, um nicht auf einmal einzuschlafen.

"Kannst du mir Verliebtsein beschreiben?"

"Weißt du das denn nicht selbst? Immerhin bin ich dein Freund."

"Doch, schon, nur... Meine Mutter hat gesagt, dass sie nicht glaubt, dass wir wirklich ineinander verliebt sind, und ich will aufhören, daran zu zweifeln", gibt Jaemin leise zu. "Ich, ich hab sonst nämlich das Gefühl, dass ich dich sonst verletze oder du mich anlügst..."

"Hmm. Ich find das nicht so leicht zu erklären, aber ich kann's versuchen. Es ist für mich ein Gefühl, das ich nicht in Worte fassen kann. Wenn du verliebt bist, siehst du in jemandem nur Gutes. Und auch wenn da etwas Schlechtes ist, versuchst du nicht, es zu ändern, nur weil es dir nicht in das Bild deines idealen Partners passt. Du arbeitest mit ihm zusammen an Schwierigkeiten an ihm selbst, an dir selbst, an euch. Du freust dich schon über Kleinigkeiten echt doll, eine Nachricht zum Beispiel. Du kannst deinen Herzschlag nicht unter Kontrolle halten. Du willst alles mit ihm teilen. Du kannst bei ihm so sein, wie du bist. Du fühlst dich bei ihm wohl. Du schätzt ihn so wert wie er ist. Du respektierst ihn und kannst mit ihm über Dinge reden, die dich beschäftigen oder stören. Das ist irgendwie mehr, als ich dachte", murmelt Jeno.

"Dann bin ich aber ganz schön in dich verliebt", flüstert Jaemin.

Jeno schmunzelt. "Ja, ich auch in dich. Hilft dir das beim Schlafen, bunny?"

"Ja", wispert er, "gute Nacht."

"Gute Nacht, mein Engel. Soll ich morgen vorbeikommen?"

"Bitte."

"Ist gut. Schlaf gut und ich liebe dich."

"Du auch. Ich liebe dich auch."

Beide haben ein Lächeln auf den Lippen, während sie einschlafen.

Jaemins Eltern scheinen sich langsam an Jeno zu gewöhnen, er fühlt sich nicht mehr wie in dem Nest einer Schlange, wenn sie ihm die Tür öffnen, auch wenn sie noch immer nicht mehr mit ihm reden als nötig. Und auch Jaemin hat sich daran gewöhnt, jemandem in seinem Zimmer zu haben, besser gesagt, Jeno in seinem Zimmer zu haben, denn andere ließe er immer noch nicht hinein. Und Jeno macht es Stück für Stück wieder zu seinem Zuhause.

"Hey, bunny." Jaemin gähnt nur und zieht ihn durch seine Zimmertür, schließt hinter ihm ab. "Das machst du immer, oder?"

"Mhm."

Jeno legt den Kopf lächelnd schief. "Lange Nacht gehabt?"

Jaemin nickt, umarmt ihn. "Hab's durch."

"Dein Buch?" Jeno streicht über Jaemins Rücken und fördert seine Müdigkeit dadurch noch.

"Mhm."

"Bis wann hast du denn gelesen?", schmunzelt Jeno.

"Vier? War um acht wach."

"Dann schläfst du heute Abend wohl gut."

Apropos. Jaemin schiebt sich von Jeno weg und will ihn eigentlich ansehen, aber sein Blick senkt sich dann doch auf seine Füße.

"Na, was ist, bunny?" Jeno nimmt seine Hände, streicht über seine Finger.

"Meine Eltern sind heute Abend weg", sagt er leise, "und kommen erst heute Nacht oder morgen Vormittag wieder. Und, und... ich... Ich hab einfach Angst", platzt es aus ihm heraus, "was sie machen, wenn sie unter Alkoholeinfluss stehen."

"Soll ich bei dir schlafen?"

"Nein, also, das ist das nächste Problem... Ich weiß nicht, ob ich mich damit wohl fühle", flüstert Jaemin.

"Okay. Willst du zu mir?" Er schluckt und nickt. "Dann sag ich Eomma Bescheid."

"Tut mir leid", flüstert Jaemin.

"Hey, das ist okay, bunny." Jeno hebt vorsichtig seinen Kopf an und lächelt sanft. "Wenn du dich nicht wohl fühlst, dann musst du das auch nicht machen."

Jaemin muss ihn wieder umarmen.

"Wann willst du los?", fragt Jeno.

"Später."

"Okay."

Wirklich viel machen sie nicht, bis Jaemin seine Sachen packt und sie losgehen, diesmal mit nur einer Tasche, es sind nur zwei Bücher.

Im Bus setzen sie sich ganz nach hinten, und Jaemin könnte einschlafen, so müde ist er.

"Wir gehen nachher wohl früh ins Bett", schmunzelt Jeno. Jaemin murmelt nur etwas von "aber du bist doch nicht müde" und kuschelt sich an seine Schulter.

"Bunny, du sollst nicht jetzt schlafen." Jeno schiebt ihn sanft ins Aufrechte. "Sonst kannst du nachher nicht schlafen."

"Aber ich bin müde", jammert Jaemin.

"Wenn man so lange liest, ist das kein Wunder. Aber wenn du jetzt nachgibst, kommt dein Schlafrhythmus ganz durcheinander." Jaemin schmollt, hält aber seine Augen offen, auch wenn es ihm schwer fällt. So ist es gut, dass sie bald ankommen und durch die schwüle Wärme zu Jeno laufen müssen, sonst wäre er wohl doch noch eingeschlafen.

"Glaubst du, es gewittert nachher noch?", fragt Jaemin, kurz bevor sie die Haustür erreicht haben.

"Regen haben sie auf jeden Fall angesagt." Jeno klingelt, seine Schwester lässt sie hinein. "Und wenn, dann müssen wir wohl raus", schmunzelt er, als sie wieder weg ist.

"Au ja", murmelt Jaemin, stolpert hinter Jeno die Treppe hoch. In dessen Zimmer setzt er sich aufs Bett und will sofort zur Seite kippen und auf der traumhaft weichen Matratze einschlafen.

"Bunny, was hältst du davon, wenn wir mal schwimmen gehen?"

Jaemin erstarrt. "Schwimmen?"

"Am Meer. Du und ich. Einfach ins Wasser." Jeno setzt sich neben ihn, mustert sein müdes Gesicht.

"Kann ich darüber nachdenken?"

"So lange du brauchst." Jeno lächelt und wuschelt durch seine Haare. "Wie sieht's aus, gehen wir morgen in den Bücherladen?"

Jaemin nickt. "Aber du musst die ganze Zeit bei mir sein", ergänzt er leise.

"Na klar."

Für eine Weile sehen sie sich einfach nur an, dann lehnt Jaemin sich nach vorne und küsst Jeno.

"Darauf hab ich gewartet", sagt der leise, nimmt Jaemins Kopf in seine Hände und küsst ihn erneut.

Da ist ein komisches Gefühl in Jaemin, das ihm sagt, dass es mehr will.

21.07.2020

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