Kapitel 1

Genervt schlug ich die Augen auf und probierte meinen Wecker auf dem kleinen Nachtisch auszuschlagen.

Dabei traf ich aber nicht meinen Wecker, sondern die kleine Lampe, die ebenfalls auf dem Tisch stand und nun mit einem lauten Krachen auf dem Boden aufkam.

Genervt hob ich meinen Kopf aus dem Kissen und wandte meinen Blick nun zum Boden.

Den Sturz hatte die Birne auf jeden Fall nicht überlebt.

Mist!

Jetzt musste ich auch noch eine Neue besorgen und die Dinger waren nicht gerade superbillig.

Mit einem lauten Seufzer rollte ich mich zur Seite und erhob mich schließlich aus meinem Bett.

Dann taumelte ich noch etwas verschlafen zur Tür meines kleinen Balkons und machte diese auf.

Ja, ich weiß eigener Balkon hört sich schon cool an, aber was ich da an meinem Zimmer besaß, war kein wirklicher Balkon.

Eher ähnelte es einer Balkontür, bei der man vergessen hatte, zu Ende zu bauen.

Vorsichtig lehnte ich mich an das Geländer, was schon ziemlich wackelte und atmete die frische Luft ein.

Es war ein Sonntagmorgen mit perfektem Frühlingswetter.

Nicht zu kalt und auch nicht zu warm.

Einfach nur perfekt.

Langsam ließ ich meinen Blick über unseren Hof wandern.

Die Pferde waren bereits auf der Koppel, wodurch die Ställe wie ausgestorben wirkten.

Na ja, zumindest bis die ganzen Einsteller heute Nachmittag auftauchen würden.

Den Hof hatten meine Großeltern gegründet und an meinen Vater weitergegeben, als sie in die Stadt gezogen waren.

Mein Vater, der schon seit Kindesalter ritt, war hier aufgewachsen sowie ich und mein Bruder Tyler es jetzt taten.

Früher war er als Spring- und Dressurreiter tätig, jedoch war er mit dem Alter immer mehr auf Ausbilder und Reitlehrer umgestiegen.

Nachdem mein Vater den Hof übernommen hatte, heiratet er meine Mutter, worauf mein älterer Bruder ein paar Monate später auf die Welt kam.

Ich dagegen durfte erst zwei Jahre später das Licht der Welt erblicken.

Mit der Zeit wurde der Hof immer mehr umgebaut, wodurch wir mehr Ställe, neue Koppel und eine zweite kleine Reithalle dazu bekamen.

„Izzy!", hörte ich auf einmal meine Mutter von unten rufen.

„Wenn du nicht langsam aufstehst, ist der Frühstückstisch wieder abgeräumt. Ich kann das Essen nicht ewig draußen stehen lassen"

„Ja, Mum ich komme gleich!", rief ich nur zurück und rannte dann zu meinem Schrank.

Auch wenn heute Sonntag war, holte ich mir eine Jogginghose aus dem Schrank.

Um ehrlich zu sein verbrachte ich fast mein halbes Leben in Jogginghosen, außer wenn ich in der Schule war.

Aber zum Arbeiten im Stall waren sie meine ständigen Begleiter.

Ich schnappte mir noch ein T-Shirt und widmete mich dann anschließend meinen Haaren.

Nachdem ich diese wenigstens ein bisschen gebändigt hatte, band ich sie zu einem Zopf und polterte dann die Treppe herunter.

Mein Bruder meinte immer, wenn ich weiterhin so die Treppe herunterrannte, sie irgendwann bestimmt noch einkrachen würde.

Daraufhin rollte ich jedes Mal mit den Augen und äffte ihn nach. Denn das konnte er noch weniger leiden, als mein lautes Treppe herunterrennen.

„Na da bist du ja endlich", riss mich meine Mutter aus meinem Gedanken.

Sie trug bereits eine Reithose, was wahrscheinlich hieß, dass sie gleich wieder auf Pferd steigen wurde.

„Was machst du gleich?", fragte ich sie trotzdem und lief dabei hinter ihr her auf die Terrasse, wo der Frühstückstisch stand.

„Ich reite die Berittpferde und mache danach den Schulpferdestall sauber. Wäre super, wenn du mir dabei nachher helfen könntest"

„Ja, kann ich, wollte aber zuerst noch ausreiten gehen mit Sancho", entgegnete ich und schmierte mir ein Marmeladenbrötchen.

„Mit Liz?"

