[19]

Jisung PoV

Leute. Überall wo ich hinsah waren Leute. Und davon viel zu viele.

Vor mir.
Hinter mir.
Neben mir.
Überall.

Ich musste hier raus. In leichter Panik versuchte ich zur Wohnzimmertür zu kommen, durch die Minho eben verschwunden war, um Getränke zu holen, und das möglichst ohne jemanden zu berühren oder ihm zu nahe zu kommen. Dafür müsste ich nur die kleinen Grüppchen umgehen, die sich nach einer Weile gebildet hatten. Dem Typen, mit dem Minho und ich unsere Zeit verbringen mussten, hatte ich gesagt, dass ich auf die Toilette gehen würde. So hatte ich zumindest ein paar Minuten, bevor ich wieder zurück musste.

Ich sperrte mich im Badezimmer ein. Das Gefühl einen Riegel vor die Tür zu anderen Menschen schieben zu können, gab mir Sicherheit und beruhigte mich. Deshalb hatte ich mich früher häufiger ins Bad eingesperrt und einfach nur auf den Badewannenrand gesetzt. Eine seltsame Angewohnheit, die ich nach einer Zeit auch wieder losgeworden war, weil ich angemotzt wurde, dass ich im Bad immer viel zu lange brauchte.

Als jemand nach ein paar Minuten an die Tür klopfte, war es für mich wohl wieder Zeit, um zu den Menschen zurück zu gehen. Ich spülte einmal, was eigentlich Wasserverschwendung war, und wusch mir die Hände, damit niemand nachfragte, was ich da drin gemacht hatte, und ging wieder nach draußen. Hoffentlich war Minho wieder dabei. Ohne ihn würde ich das nicht aushalten. Dabei hatten wir uns schon einen Platz ein wenig weiter weg von den Erwachsenen gesucht, denn jeder Jugendliche hatte vermutlich lieber seinen Abstand, wenn seine Eltern sich beim Karaoke die Seele aus dem Leib sangen.

Zum Glück sah ich meinen Freund auf der Couch sitzen. Ich steuerte zielstrebig auf ihn zu und versuchte mich auf Minho zu konzentrieren und so alles um mich herum besser ausblenden zu können, was erstaunlich gut klappte. Wenn auch nicht perfekt.

"M-inho?", fragte ich zittrig und hoffte, dass er merkte, dass etwas nicht stimmte.

"Hey... Was ist los, Sungie? Geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und stand auf, um mich in den Arm zu nehmen, wobei ich mein Gesicht versteckte. Niemand außer Minho sollte diese Seite von mir sehen. Sie würden mich dafür vermutlich verurteilen. Minho nicht.

"Es sind zu viele Menschen... Können wir hoch? Ich halte das nicht aus."

"Natürlich, mein Kleiner. Changkyun, ist es okay, wenn Jisung und ich hoch gehen? Ihm geht es nicht so gut."

"Klar. Ich bekomme meine Mutter schon noch überzeugt, dass ich nach Hause kann."

"Wenn nicht, kann er auch mit hoch. Nur einer außer dir ist okay."

"Wie du meinst. Aber wenn es dir wieder zu viel ist, sagst du Bescheid, ja?", fragte Minho und nachdem ich zugestimmt hatte, verschwanden wir drei in Minho's Zimmer.

Während Minho und ich es uns direkt auf dem Bett bequem machten, blieb Changkyun ein Stück zurück.

"Ihr habt aber noch nicht... In dem Bett... Oder?", fragte er nach.

"Nein, haben wir nicht. Setz dich einfach irgendwo hin.", antwortete Minho, den ich gerade mal wieder als Kuscheltier benutzte und der seinen Arm um meine Taille geschlungen hatte.

Die Stimmen der vielen Menschen waren nun nur noch leise durch die Tür zu hören, das Gefühl von Enge war verschwunden und ich fühlte mich schon gleich viel besser. Ob es nur daran lag, dass ich nun wieder eine angenehmere Menschen bei mir hatte oder auch daran, dass ich so nah bei Minho sein konnte, wie ich wollte, wusste ich nicht genau.

Ich wurde langsam müde. Die Gäste hatten mich wirklich angestrengt. Manche sagen zwar, dass Sport das Anstrengendste ist, was es gibt, aber das wirklich Anstrengendste war der Kampf gegen einen Teil von sich selbst, den man einfach nicht akzeptieren konnte.

Also zog ich die Decke über meinen Körper und schloss meine Augen.

"Schlaf ruhig, wenn du müde bist, Ji.", hörte ich Minho sagen.

