Fremdgehen

Louis
Ihm nachblickend, überdachte ich noch einmal alles und seufzte laut. Wie konnte es sein, dass ich mit ihm nach so vielen Monaten, erst jetzt redete? Die ganze Zeit über, hatte ich Noah gehasst, weil ich angenommen habe, dass er stehts für alle miese Taten verantwortlich war und mir das Leben zur Hölle machte, mich zu Hause noch dazu verspottete, während er sich als einen verantwortungsbewussten Bruder gab.

Und nun stellte sich heraus, dass er mir nie schaden wollte. Wie verwirrend das alles war! Dann war es auch sinnfrei, dass ich all die Zeit über, gegen seine Anwesenheit rebelliert hatte. Oh Gott... ich lag wohl in allen Punkten falsch und hatte ihn stehts nur zu Unrecht beleidigt.. oder? Noah war kein Arschloch, wie anfangs gedacht.

Nun kam er wieder zurück in mein Zimmer und versuchte mir wohl auf all meine Fragen zu antworten, obwohl mir da eine Sache hängen blieb. "Videos...", murmelte ich nur und blickte traurig auf meine Knie. Diese Bastarde hatten ernsthaft ein Video davon gemacht? Dabei hatte ich echt nichts mitbekommen und wurde einfach zusammen geschlagen, ohne auch nur hinzugucken, was im Hintergrund passierte.

Jetzt faselte er mir noch von Kassy - die Bitch, die ihm fremd ging, ohne dass er dies alles bemerkte. Ob ich es ihm sagen sollte? Sagen, was ich alles gesehen hatte?
"Siehst du?! Es ist ihnen scheiß egal für die, wie es dir geht. Wahre Freunde sind anders!", murrte ich mit leicht histerischer Stimme. 

Natürlich sehe ich, was passiert, wenn man sich gegen die stellt... immerhin bin ich ihr Opfer. Nachdem ich etwas getrunken hatte, räusperte ich mich kurz und blickte wieder zu Noah. "Weißt du was? Mir war ja eigentlich klar, was passieren würde, wenn ich mich oute, aber ganz ehrlich: ich bin so Stolz darüber, dass ich denen gesagt habe, dass ich schwul bin! Hätte ich das verheimlicht, wäre ich Mitglied in dieser ekelhaften Gruppe gewesen, welche dann sicher jemand anderes mobben würden. Also habe ich doch schon im Allgemeinem etwas Gutes getan und jemandem seinen Arsch gerettet. Noch dazu fühle ich mich auch viel freier, seitdem das raus ist. Kein Plan, was du darüber denkst, aber ich bin happy das getan zu haben.", erklärte ich ihm und fuhr mir kurz durch mein Haar.

"Ich muss dir auch was erzählen. Immerhin hast du ja meine Kopfhörer zurückgenommen, also sieh das als Ausgleich... und ich habe auch nicht vor... das zwischen euch zu beenden. Ist mir ja eigentlich auch scheiß egal. Jedenfalls... geht dir deine Freundin fremd. Ich hab sie schon so oft mit dem einen Typen gesehen... und wie die sich geküsst haben. Das war sehr intensiv und innig, glaub mir. Sie ist 'ne Bitch, wie alle anderen." Gerade, als ich mich noch ein wenig zu ihm drehte, ächzte ich vor Schmerz auf und ließ mich wieder auf die Matratze runter. Er hatte so eine wie Kassy nicht verdient.

Noah
Als ich ihn das Wort 'Videos' murmeln hörte, biss ich mir fest auf die Lippe. Hätte ich ihm das lieber nicht sagen sollen? Nein, es war das Richtige gewesen, denn wären diese Videos jemals an ihn gelangt und ich hätte ihm nichts erzählt, wäre ich vermutlich wieder der Böse gewesen, also schön bei der Warheit bleiben.

Seine Stimme erhob sich erneut, etwas histerisch, als er mir verklickern wollte, dass das keine wahren Freunde waren. Als ob ich das nicht selbst wusste. Damals als ich an diese Schule gekommen war, hatte ich für zwei Jahre noch wahre Freunde gehabt, welche ich jedoch hatte sitzen lassen, nachdem ich der Captain der Football-Mannschaft geworden war. Es war nun schon Jahre her, dass ich das letzte Mal mit ihnen geredet hatte. Sie hatten tatsächlich einen Grund mich zu hassen, anders als es bei Louis der Fall gewesen war. Um ehrlich zu sein schämte ich mich deswegen manchmal, wenn ich sie auf dem Schulhof sah, sie im Bus an mir vorbei liefen oder wenn ich sie beim einkaufen traf.

Und für was hatte ich sie sitzen lassen? Für diese Bande von verlogenen, oberflächlichen, intoleranten Arschlöchern. Applaus an mich. 

Als er mir nun zu versuchen erklärte, warum er sich geoutet hatte, obwohl er genau gewusst hatte was passiert, seufzte ich leise. Keine Ahnung wie er so viel Mut hatte aufbringen können, ich meine, was wäre denn gewesen, wäre ich genauso wie die anderen? Dann hätte er doch überhaupt keinen 'sicheren' Platz mehr gehabt und hätte immer Angst haben müssen, dass gleich etwas passierte. ''Mutig.'', gab ich nur zurück und lächelte leicht. Das war meine ehrliche Meinung dazu, denn es war tatsächlich verdammt mutig gewesen.

Ich selbst wusste bestimmt seit der 5. Klasse, dass ich auf Kerle stand und jetzt war ich in der 12. und hatte es immer noch für mich behalten. 
Mit seinem Satz, dass er mir etwas erzählen musste, riss er mich aus meinen Gedanken. Etwas skeptisch sah ich ihn an und lauschte seinen Worten über Kassy.