„Nein, sie schläft wahrscheinlich noch und ich möchte sie nicht wecken. Außerdem kommt sie nachher wahrscheinlich nochmal, um Akira zu reiten", murmelte ich mit vollem Mund.

„Na dann, viel Spaß beim Ausreiten mit Sancho. Aber pass auf", hörte ich sie noch rufen, bevor sie die Treppe der Terrasse herunterlief und den Weg zu den Koppeln einschlug.

Liz war eine oder eher gesagt meine einzige beste Freundin.

Sie war ungefähr vor fünf Jahren hergezogen und wohnte gerade mal 50 Meter von unserem Hof entfernt.

Dadurch, dass wir zufälligerweise auf dieselbe Schule gingen, wurden wir beide schnell Freunde.

Obwohl es eigentlich kein Zufall war, dass wir uns anfreundeten.

Schließlich war unsere Schule die einzige im Umkreis von 20 Kilometern und so hatten wir beide denselben Schulweg.

Manchmal kam sie mit auf den Hof, aber schaute am Anfang lieber nur zu, wenn ich die Pferde ritt.

Jedoch gab ich ihr irgendwann etwas Reitunterricht, damit wir mal gemeinsam ausreiten gehen konnten und sie nicht die ganze Zeit mit dem Fahrrad nebenher fahren musste.

Mittlerweile war sie schon ziemlich gut geworden, aber ritt keine Turnieren, weil sie dieses ganze Gewusel und den Stress dort hasste.

So kam es dazu, dass sie fast jedes Wochenende und manchmal auch unter der Woche im Stall mithalf, wodurch sie die alte Schimmelstute meines Vaters reiten durfte.

Nachdem ich mein Brötchen fertig gegessen hatte, räumte ich den Esstisch ab und zog mir dann meine alten Gummistiefel an und lief zu den Koppeln. Wir hatten insgesamt vier riesige Koppeln.

Die erste war für die privaten Stuten, die zweite für die privaten Wallache, die dritte für die Schulpferde und die letzte Koppel für die Turnierpferde meines Vaters.

Außerdem besaßen wir auch noch eine kleine Ponyherde bestehend aus vier Ponys, die am Tag frei auf dem Gelände herumlaufen durften.

Nachdem ich an dem Gatter der Koppel angekommen war, pfiff ich einmal laut, damit sich die Pferde ein bisschen nach vorne bewegten.

Glücklicherweise hörte dieses Mal wenigstens ein Teil und galoppierte zu mir an den Zaun.

Ganz vorne dran war Champion.

Er war ein dunkelbrauner Wallach, der noch relativ jung war und dem entsprechend auch etwas durchgeknallt.

Außerdem hatte er ordentlich Speed drauf sowie eine Liebe zum Springen, die wirklich unbeschreiblich war.

Er hüpfte wirklich über jeden Scheiß rüber, selbst über die Pfützen im Wald.

Dahinter kamen auch schon Shadow, was mein eigenes Dressur- und Springpferd war sowie ein Apfelschimmel namens Smokey, der hauptsächlich sprang.

Sancho kam als Letzter von den vieren angaloppiert. Er war ein kleiner Brauner und viel unter der Herde ziemlich schnell auf da er nicht mal 1,60 groß war.

Mein Vater hatte ihn damals vor dem Schlachter gerettet, wobei sich aber ziemlich schnell herausstellte das Sancho sehr dickköpfig und stur war.

Außerdem hatte er, wie es mein Vater es gerne beschrieb, genetisch ziemlich ins Klo gegriffen, weil er eher kurze Beine und Hals besaß, was für ein Turnierpferd nicht gerade so günstig war.

Anfangs hatte er ihn in den Schulbetrieb gesteckt, da man mit ihm keine Turniere gehen konnte, und hoffte aus Sancho würde ein gutes Schulpony werden.

Jedoch war Sancho da andere Meinung, denn er katapultiert ein Kind nachdem anderen in den Sand und machte sich ziemlich unbeliebt bei den Anfängern.

Irgendwann musste ich dann mit meinen gerade mal 10 Jahren hinhalten und mich auf den Rücken dieses wild gewordenen Ponys schwingen.

Anfangs landete ich gefühlt tausend Mal im Sand und hatte ziemlich viele blau Flecke.

Aber mit der Zeit gewöhnten Sancho und ich uns aneinander und ich fand heraus, dass er es viel lieber mochte, wenn er nur von einer oder zwei Personen geritten wurde.

