"Geht's?"

Louis
Was mich gerade ein wenig launisch werden ließ, waren meine Gedanken zu heute Nacht. Wieso musste ich denn eigentlich auf der Couch schlafen, während er sich auf einem Doppelbett breit machen konnte und ihm am nächsten morgen wohl weniger der Rücken schmerzen bereiten würde? Ungerecht.

Und zum anderen wollte ich immer noch nicht neben ihm schlafen. Niemals! Da schlief ich ja lieber mit einer Cobra oder einem Skorpion im Bett, anstelle von ihm. Ich hasste Noah - vom ganzen Herzen aus! Auch wenn ich keinen Grund hatte ihn zu hassen, würde ich ihn auch so hassen. 

Er war ein Arschloch, gab sich zu Hause immer brav und sobald wir in der Schule waren, fing er an irgendwen herumzukommandieren, der mich dann mobbte. Er steckte stehts hinter absolut allem! Er ließ mich von jemandem verprügeln lassen, er, er, er! So konnte ich stundenlang fortfahren und ihn noch mehr hassen lernen. Niemals würde ich Noah als "meine Familie' ansehen, egal wie sehr dieser Wichser auf lieb tat.

Dieser Typ neben mir, war der Teufel höchstpersönlich. Wieso konnte der sich nicht einfach wieder in sein Höllenloch verziehen? Da wo er natürlich auch herkam! Eine Ausgeburt des Teufels, auch wenn seine Eltern nichts für ihn konnten.

Angepisst setzte ich mich in den Schneidersitz und ballte meine Hände zu Fäusten. Wie gerne ich ihn in die Schranken weisen wollte und ihn für alles, was er mir angetan hatte, verprügeln wollte, bis sein Gesicht richtig doll anschwellen würde!!  Das wäre sicher ein supergutes Gefühl.

Jedenfalls.. nachdem auch meine Mom und Matthias sich abkühlten, wurde es etwas dunkler draußen und die Sonne neigte sich schon langsam hinab zum Horizont. Mittlerweile war ich im Appartment noch einmal duschen gegangen und hatte meine Haare wieder gestylt, nachdem ich mich umgezogen hatte. Da kam auch schon Matthias zu mir, zog mich zu Noah ins Zimmer und bat uns beide für 2 Stunden rauszugehen, da die beiden etwas privatphäre brauchten, steckte uns beiden einen 50€-er zu und zwinkerte kurz.

Ein wenig pisste es mich ja schon an, als er gerade sagte, Noah solle auf seinen kleinen Bruder aufpassen. Doch mit der Macht des Geldes verzog ich ihm und verließ mit meinem beschissenen Stiefbruder das Hotel, lief ihm einfach langsam nach und verdrehte meine Augen.

Gerne würde ich auch mal anhalten, um mir ein Slushy oder etwas zu Essen zu kaufen, doch wenn ich jetzt anhielt, würde er das sicherlich nicht mal checken.. und mit ihm zu sprechen - nun ja.. darauf hatte ich wie üblich keine Lust. Mich wunderte es einfach nur, dass er so zielgerade wohin lief. Kannte er sich hier aus? Oder lief er einfach nur mit der Menge mit?

Langsam wurde es aber auch immer später und auf einmal stolperte ich über etwas, fiel auf meine Knie und schon fingen diese an, gleichzeitig zu bluten. Das passierte wohl, wenn man zu sehr über etwas nachdachte. Schmerzerfüllt, verzog ich mein Gesicht, wimmerte aber nicht mal, da ich solchen Schmerzen gewöhnt war.

Noah
Ich beobachtete ihn eine Weile, bevor ich meine Augen wieder schloss und versuchte ein wenig zu entspannen. Die Sonne war angenehm warm, wurde aber mit der Zeit immer kühler, was nicht verwunderlich war, da sie langsam begann im Meer zu versinken. Ich liebte Sonnenuntergänge, ebenso wie Sonnenaufgänge. Die schönen Farben und irgendwie war es romantisch. Zumindest konnte es romantisch sein, jetzt gerade war es das allerdings weniger.

