Verzweiflung

Louis
Erstaunt über seine Antwort, die ich als 'Ja' interpretierte, legte ich mich halb auf diesen drauf und presste meine Lippen sanft auf seine, gab entspannte Laute von mir, als dieser alles erwiderte, streichelte mit einer Hand über seine Wange und fuhr mit der anderen unter Noahs weißes Shirt. Ich würde das alles sowas von bereuen! Da war ich mir jetzt schon sicher - auch wenn ich mich nicht mehr dran erinnern könnte.
Langsam strich ich seinen Körperkonturen entlang und zog dabei sein Shirt hoch, keuchte leise gegen seine Lippen.

Sowas mit seinem Hetero-Bruder anzustellen ging ja mal gar nicht, was mir aber ein großes Fragezeichen auf die Stirn malte, war sein erwidern. Wieso erwiderte er einen Kuss von einem Kerlen? Ich meine... er war ja nicht schwul, aber weshalb ließ er das zu? Wollte er etwas neues ausprobieren? Oder war er einfach noch betrunkener als ich?

Da ich nicht mehr weiterdenken wollte, stupste ich ihn leicht mit der Zunge an, wobei ich hoffte, dass er wusste, was ich von ihm verlangte. Natürlich wusste er das, er hatte ja noch letztens eine Freundin gehabt!

Lächelnd schob ich meine Zunge in seinen Mund und erkundete diesen, was mir sogar recht gut gefiel und ich nebenbei seine Brust streichelte.
Anschließend nahm ich meine Zunge wieder raus und küsste ihn gierig weiter, bis wir beide nicht mehr konnten und außer Atem so liegen blieben. "Danke.. dis brauchte ich.", hauchte ich ihm entgegen, rollte mich von ihm runter und seufzte.

Ich hatte soeben meinen Bruder geküsst.. sogar intimer, als geplant. "Wir sollten wieder runtaa..", fuhr ich fort und wuschelte mir durchs Haar, stand auf und wippte zur Tür, die ich irgendwie nicht aufbekam. War sie zu? Oder war ich einfach nur zu dämlich? Für einen Moment blickte ich zu Noah, der noch im Bett lag und lief auf ihn zu, setzte mich neben ihn. "Komms'du?"

Noah
Ich würde das sowas von bereuen, ganz sicher. Er verstand meine Antwort, wie erwartet als ein 'ja' und zögerte auch nicht weiter. Nur Sekunden später, spürte ich seine Lippen auf meinen und bemerkte, wie mein Herz aussetzte. Warum machte ich das? Ich quälte mich doch nur selbst! Dennoch erwiederte ich den Kuss, welcher dieses angenehme Kribbeln in meinem Bauch auslöste. Die Stellen meiner Haut welche er berührte, waren wie elektrisiert. Eine meiner Hände, lag auf seinem Rücken, während ich die andere lieber bei mir behielt.

Es war ja schon dumm gewesen zuzustimmen, aber dann noch zu viel Einsatz zu zeigen wäre noch dümmer. Seine Zunge, brachte mein Herz erneut dazu einen Sprung zu machen. Für einen Moment zögerte ich, öffnete dann jedoch meine Lippen und ließ unsere Zungen ihren Tanz tanzen. Es fühlte sich gut an, zu gut wenn ich ehrlich war. Würde ich den Mut haben mich zu outen, könnte ich das jeden Tag haben, oder zumindest so oft wie ich meinen Freund sehen würde, wenn ich denn einen hätte.

Ich grinste leicht in den Kuss, bevor er sich schließlich von mir löste. Anstatt gleich mit aufzustehen, blieb ich im Bett liegen und seufzte leise. Wie dumm von mir. Als er nocheinmal zurück kam und sich neben mich setzte, richtete ich mich auf und sah in der Dunkelheit zu ihm.

"Man muss' alles mal probiert habe, oder?", fragte ich schließlich und stand dann auf. "Komm wir gehn' runter." Lächelnd lief ich zur Tür, welche man nach außen hin öffnen musste, ganz gegen meine Gewohnheiten. Grinsend wartete ich auf Louis, welcher nun wankend auf mich zukam. 

Louis
Man muss alles ausprobiert haben? Gefiel es ihm denn überhaupt eben? Schließlich hatte ich das alles nicht nur zum Spaß gemacht, sondern eben weil ich etwas Zuneigung gebraucht habe und nicht weil ich ihn ärgern oder sonst was wollte. Es war doch nicht ganz falsch mit seinem Bruder zu kuscheln - immerhin hatten wir das ja auch letztens getan.

Etwas verletzt von seiner Reaktion, stand ich langsam wieder auf, ignorierte noch die paar Schmerzen, die ich immer noch von der Prügelei hatte und ging ganz langsam zu ihm. "Sag' mir doch gleich, dass'u es scheiße findest.", brummte ich, warf ihm einen kurzen Blick zu und öffnete die Tür. Mir egal, wie betrunken ich war, ich wollte mich jetzt vollsaufen lassen, weil mich das ganze leicht mitnahm.

Ich hätte das nicht tun sollen! Auf keinen Fall! Auch wenn ich etwas verzweifelt zu sein schien, war mein Bruder nicht die Lösung für mein Problem. Gott stehe mir bei, dass ich den Teil morgen wieder vergessen habe und einen totalen Filmriss bekomme, wenn ich einfach noch mehr trinke. So viel zum Thema Saufen!