Da ihn die unterschiedlichen Reitweisen, bei zu vielen Reitern auf seinem Rücken, durcheinanderbrachten und er dann anfing, sich zu verweigern.

Mein Vater nahm ihn nach einer gewissen Zeit auch raus aus dem Schulbetrieb und schenkte ihn mir als mein erstes eigenes Pony oder eher gesagt Pferd.

Obwohl Sancho mit seinen knappen 1,60 kein Pony mehr war, sondern ein Pferd hatte er irgendwie den Kopf eines Ponys sowie den Willen.

Deswegen nannte ich ihn auch öfters Pony anstatt Pferd, wodurch ich manchmal komische Blicke von den anderen Reitern kassierte.

Mit ca. vierzehn fing ich langsam an Shadow zu reiten.

Dieser wurde anfangs von meinem Vater geritten, aber ich übernahm ihn immer mehr und mehr.

Mein Vater wollte nämlich gerne, dass ich meinen Stil etwas verbesserte, was auf einem ausgebildeten Dressurpferd etwas leichter war als auf einem Wald und Wiesen Pony.

Dessen Sturheit undefinierbar war.

Ende letzten Jahre kaufte mein Vater dann zwei neue Pferde.

Einmal Champion, der wie schon gesagt eine ziemlich bescheuerte und durchgeknallte Art hatte.

Sowie den Apfelschimmel Smokey, der mindestens genauso viel Temperament besaß, aber im Vergleich zu Champion gar nichts war.

Die beiden Pferde waren gerade mal fünf und wirkten fast wie Brüder, weil sie sich ständig gegenseitig kraulten und sich nicht trennten.

Mein Bruder meinte dann immer, wenn er die beiden sah, dass wir zwei schwule Pferde auf dem Hof hätten.

Mit Smokey trainierte ich gerade Springen, weil ich in diesem Sommer an den ersten M und vielleicht auch S Springen mit ihm teilnehmen wollte.

Zwar war ich mit Shadow davor sogar schon mal S gesprungen.

Aber dieser war auch nicht mehr der Jüngste. Außerdem müssten wir, wenn er älter werden würde das Springen etwas herunterfahren, damit es nicht zu sehr auf die Gelenke ging.

Jedoch ritt ich am liebsten von allen Sancho, da er nicht eins von diesen perfekten Sportpferden war. Sondern ein kleines dickköpfiges Pony, was eindeutig seinen eigenen Willen hatte.

Ich probierte am Wochenende jeden Morgen mit ihm ausreiten zu gehen sowie abends noch einmal eine kleine Runde. Jedoch klappte das nicht immer, da die andern beiden auch Bewegung brauchten und die Schule mir öfter einen Strich durch die Rechnung machte.

Ich ließ meinen Blick weiter über die Koppel schweifen und entdeckte noch Akira, die alte Dressur Schimmelstute meines Vaters, die nun meistens von Liz geritten wurde.

Außerdem erkannte ich Amadeus, der ein Brauner war sowie das aktuelle Dressurpferd meines Vaters.

Gemeinsam hatten die beide auch schon viele Preise eingesammelt.

Momentan probierte er deswegen aber Chucky auszubilden, damit er ein Nachfolger Pferd hatte.

Ganz hinten am Zaun konnte ich noch den süßen Falben Spirit entdecken, der unser einziges Geländereitpferd war sowie Arabella, ein Fuchs mit weißen Fesseln, die das Lieblingsspringpferd meiner Mutter war.

Ich kraulte schnell einmal die anderen Pferde hinter den Ohren und schnappte mir dann das Halfter von Sancho und legte es ihm auf.

„Nah mein Dickerchen! Bereit für unseren morgendlichen Ausritt?", murmelte ich leise und machte den Karabiner an seinem Halfter fest.

Als Antwort stupste er mich nur an meine Hüfte. Wahrscheinlich wollte er nur die Karotte haben, die sich in meiner Hosentasche befand.

„War ja klar, dass du nur die haben wolltest. Du kleines verfressendes Pony", murmelte ich lachend und reichte ihm die Karotte, die er in einem Bissen fraß.

Ich führte ihn schnell an den anderen Pferden vorbei und schloss dann das Gatter hinter mir.

Sowie immer lief ich mit Sancho zu dem kleinen Baumstamm und kletterte auf seinen Rücken, was bei seiner Größe ja nicht allzu schwer war.

Dann ritt ich den restlichen Weg zurück auf den Hof, sowie ich es immer tat.

Der Hof war morgens immer schön leer, wodurch man alle Plätze für sich hatte.