Allein schon die Schwingungen waren verdammt mies, so mies, dass ich froh war, als wir aufs Zimmer gingen. Dort zog ich mich um, während Louis sich duschen ging. Da er etwas länger brauchte, schmiss ich mich auf das große Bett, welches zugegeben ziemlich bequem war. 
Nach einer Weile hörte ich schließlich die Stimme meines Vaters und die Schritte meines Stiefbruders.

Priwatsphäre? Mussten sie jetzt wirklich vögeln, hier im Urlaub? Das war doch echt verdammt unnötig. Seufzend stand ich vom Bett auf und nickte nur auf den Satz: ''Und pass mir ja gut auf deinen kleinen Bruder auf!''. Mein kleiner Bruder, aha. Schweigend folgte ich ihm, bis ich schließlich vorlief.

Ich erinnerte mich noch an einen Süßigkeitenladen, in dem ich ganz früher mal mit meiner Mom und meinem Dad gewesen war und in den es mich irgendwie zog. Ich wusste nicht ob das okay für Louis war, vermutlich nicht, aber er konnte ja was sagen.

Als ich plötzlich ein Krachen hinter mir wahrnahm, welches mich aus meinen Erinnerungen riss, zuckte ich zusammen und drehte mich sofort um. Zunächst war ich verwirrt, woher das Geräusch kam, bis ich ihn am Boden entdeckte. Autsch. Ich machte ein paar Schritte zurück und streckte ihm meine Hand entgegen. ''Gehts?'', fragte ich ruhig und sah ihn an.

Sicherlich würde er meine Hilfe nicht annehmen, doch es war nur höflich sie anzubieten. Vermutlich gab er dafür in Gedanken sogar mir die Schuld, weil ich vorgelaufen war, oder was auch immer er für einen Grund fand.

Louis
Nachdem ich wahrgenommen hatte, dass er mir seine Hand anbot, stand ich stattdessen mit ein wenig Mühe wieder auf und sah ihm böse entgegen. Jetzt hatte er mich doch angesprochen.. dabei hoffte ich doch, seine Stimme nicht mehr hören zu müssen. Ich klopfte mich kurz sauber und blickte auf meine aufgerissenen Knie, die inzwischen recht doll wehtaten und ich ein leises Wimmern nicht unterlassen konnte.

Möglichst bald sollte ich die Wunden auch mal reinigen, wenn Matthias dann genug an meiner Mom rumgespielt hat.
Diese Vorstellung widerte mich leicht an, weshalb ich eine Gänsehaut bekam und seufzend darauf wartete, dass er weiterging.

Das grenzte ja schon an Ironie, wenn er mir seine Hand anbot. Er wollte mich definitiv nur verarschen und hätte ich eben seine Hand angenommen, würde er mich sicherlich nur wieder auf den Boden schubsen. So sah er mich doch am liebsten, oder?
Nach Hilfe bettelnd und mit Tränen in den Augen. Niemals würde ich auch nur eine Träne wegen solcher Scheiße verlieren! Ja klar, ich fühlte mich oft verzweifelt, glaubte auch oft nicht mehr an mich, doch weinen... das tat ich seit dem Tod meines Vaters nicht mehr so wirklich.

Jedoch... wenn die Zeit kam, in der ich nicht mehr an mich selber glaubte, verzog ich mich meistens nur noch zurück auf mein Zimmer und hockte dort stundenlang, ohne mich auch nur zu regen, herum und dachte nach. Über mich, meinen Weg den ich ging und ob ich vielleicht den falschen Weg ging.

Seit damals, als ich mich auf der Schule geoutet hatte, hat sich alles verändert. Anfangs dachte ich nur, dass ich ein verwirrter, pubertierender Teenie war, doch auf einmal kam mir die Erleuchtung. Die Gefühle meiner ersten Freundinnen konnte ich nicht erwidern und seit da an, wusste ich, dass ich mich zu Männern angezogen fühlte - nicht zu Frauen.

Weiber waren mir sowieso auf Dauer viel zu anstrengend und zu nervig. Ständig jammerten sie wegen jeder Kleinigkeit herum und zauberten daraus ein Drama. Nervig und vor allem auch sinnlos für mich.
Stumm lief ich ihm also wieder hinterher, wenn auch etwas langsamer als zuvor und betrat dann ein Süßigkeitengeschäft mit ihm, in welches er uns geführt hatte.

