[20]

Jisung PoV

Mit Minho gemeinsam stand ich nun vor meiner Haustür und versuchte mich zu beruhigen. Minho hielt meine Hand und hatte seine Finger mit meinen verschränkt.

"Du schaffst das, Jisung. Ich glaube an dich.", sprach er mir zu und ich hoffte so sehr, dass er Recht behalten würde.

Ich atmete einmal tief durch und schloss dann die Tür auf.

"Hallo?", fragte ich in die Stille und sah kurze Zeit später meine Mutter aus der Küche kommen, weshalb ich Minho's Hand drückte. Ich hatte Angst vor dem, was sie sagen würde, und Angst davor, dass sie damit die Stimme in meinem Kopf wieder hervorholen würde. Dafür brauchte sie nur ein falsches Wort.

"Sieh mal an, wer sich hier wieder blicken lässt.", sagte sie vorwurfsvoll.

"Musste ich ja wohl..."

"Und du bist dieser Minho, der ihm den ganzen Unsinn eingeredet hat?", fragte sie an Minho gerichtet. Meine Angst wurde zu Wut. Sie hatte nicht eine Sekunde lang darüber nachgedacht, was ich ihr gesagt hatte, sondern einfach die Schuld in Minho's Schuhe geschoben. Um sie ein wenig zu provozieren, auch wenn das vielleicht nicht die beste Lösung war, drehte ich mich zu Minho und küsste ihn, bevor ich anfing zu reden.

"Minho hat mir rein gar nichts eingeredet. Ich wollte dir das schon unglaublich lange sagen und als das mit Changbin passiert ist, habe ich es endlich getan. Du bist selbst daran Schuld, dass ich so denke. Und nicht nur ich denke so. Sieh dir doch mal Jihoon an. Ihm geht es nicht viel anders als mir. Das erkennt man auf zehn Meter Entfernung. Aber du siehst nicht einmal mehr, wie deine eigenen Kinder vor deinen Augen zerbrechen, weil du mit deiner Aufmerksamkeit überall sonst bist. Weißt du warum ich es geliebt habe, wenn du uns hier alleine gelassen hast? Weil du mich dann nicht noch weiter zerstören konntest. Und Minho kann für all das am wenigsten. Er rettet nur, was du schon lange kaputt gemacht hast und dafür liebe ich ihn! Komm mit, Babe."

Ohne ein weiteres Wort zog ich Minho die Treppen hoch und in mein Zimmer, wo ich Minho hungrig meine Lippen aufdrückte. Irgendwie musste ich mich gerade beruhigen und neben einem Mord war das hier nunmal die beste Möglichkeit.

"Jisung, was-?"

"Frag nicht. Mach einfach mit.", unterbrach ich ihn und küsste ihn wieder und dieses Mal erwiderte Minho genauso, was dazu führte, dass ich kurze Zeit später in einen hitzigen Zungenkuss verwickelt worden war.

"Lass uns meine Sachen packen und dann verschwinden.", sagte ich entschlossen.

"Verschwinden?"

"Na, zu dir. Ich halte es in diesem Haus keinen Tag mehr aus und erst recht keine 365."

"Okay. Was brauchst du alles?"

"Wäsche und meine Schulsachen. Du packst meine Schulsachen und ich schnappe mir meine Klamotten.", sagte ich und begann alles an Klamotten einzupacken, was irgendwie hilfreich aussah und Minho packte meine Schulsachen.

"Hast du alles?", fragte Minho dann, als er fertig war und sah mich an.

"Das Wichtigste fehlt noch. Ohne das gehe ich nirgendwo mehr hin.", antwortete ich, verschränkte wieder unsere Hände miteinander und gab ihm einen kurzen Kuss.

"Das können wir eindeutig besser.", meinte Minho und schneller, als ich schauen konnte, fand ich mich in einem heißen Kuss wieder. Dieses Mal war ich derjenige, der den Kuss in einen Zungenkuss verwandelte.

