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Jaemin ist so erschöpft, dass er nur wenige Stunden nach dem Abendessen schon mit geschlossenen Augen in Jenos Armen sitzt und seine Antworten nicht mehr als Genuschel sind.
"Möchtest du schlafen, bunny?", fragt Jeno ihn also, doch Jaemin schüttelt den Kopf.
"Dann bist du weg."
"Bin ich nicht."
"Doch. In meinem Traum bist du nicht."
"Aber ich bin hier, wenn du einschläfst, und wenn du aufwachst, und vielleicht träumst du ja doch von mir."
Jaemin öffnet die Augen, sieht zu ihm auf. "Wirklich?"
"Wer weiß." Jeno lächelt und streicht über seinen Rücken, Jaemin schließt seine Augen wieder und kuschelt sich an ihn.
"Will aber nicht aufstehen", murmelt er.
"Ich bin gleich genauso gemütlich wie jetzt. Du musst nur deine Zähne putzen, Engel, dann kannst du wieder zu mir kommen."
"Und was machst du?"
"Wann?"
"Wenn ich wieder da bin. Ich schlaf doch, was machst du dann?"
"Weiß ich nicht. Vielleicht les ich mal wieder."
"Musst du nicht auch Zähne putzen?", fällt Jaemin auf einmal auf, er sieht zu Jeno hoch.
"Das mach ich, wenn du schläfst."
"Aber du sollst nicht gehen."
Jenos Blick wird weich, er drückt Jaemin einen sanften Kuss auf die Lippen. "Dann muss ich mit dir mitkommen."
"Abgemacht." Jaemin steht auf und nimmt Jenos Hand und fällt wieder auf die Matratze, da sein Kreislauf nicht mitmacht.
"Pass auf, bunny." Jeno rückt an die Bettkante, direkt hinter ihn, sie stehen gleichzeitig auf und er stützt Jaemin etwas, als er wieder schwankt.
"Das liegt an dir", murmelt er, "du bringst mich ganz durcheinander."
Lächelnd nimmt Jeno seine Hand und sie gehen ins Badezimmer.
Zurück in Jenos Zimmer legen sie sich hin, Jeno etwas aufrechter, sodass Jaemins Kopf auf seiner Brust ruht und er seinen Herzschlag spüren kann.
"Möchtest du morgen duschen?"
"Kann ich darüber morgen nachdenken? Ich bin müde."
Jeno schmunzelt. "Natürlich, Engel. Schlaf gut. Ich bin noch eine Weile wach, falls etwas ist."
"Danke."
Und dann ist Jaemin weg.
Jeno sucht sein Zimmer nach dem Buch ab, das er zuletzt gelesen hat, findet es irgendwo in einem Regal und begnügt sich also mit seinem Handy, denn nichts in der Welt könnte ihn jetzt dazu bewegen, aufzustehen. Er lässt seine linke Hand immer wieder durch Jaemins Haare streichen, erwischt sich ab und zu dabei, wie er den Jüngeren anstarrt, sich in Gedanken verliert, wie es ihm besser gehen könnte. Irgendwann unterbricht ihn ein Klopfen, seine Mutter steckt den Kopf durch die Tür und mustert die beiden, ein Lächeln legt sich auf ihre Lippen, ganz leicht.
"Ich wollte nur nach euch sehen", sagt sie, "wie geht es ihm?"
Jeno sieht wie sie auf Jaemins friedlichen Gesichtsausdruck, obwohl sie mehr von seinem Hinterkopf sehen sollte. "Es geht. Da ist so einiges, das ihn gerade fertigmacht. Seine Mutter hat vorhin auch geschrieben", fällt ihm dann ein, "ist es okay, wenn er bis Ende der Woche bleibt?"
"Das sind ja nur noch zwei Tage. Na klar."
"Und wäre es auch okay, wenn sich das verlängert?", hängt Jeno noch leise hinterher.