Innen betrachtete ich all die bunten Candys und beschloss mir hier etwas zu kaufen.. womöglich auch all mein Geld hier zu verpulvern! Bei dieser Auswahl, vergaß man gleich all seine Schmerzen. Etwas erfreut, sammelte ich mir so einiges im Korb an und ging anschließend bezahlen, als Noah bereits fertig zu sein schien. Wow.. ich hatte genau 14, 20€ für so viele Süßigkeiten ausgegeben. Jetzt konnte ich zu Hause frustessen.

Wir verließen das Geschäft und ich musste erneut stoppen. Es war bereits so dunkel, dass man seine eigenen Füße mehr sehen konnte. Dies war jedoch nicht der Grund, weshalb ich stehen blieb. Meine Knie brannten und ich hielt mir meine Tränen zurück. Konnte Mom mich bitte zurück ins Hotel bringen? Ich konnte mich kaum noch halten. Meine Lippen zusammenpressend, setzte ich mich auf den Boden und blickte auf mein Handy.

Es waren schon mehr als 2 Stunden vergangen. Die haben genug gefickt. Sollte ich meine Mutter anrufen? Immerhin konnte ich keinen einzigen Schritt mehr laufen.

Noah
Wie erwartet nahm er meine Hilfe nicht an, was mich dazu brachte mit den Augen zu rollen. Als ich dies bemerkte, war ich ein wenig überrascht von mir selbst, da ich oftmals jegliche Reaktionen zurückhalten konnte. Doch Louis würde es sowieso nicht sehen. Wenn er mich mal ansah, dann wünschte er mir entweder den tot, schaute angewiedert oder einfach nur böse. Tatsächlich konnte ich darauf auch noch verzichten. Also wartete ich, bis er sich halbwegs wieder gefangen hatte und lief wieder los, allerdings langsamer als als vorher, da er sicher Schmerzen hatte und nicht ganz so schnell konnte. 

Wir brauchten nicht mehr lange bis wir im Paradies angekommen waren. Ich sah mich in dem Laden um und mir fiel auf, dass er immer noch genauso aussah wie damals. Besonders alt war ich nicht gewesen, vielleicht sieben oder acht, doch es war eine der letzten Erinnerungen an meine Mutter und meinen Vater zusammen. In Erinnerungen schwelgend, striff ich durch den Laden und packte immer mal wieder etwas in meinen Süßigkeitenkorb. Es war schmerzlich an meine Mutter zu denken, da sie sich nie verabschiedet hatte, nie einen Grund genannt hatte warum sie einfach abgehauen war.

Schon so lange fragte ich mich, ob es an mir gelegen hatte, denn sie hätte doch sicher den Kontakt zu mir gehalten, wenn sie ein Problem mit Dad gehabt hätte. Seufzend sah ich zu Louis rüber, welcher im Gegensatz zu sonst mal recht ausgeglichen wirkte. Es schien ihm hier zu gefallen, was mich leicht lächeln ließ. 

Ich begab mich schließlich an die Kasse und kaufte mir für 10€ Süßigkeiten. Danach blieb ich in der Nähe des Ausgangs stehen, bis er an mir vorbei nach draußen lief. Man konnte deutlich sehen, dass er Probleme dabei hatte zu laufen. Kurz biss ich auf meiner Lippe herum und dachte nach, bis die Idee vor meine Nase fuhr. Eines dieser Fahrräder, in das sich jemand reinsetzen konnte, man den Typen bezahlte und der einen dann fuhr.

Mit etwas schnelleren Schritten ging ich auf ihn zu und fragte schließlich, ob er Louis zum Hotel fahren würde. Er erklärte mir, dass er eigentlich schon Schluss hatte und auf dem Weg nach Hause war, doch als ich ihm dann die 20€ dafür bot willigte er ein. Schließlich lief ich wieder zurück zu meinem Stiefbruder und blieb vor ihm stehen.

''Er fährt dich zum Hotel, dann musst du nicht laufen.'', teilte ich ihm mit und sah ihn an. Ich hatte extra gesagt, er würde IHN fahren, denn würde ich mitkommen, würde Louis lieber laufen, als zusammen mit mir in diesem Ding zu sitzen. ''Ich laufe.'', fügte ich hinzu um jegliche Missverständnisse auszuräumen.

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