Jisung PoV

Die nächste Pause kam Minho erst nach mir. Sein Lehrer hatte ihn anscheinend nicht früher rauslassen wollen und so würde ich wohl noch ein paar Minuten auf ihn warten müssen.

Müde schloss ich meine Augen und lehnte meinen Kopf gegen den Baumstamm hinter mir. Es war wirklich anstrengend für mich, als vorhin eine weitere Klasse rausgelassen wurde und mich förmlich über den Haufen gerannt hatte. Die wussten anscheinend alle nicht, was ein persönlicher Bereich war. Oder es war ihnen einfach komplett egal.

Ich schreckte plötzlich hoch und gab einen Quietschlaut von mir, als ich merkte, wie mir jemand in die Seite piekste. Kaum hatte ich meine Augen geöffnet, erkannte ich den Übeltäter.

"YAH! Was sollte das?! Du hast mich erschrocken!"

"Tut mir leid, Ji. Ich konnte einfach nicht widerstehen.", meinte Minho und grinste mich frech an.

"Heute verzeihe ich dir nochmal. Aber mach das nie wieder.", sagte ich und musste ebenfalls grinsen.

"Dann hab ich ja Glück gehabt."

Er ließ sich neben mir ins Gras fallen.

"Warum bist du eigentlich so müde?", fragte er dann und ich wusste er nicht so recht was ich antworten sollte. Um ihm davon zu erzählen, wie sehr mich das hier alles fertig machte, war es noch viel zu früh.

"Ich hatte einfach nur einen der langweiligen Lehrer und hab sowieso schon nicht genug geschlafen. Keine Ahnung wie ich noch zwei Stunden Ethik schaffen soll, ohne einzuschlafen.", antwortete ich also und hoffte, dass er es glauben würde. Es war ja nichtmal komplett gelogen. Meine letzten beiden Stunden Unterricht waren wirklich zum Schnarchen gewesen.

"Geh doch einfach nach Hause und ruh dich aus. So wichtig ist Ethik jetzt auch nicht."

Wenn ich könnte, dann würde ich genau das machen, was Minho mir gerade vorgeschlagen hatte, doch ich konnte meiner Mutter nicht erklären, wieso ich zuhause war und nicht in der Schule.

"Geht nicht. Das gibt sonst Ärger mit meiner Mutter. Auf krank machen, kann ich auch nicht, weil ihr das sofort auffallen würde."

"Dann mach es dir zumindest hier noch bequem.", meinte er und zog mich sanft zu sich, sodass ich mich hinlegte und meinen Kopf auf seinen Oberschenkeln ablegte. War es ihm nicht unangenehm, dass ich so nah bei ihm war? Vielleicht hielten uns andere für ein Paar und ihn würde die Vorstellung anekeln, mit mir zusammen zu sein, denn sein wir mal ehrlich: Ich würde mich nichtmal selbst daten, so abstoßend war ich.

"Deine Oberschenkel sind echt hart.", sagte ich nur und schloss meine Augen. Irgendwie musste ich das ganze ja überspielen, damit er nichts bemerkte.

"Kommt davon, wenn man lange tanzt. Das sind nur Muskeln."

"Wow... Jetzt muss ich mich jedes Mal, wenn ich dich sehe, wie ein Spargel fühlen. Ich bin quasi gar nicht trainiert."

"Das heißt ja nicht, dass du schlecht aussiehst. Und selbst wenn du schlecht aussehen würdest, wäre es egal. Weil ich finde, dass du ein toller Mensch bist. Ich mag dich."

Wenn du wüsstest, was in meinem Kopf vorgeht, wäre ich dann immer noch genau so ein toller Mensch für dich? Würdest du mich immer noch mögen?

"Ich mag dich auch, Minho.", erwiderte ich und verpasste somit eine weitere Chance, um ihm zu sagen, was ich wirklich dachte.

Eine ganze Weile lag ich einfach nur da, mit geschlossenen Augen und meinem Kopf auf Minho's Oberschenkeln. Irgendwann kam jedoch eine mir unbekannte Person zu uns und ich musste wohl oder übel wieder meine Augen öffnen. Vor uns stand ein Junge, vielleicht 1,70m groß und schwarze Haare.

"Hier bist du also! Ich hab dich schon gesucht, weil du mich einfach alleine gelassen hast. Du bist quasi aus dem Klassenraum geflüchtet. Und das nicht zum ersten Mal heute.", meinte der Junge und sah Minho vorwurfsvoll an.

"MinMin, ist das der Freund von dem du mir vorhin erzählt hast?", fragte ich schläfrig, da tatsächlich nicht mehr viel gefehlt hatte und ich wäre eingeschlafen.

"Ja, ist er."

"MinMin?", fragte der Junge, der über den Spitznamen verwundert zu sein schien. "Als Changbin versucht hat, dich auf Minnie umzutaufen, hast du gedroht, ihm und jedem anderen, der einen Spitznamen benutzt, der nicht Lino ist, den Hals umzudrehen. Und er darf dich MinMin nennen?"

"Exakt. Jisung ist ja auch nicht Changbin. Außerdem will Changbin ja auch von niemandem außer Felix 'Binnie' genannt werden, also wo ist der Unterschied?"

"Der Unterschied ist, dass Felix am Anfang nicht verstanden hat, dass Changbin nicht so genannt werden will, weil niemand außer Changbin es ihm erklären konnte, ohne einen Lachflash zu bekommen, und er nur die Hälfte von dem verstanden hat, was Changbin gesagt hat. Ich hab nie versucht es ihm auf Englisch zu erklären, weil es irgendwie lustig war zu sehen, wie Changbin versucht es zu erklären, aber jedes Mal scheitert und deshalb aufgibt."

"Ja, das war tatsächlich ziemlich lustig.", meinte Minho mit einem Lächeln im Gesicht. "Achso: Jisung, das ist Chan. Chan, das ist Jisung. Ich hab ihn gestern kennengelernt, als ich halb blind durch die Gegend gerannt bin."

"Ich dachte schon er wäre dein heimlicher fester Freund oder so.", lachte Chan.

Ich weiß genau, was jetzt kommt. 'Niemals' oder 'Jisung wäre der Letzte, mit dem ich eine Beziehung eingehen würde.

"Eifersüchtig?", grinste Minho und ich hätte mich fast an meiner eigenen Spucke verschluckt, weshalb ich mich gerade hinsetzte und mich aushustete. Das kam unerwartet.

"W-Was?", fragte ich, immer noch komplett überfordert. Diese Reaktion war ich ganz eindeutig nicht gewohnt.

"Hättest du wohl gerne, Lee Know."

Sowohl Chan als auch Minho ignorierten meine Frage. Vermutlich war ich in diesem Moment einfach nicht wichtig genug...

"Aber jetzt erzähl mal was von dir, Jisung. Ich will wissen, wie du es nach nichtmal einem Tag geschafft hast, dass er mich, als seinen besten Freund, komplett vergisst."

Und so begann eine lange Unterhaltung mit Chan und Minho, in der ich einige neue Dinge über Minho lernte, aber auch Chan ein wenig kennenlernte. Eher gezwungenermaßen als freiwillig, aber wenn ich Minho bei mir behalten wollte, musste ich da wohl durch. Doch dafür hatte ich jetzt Minho's Nummer.

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