Seine Mutter seufzt. "Seine Eltern wollen ihn auch zurück, Jeno."
"Weiß ich doch. Aber er will nicht zurück. Ich weiß, dass er irgendwann zurück muss, und er weiß das auch, aber es geht ihm echt nicht gut nach dem, was seine Eltern gesagt haben." Jaemin wird unruhig, und auch Jenos Mutter scheint es zu bemerken.
"Wir besprechen das morgen, wenn er auch dabei ist, okay? Schlaf gut."
"Gute Nacht", murmelt Jeno, sie zieht die Tür ins Schloss. Er wartet, ob Jaemin aufwacht, aber als sich Jenos Hand wieder in seinen Haaren anfindet, wird er etwas ruhiger.
"Tut mir leid, dass ich dich nicht vor dir selbst schützen kann", flüstert Jeno, schaltet sein Handy aus und legt beide Arme um Jaemin.
Während seine Gedanken so um den Jüngeren kreisen, schläft er ebenfalls ein.
All zu lang dauert es nicht, bis er wieder aufwacht, Jaemins Schluchzen weckt ihn. Sofort ist er hellwach, stößt den Jüngeren leicht an, stellt aber schnell fest, dass er noch schläft, auch seinem unzusammenhängendem Kauderwelsch nach zu urteilen, also weckt Jeno ihn auf.
Jaemin reißt die Augen auf, und bevor Jeno auch nur den Mund aufmachen kann, hat er sich schon an ihn geklammert und sein Gesicht an Jenos Schulter versteckt.
"Was ist los, bunny?", Jenos Stimme beruhigt ihn sofort, "hast du schlecht geträumt?" Er nickt, und Jeno wartet, bis er sich beruhigt hat, streicht sanft über seinen Rücken.
"Meine Eltern haben mich auf eine andere Schule geschickt und mir mein Handy weggenommen und die Briefe, die du mir geschickt hast, weggeworfen, egal wie gut ich sie versteckt hab." Jaemin wischt sich über die Wangen, schlingt seine Arme um den Hasen. "Nono haben sie auch weggeworfen, mich jeden Tag überwacht und niemals allein gelassen, aber vor allem– vor allem ist es wieder schlimmer geworden und ich konnte wieder niemanden ansehen und bin wieder zum Außenseiter geworden und–" Zittrig holt er Luft, schließt die Augen. "Es war ihnen egal, dass ich jeden Tag mit blauen Flecken nach Hause gekommen bin."
"Das lasse ich nicht zu, bunny. Ich suche die ganze Stadt nach dir ab, wenn sie uns trennen, das ganze Land, das ganze Universum, wenn's sein muss. Ich werde bei dir bleiben, und das schwöre ich dir. Egal, wie sehr sie versuchen, es zu verhindern. Ich werde deine Fähigkeit mindern, koste es, was es wolle."
"Danke", flüstert Jaemin, "danke."
Jeno streicht durch seine Haare, drückt ihm einen Kuss auf die Stirn, und Jaemin wird ruhiger, der Sturm in seinen Gedanken beruhigt sich wieder.
"Eomma will morgen mit uns reden", sagt Jeno leise, "wegen deiner Eltern und allem."
"Muss sie nicht arbeiten?"
"Freitags hat sie frei. Das rotiert in der Kanzlei einmal, jeder an einem anderen Wochentag. Deshalb ist sie morgen da."
"Ach so. Okay."
"Was meinst du", fragt Jeno leise, "soll sie wissen, dass wir zusammen sind?"
"Weiß nicht", murmelt Jaemin, "du kennst sie. Ich nicht."
"Für dich wär's okay?"
"Mhm."
Jeno schmunzelt. "Möchtest du weiterschlafen, bunny?" Jaemin nickt. "Dann schlaf gut. Ich bin hier und ich bleibe."
Viel Zeit vergeht nicht, bis sie beide wieder schlafen.
18.07.2020
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