Unten angewatschelt setzte ich mich auf einen Hocker am Tresen und trank den Vodka pur aus der Flasche, obwohl mich das leicht zum Husten brachte. Irgendwann war ich dann auch vollkommen weg, suchte meinen Bruder auf, wobei ich diesen nicht mehr auffand und lehnte mich draußen neben den Hintereingang an die Wandund fing an zu weinen, ließ damit den angesammelten Kummer etwas raus.

Ich wollte nach Hause, konnte mich aber keinen Zentimeter bewegen und rief Noahs Namen immer wieder schniefend.
Ob er bereits abgehauen war? Oder irgendein Weib gefunden hatte, mit welcher er gerade rummachte, um dann zu ihr zu fahren und mit der zu vögeln? Wir wollten doch beide zusammen nach Hause laufen und ich würde den Weg in dieser Dunkelheit garantiert nicht finden. Wieder mal fühlte ich mich allein gelassen und schloss weinend meine Augen.

"Noah..", schluchzte ich und fasste mir ans Herz, welches gerade leicht schmerzte, da ich an fast alles negative in meinem Leben dachte. Auch an meinen verstorbenen Dad. Wieso mussten mich alle bloß immer alleine lassen? "Dad~~.", schniefte ich zum ersten mal seit langem, seinen Namen.

Noah
Ich verdrehte leicht die Augen, als er mir antwortete und presste meine Lippen aufeinander. Was hätte ich ihm denn sonst sagen sollen? Sicher hätte ihm gefallen, wenn ich ihm gesagt hätte, was ich dabei tatsächlich gefühlt hatte, doch das war nicht möglich ohne mich zu verraten. Vielleicht sollte ich ihm noch sagen, dass es nicht an ihm gelegen hatte, denn er war tatsächlich ein ziemlich guter Küsser oder wäre das schon zu verräterisch? 

Louis ging schnurstracks an mir vorbei und verschwand nach unten. Seufzend lehnte ich mich an den Türrahmen und fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Fuck, was hatte ich da nur wieder angestellt? Ich hätte es lassen sollen, oder? Vermutlich hätte ihn das weniger verletzt als meine Antwort, die vielleicht etwas zu unsensibel gewesen war. Jetzt im nachhinein fielen mir tausende Dinge ein, die besser gewesen wären, als das was ich eben gesagt hatte. Ich war ein schlechter Mensch, in fast jeder Hinsicht. Das schlimmste aber war, dass ich einfach jeden, den ich mochte, belog. Und warum? Weil ich Angst vor den Reaktionen hatte, die ich bekommen würde. Mir war schon vor einer Weile klar geworden, dass es unglaublich bescheuert gewesen war so zu tun, als sei ich heterosexuell, da das mein comming out nur verschlimmern würde.

Vielleicht sollte ich einfach mein Leben lang so tun, als würde ich auf Frauen stehen, denn ich wusste, dass mein Dad sich Enkel wünschte und das war nicht möglich mit einem schwulen Sohn. Klar hatte er Louis akzeptiert, aber ihn hatte er so kennengelernt und sich somit keine Hoffnungen gemacht. Leicht seufzend strubbelte ich mir durch die Haare und beschloss Louis suchen zu gehen, welcher nun schon seit einer Weile allein unten war. 

Langsam aber sicher beschritt ich meinen Weg nach unten, wo ich meinen Blick durch die Masse schweifen ließ. Es wunderte mich ein wenig, dass ich ihn nicht sofort entdeckte, weswegen ich begann rumzufragen. Die meisten wussten nichtmal wen ich meinte, bis mir ein paar Leute an der Bar sagten, dass er sich wohl Vodka hintergekippt hatte und dann verschwunden war.

Scheiße! Gott Louis, sei bitte nicht allein zurück gelaufen! Er war eben schon ziemlich betrunken gewesen, doch wenn er jetzt noch nachgekippt hatte, wollte ich gar nicht wissen, wie es ihm jetzt ging. Bei mir schien der Alkohol allerdings der Sorge um Louis Platz zu machen, da mein Kopf aufeinmal wieder seltsam klar wurde. 
Nocheinmal durchsuchte ich das ganze Haus, platzte erneut in den immer noch laufenden Dreier herein und befragte noch einmal alle Gruppen, ob sie ihn in der Zwischenzeit gesehen hatten. Nichts. Etwas panisch verließ ich das Haus auf der Hinterseite und setzte gerade dazu an seinen Namen zu rufen, als ich eine Person bemerkte, die wie sich wie ein Häufchen Elend an die Hauswand lehnte. Mir war klar, dass das Louis sein musste.

Ein riesen Stein fiel von meinem Herzen ab, da ich glücklich war ihn endlich gefunden zu haben. Gut, dass er nichts dummes angestellt hatte. Ohne zu zögern lief ich zu ihm und nahm ihn einfach in den Arm. ''Mach mir doch nicht solche Angst!'', raunte ich an sein Ohr und bemerkte erst jetzt, dass er zu weinen schien. Vorsichtig löste ich mich von ihm und betrachtete ihn eine Sekunde, bevor ich ihm die Tränen aus dem Gesicht wischte. ''Was ist los, hm?'', fragte ich besorgt und biss mir leicht auf die Lippe. 

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