Minho zog mich an der Taille näher zu ihm und ich vergrub meine Hände in seinen Haaren. Es fühlte sich alles so verdammt richtig an, wenn ich bei ihm war. Deshalb wollte ich auch bei ihm bleiben. Für immer.

"Lass uns gehen.", sagte ich und legte meine Hände an seine Wangen, sodass sie sein schönes Gesicht einrahmten.

"Ja, das halte ich auch für besser.", stimmte er zu und wir nahmen die Hände voneinander weg, nur um sie dann kurze Zeit später wieder miteinander zu verschränken. Dann gingen wir, mit meinen wichtigsten Sachen bepackt, wieder in den Flur, wo meine Mutter noch stand und auf uns wartete.

"Was denkst du, was du da machst, Han Jisung?!"

"Wonach sieht es denn aus? Ich verlasse dieses Haus und gehe zu der Person, die sich für mich interessiert. Aber mach dir keine Sorgen. Das ist bestimmt nur eine rebellische Phase und in ein paar Tagen bin ich wieder zu Hause und du kannst dich mit Jaehyun darüber lustig machen, wie dumm es doch von mir war, dass ich weggelaufen bin.", sagte ich frech.

"Ji, bitte treib es nicht zu weit...", meinte Minho leise. "Lass uns einfach gehen."

"Du bist so undankbar! Ich hab dich 18 Jahre lang erzogen und gearbeitet, damit ihr alle jeden Tag etwas zu Essen hattet und du dankst mir, indem du abhaust!"

Undankbar. Ein schlechter Sohn. Dein Vater wäre enttäuscht. Du bist eine einzige Enttäuschung.

"Und trotzdem hat es dich nicht interessiert, wie es mir geht! Etwas zu Essen auf dem Tisch ist schön und gut, aber 'Wie geht es dir?' oder ein 'Brauchst du Hilfe' zum richtigen Zeitpunkt wäre wohl nicht zu viel verlangt! Du hast mich acht Jahre lang mit Menschen zusammen zur Schule und in den Kindergarten gehen lassen, obwohl du genau wusstest, was sie mir angetan haben! Wäre es wirklich so schlimm gewesen, mich die Klasse wechseln zu lassen?! Stattdessen hast du dich nur aufgeregt, dass mein Lehrer nichts gegen das offensichtliche Mobbing gemacht hat! Ich wusste nichtmal, dass ich gemobbt wurde, weil ich damit groß geworden bin! Ich dachte mehr als die Hälfte meines Lebens, dass das ein ganz normales Verhalten ist, weil du genauso wenig dagegen gemacht hast! Und dann sag, nochmal Minho hätte mich verdreht. Mein ganzes Leben lang geht das schon so! Und jetzt lasse ich das alles endlich hinter mir!"

"Dann geh doch! Und lass dich hier nie wieder blicken!", rief sie mit Tränen in den Augen.

"Gerne!"

Ich ließ geräuschvoll meinen Schlüssel fallen und ging mit schnellen Schritten aus dem Haus, wobei ich Minho mitzog. Irgendwie zerrte ich ihn heute ziemlich viel durch die Gegend...

Kaum waren wir ein gutes Stück von meinem Haus entfernt, brach ich in Tränen aus. All der Schmerz, den ich über die Jahre versteckt hatte, brach auf einmal aus mir heraus und es hatte sich noch nie so gut angefühlt zu weinen.

"Es ist alles vorbei, Minho.", schluchzte ich und ein breites Lächeln trat auf mein Gesicht, ehe ich ihm um den Hals fiel. "Ich muss nicht mehr leiden. All die Jahre, die ich alleine in meinem Zimmer gelitten habe, sind endlich vorbei. Ohne dich hätte ich das nie geschafft."

"Ich bin unglaublich stolz auf dich.", meinte er und schloss mich ebenfalls in seine Arme. "Ich hätte so etwas nie gekonnt."

"Danke, dass du dabei warst. Sonst hätte ich es nicht geschafft."

"Ist doch selbstverständlich, mein Kleiner."

"Ich liebe dich."

"Ich liebe dich auch."

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