Sie hatte einen anderen? Keine Ahnung wieso, doch irgendwie erschütterte es mich schon ein wenig, selbst wenn ich sie nicht wirklich liebte. Mein Blick senkte sich, einerseits weil ich nicht wusste wie eine Hete reagieren würde und andererseits weil ich nicht wusste, warum sie das tat. Ich wollte mich nicht verraten indem ich falsch reagierte, aber das war gar nicht so leicht. Vermutlich wäre ich sauer, hätte ich einen Freund und dieser würde mich betrügen, doch ich war schlecht im schauspielern, weswegen ich es gar nicht erst versuchen würde.

''Bist du dir sicher?'', fragte ich schließlich und hob meinen Blick wieder. Ich meine, er konnte sich ja auch verguckt haben, oder? 

Louis
Als die Worte fielen, beobachtete ich meinen Stiefbruder genaustens, dem das anscheinend nicht heiß werden ließ. Ich dachte ja eigentlich, dass der Freund bei solchen Sachen immer ausrastet, aber wahrscheinlich war Noah eher der entspanntere Typ, der sich zumindest äußerlich so gab. Als er mich fragte, ob ich mir sicher sei, nickte ich ohne auch nur zu Zögern und blickte ihm ins Gesicht.

"Ganz sicher. Immerhin habe ich die beiden nicht nur einmal so rummachen gesehen. In der U-Bahn, in der Öffentlichkeit, im Supermarkt... das war echt widerlich, wie die sich abgeschleckt haben, aber ganz ehrlich. Vergiss die Trulla einfach... du kriegst schon noch jemand besseres ab und außerdem war die Olle sowieso nicht hübsch. Sie passt halt nicht so zu dir.", erklärte ich zum Schluss hin leicht grinsend und deckte meinen Rücken zu.
 
So auf dem Bauch zu liegen, war nicht gerade bequem und ausziehen sollte ich mich gleich sowieso, weil ich nicht in Klamotten schlafen wollte. "Ich brauch mal kurz...", nuschelte ich, griff nach seinen Schultern und zog mich hoch. "..deine Schultern, danke." Voller Schmerzen setzte ich mich auf, zog mir unter der Decke die Hose aus, woraufhin aber mein Shirt folgte, welche ich dann 'vorsichtig' auf den Boden warf.

Anschließend griff ich kurz zum Glas und trank dieses aus. Zischend legte ich mich wieder auf den Bauch und spannte vor Schmerz, meinen Kiefer an. "Es ist schon spät...", fing ich erneut an zu reden, weil er immer noch neben mir saß und betrachtete ihn wieder. Mein Bruder also, ja? Ich frage mich ernsthaft, wieso der lodernde Hass in mir erloschen war.

Auf einmal fand ich ihn ja sogar ganz nett, wenn ich mich da nicht täuschte. Seltsam war das ja schon, dass ich so plötzlich meine Meinung dazu geändert hatte.

Noah
Als er mir bestätigte, dass er sich zu so gut wie 100% sicher war, seufzte ich leise. Super, jetzt war ich meine Alibi-Freundin auch noch los. Perfekt. Das würde es mir sicher leichter machen, die anderen davon zu überzeugen, Louis in Ruhe zu lassen. Während er mir sagte, wo er sie schon überall gesehen hatte, fragte ich mich, wie ich das nie hatte bemerken können. Ich meine das muss ja ziemlich offensichtlich gewesen sein. Gott fühlte ich mich jetzt dumm.

''Sei nicht so gemein, sie ist hübsch.'', erwiederte ich schließlich und sah ihn an. Sie war hübsch, zumindest empfand ich das so, aber damit, dass sie nicht zu mir passte, hatte er Recht. Auch wenn es mir eigentlich scheiß egal war, würde ich wohl oder übel mit ihr reden müssen und wenn sie mir sagte, dass sie den anderen, wer auch immer es war, wirklich mochte, dann würde ich dem wohl nicht im Weg stehen, denn es wäre mehr als unfair sie bei mir zu halten, obwohl sie mit mir nie glücklich werden konnte. 

Als er sich an meiner Schulter hochzog, beobachtete ich ihn kurz, wendete meinen Blick dann jedoch auf meine Hände, da ich mir sicher war, dass meine Blicke jetzt wo er mich nicht mehr ignorierte, sonst ganz schön verräterisch wären. Auf seine Worte hin, stand ich sofort auf. ''Ja, na klar. Sorry. Schlaf gut.'', verabschiedete ich mich fast schon überstürzt. Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen, bevor ich mich umdrehte und zur Tür ging.

''Achso, ich kläre das noch, damit du morgen und übermorgen zu Hause bleiben kannst.'', versicherte ich, bevor ich schließlich sein Zimmer verließ und die Tür hinter mir zuzog. 
Mein Weg führte mich schließlich zu Ella und meinem Dad, welche unten im Wohnzimmer saßen und irgendeine Schnulze guckten. Angeekelt rollte ich mit den Augen und erklärte nach der Begrüßung, dass ich Louis vorhin aus Spaß sein Handy weg genommen hatte und er anschließend bei der Verfolgungsjagt die Treppe runtergestürzt war.

Sofort wurde ich mit besorgten Fragen überhäuft. ''Es geht ihm soweit gut, außer ein paar blauer Flecke und Prellungen, aber ich denke es wäre ganz gut, wenn er den Rest der Woche hier bleiben könnte. Er schläft jetzt.'', antwortete ich gekonnt und lächelte leicht. Sie kauften mir die Story ab, was das Ganze viel leichter machte. Ich wünschte schließlich auch ihnen eine gute Nacht und verschwand in meinem Zimmer um dort selbst zu schlafen. Morgen würde ich das mit Kassy klären. 

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