"Nicht ohne meinen Gute-Nacht-Kuss.", schmollte ich. Vielleicht war ich gerade ein nerviges, kleines Baby. Aber dieses nervige, kleine Baby würde nicht schlafen, bis es seinen Kuss bekommen hatte.

Als Antwort drückte Minho mir einen Kuss auf die Schläfe.

"Ah-ah-ah. Richtiger Kuss. Wo küsst man jemanden hin, der einen liebt?", entgegnete ich.

"Genau, Minho. Gib deinem Boyfriend wenigstens einen vernünftigen Gute-Nacht-Kuss.", meinte auch Changkyun.

Dann legten sich für einen Augenblick Minho's Lippen auf meine und übten sanften Druck aus, den ich erwiderte.

"Jetzt kann ich versuchen zu schlafen.", grinste ich und legte meinen Kopf wieder auf Minho ab.

"Schlaf gut, mein Kleiner."

"Mach ich. Ich liebe dich, MinMin."

"Ich dich auch, Sungie."

"Ihr beiden seid echt süß zusammen. Ich wünschte mir fast meine Freundin und ich wären auch so.", hörte ich Changkyun sagen, als ich meine Augen schloss. Vermutlich würde ich trotz meiner Müdigkeit noch eine Weile brauchen, bis ich einschlafen konnte. So wie eigentlich immer.

Normalerweise waren es die Gedanken, die ich den ganzen Tag lang verdrängt hatte und die dann alle gleichzeitig auf mich einstürzten, um mich fertig zu machen. Oder es war einfach nur das plötzliche Gefühl der Einsamkeit, das kam, wenn lange in der Stille des Hauses lag in dem Wissen, dass auf der anderen Seite der Wand, an die man sich schon fast kauerte, zwei Menschen lagen, die sich liebten. Die ein Gefühl spürten, das man selbst noch nicht kennengelernt hatte. Doch jetzt hatte ich genau den Menschen bei mir, der in mir dieses Gefühl auslöste und der mich liebte.

Nie wieder wollte ich die Schatten der Einsamkeit zurück kehren. Ich fürchtete mich vor ihnen, auch wenn sie lange Zeit meine einzigen Begleiter gewesen wären. Genau diese Furcht hielt mich jetzt wach und ließ mich näher an meinen Freund rücken, der sich mit Changkyun unterhielt, wobei deren Unterhaltung mich herzlich wenig interessierte. Viel mehr konzentrierte ich mich auf den Klang von Minho's Stimme und auf das Gefühl, hier in seinem Arm zu liegen, während ich mich an ihn kuschelte. Ich wollte ihn so fest halten, wie ich konnte. Damit er nie wieder ging.

"Du hast da ja einen richtigen Koala.", scherzte Changkyun, der vermutlich genauestens sah, wie dicht ich an Minho gedrückt lag.

"Ja, das stimmt. Aber ich mag das an ihm."

"Ich mag das auch.", nuschelte ich.

"Baby, du solltest inzwischen eingeschlafen sein..."

"Wer bin ich? Der Usain Bolt des Einschlafens?"

"Du liegst da seit einer halben Stunde und bist immer noch wach."

"Oh... So lange schon?"

"Ja. So lange schon. War das gestern auch so?"

"Hm... War es."

"Was hält dich wach? Ist es zu hell? Zu warm? Zu kalt? Hast du Alpträume?"

"Ich hab Angst, dass du irgendwann wieder gehst und ich wieder ganz alleine bin.", sagte ich ehrlich.

"Jisung..."

"Wir sind noch nicht lange zusammen. Was wenn du mich irgendwann nicht mehr aushalten kannst, weil ich dir zu nervig werde? Oder zu langweilig? Oder du jemanden besseren findest? Und was wenn Morgen alles schief geht, wenn ich wieder nach Hause muss? Was wenn meine Mutter-"

"Jisung! Hör mir zu, okay?"

Ich nickte stumm.

"Du bist wundervoll. Du bist nicht nervig und du bist auch nicht langweilig. Ich werde niemanden besseren finden, weil es niemand besseren gibt. Und das Morgen bekommen wir auch hin, ja? Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, weil ich bei dir bleibe und auf dich aufpassen werde. Immer."

"Immer immer?"

"Immer immer. Und jetzt versuch zu schlafen. Ich weiß, dass du todmüde bist."

"Ich versuche es."

Dann schloss ich die Augen und sank tatsächlich recht schnell in den Schlaf.

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Das ist Changkyun (für die, die Monsta X nicht kennen):


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