Zumindest so lange, bis es Nachmittag wurde und die ganzen anderen Einsteller sowie Gäste auftauchten.

Ich ritt an dem Dressurplatz vorbei, wo mein Vater gerade mit Chucky beschäftigt war.

„Hallo mein Schatz. Was machst du den jetzt?", hörte ich meinen Vater fragen, als er Chucky parierte und ihm eine Schrittpause gab.

„Ich geh mit Sancho ausreiten bin ca. in einer Stunde wieder da", antwortete ich und winkte ihm nochmal kurz, bevor ich um die Ecke zu den Ställen ritt.

„Viel Spaß und vergiss heute Abend das Springtraining nicht", hörte ich ihn noch rufen.

„Ja, ja mach ich nicht", brüllte ich quer über den ganzen Hof zurück und sprang dann von Sanchos Rücken herunter.

Ich band ihn am Putzplatz an und lief dann in den Stall von unseren Pferden, um sein Zeug zu holen.

Auf dem Weg dorthin kam ich an den Boxen vorbei, wo ich meinen Bruder Tyler drin arbeiten sah.

„Mistest du da etwa freiwillig die Boxen aus?", fragte ich verwundert.

Normalerweise machte Tyler sowas nie außer wenn Dad ihn dazu zwang, weil er sein Personal mal etwas entlasten wollte.

Außerdem war Tyler noch nie ein Typ für Pferde gewesen.

Er konnte zwar reiten, aber schwang sich seit gefühlt Jahren nicht mehr auf den Rücken eines Pferdes.

Lieber verbrachte er seine Nachmittage mit seinen Kumpels beim Zocken oder schlich sich abends auf irgendwelche Partys, bei denen er am Ende stockbesoffen war.

„Dad, hat mich gestern erwischt, wie ich von einer Party nach Hause gekommen bin. Als Strafe soll ich die ganzen Boxen ausmisten", entgegnete mein Bruder genervt.

„Wenn du dich auch immer rausschleichen musst. Ich wette, wenn du nicht mal getrunken hättest, dann hätte Dad auch nichts gesagt"

„Zumindest hab ich nicht so einen Stock im Arsch wie du und geh überhaupt nicht feiern", keifte er mich nur an.

Ich schnappte empört nach Luft und wollte gerade zu einem Konter ansetzten, als er mir ins Wort fiel: „Und was hast du da eigentlich an...eine Jogginghose? Du willst ernsthaft in Jogginghose reiten"

„Woher willst du den bitte wissen, dass ich reiten gehe?", fragte ich ihn stattdessen.

„Weil du mir nie im Leben hier helfen würdest und Sancho draußen wie ein Verrückter wiehert", entgegnete er und schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Na gut, ja ich geh reiten und ich tue das gerne in Jogginghose"

„Du bist echt komisch", murmelte er kopfschüttelnd und wandte sich wieder dem Mist zu.

„Hä nur weil ich nicht perfekt gestylt, wie Janine durch den Stall renne und dazu auch noch im super kurzen Top, bin ich nicht gleich komisch", meckerte ich empört und drehte mich dann um zur Sattelkammer.

Janine war, wie Liz und ich es gerne bezeichneten, die Stallschlampe. Sie hatte ein sau teures Sportpferd, das mir jedes Mal leidtat, wenn es von ihr geritten wurden.

Außerdem war ihr Pferd immer komplett eingestylt und sie selber dazu auch noch.

Manchmal fragte ich mich, wie sie diese ganzen Decken und was weiß ich noch für einen Kram überhaupt transportieren konnte.

Meisten hatten sie aber immer nur irgendwelche fast bauchfreien Tops an mit einem mega Ausschnitt, wo man dachte, da Vorne fällt gleich alles heraus. Ich wusste schon seit längerem, dass Tyler ein Auge auf Janine geworfen hatte, aber bis jetzt konnte ich ihm das immer noch nicht austreiben.

Aber jetzt genug von Janine. Ich wollte ja ausreiten gehen und mich nicht über sie aufregen.

Schnell schnappte ich mir meinen Putzkasten sowie Sanchos Trense und meinen Helm. Heute wollte ich mal ohne Sattel reiten, da das viel angenehmer mit einer Jogginghose war als mit Sattel.

Ich schleppte schnell das ganze Zeug raus an den Putzplatz und machte mein Pferd sauber und trenste ihn. Dann führte ich ihn schließlich zur Aufsteighilfe und kletterte auf seinen Rücken rauf.

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