Ein Niemand
Louis
"Natürlich sind deine Haare schlimm. Kämm sie endlich mal durch.", forderte ich ihn schon fast lachend auf und erfuhr kurz darauf seinen Geburtstag. Der ist ja schon bald. Jedoch später als mein eigener..sonst wäre er ja 2 Jahre älter. "Ich hab am 9. Juli Geburtstag.", schmunzelte ich und streichte durch mein Haar.
Mir war klar, dass es bereits in weniger als zwei Monaten war und wir dann auch bereits Sommerferien hatten. Eine gute Sache hatte das Datum ja sowieso an sich; ich würde an meinem Geburtstag nicht verprügelt oder sonstiges werden.
Hätte ich in der Schulzeit, so wie Noah Geburtstag, dann würde ich mich freiwillig erhängen gehen. An meinem Geburtstag mit dem Kopf ins Klo gedrückt zu werden oder andere miese Taten - damit würde ich nie im Leben klar kommen und völlig den Verstand und jegliche Sinneszellen verlieren. Da könnte man mich dann auch in die Psychatrie schicken... aber noch ging das alles wohl noch. Vielleicht auch Dank Noah - wer weiß.
Ich seufzte, als er mich zu ignorieren schien, nachdem er sein Handy rausgeholt hatte, doch damit, dass er es mir überreichte, hätte ich nicht gedacht. Knapp las ich mir entsetzt die Nachrichten durch und schluckte schwer, biss auf meine Unterlippe und scroolte langsam runter. Fassungslos und kurz vorm Weinen, dass er das für mich getan hatte, spannte ich den Kiefer an und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
Er... hatte mich beschützt.. wieso? Wieso hilft er mir denn immer nur? Warum ist er so nett zu mir? Schon seit dem ersten Tage an...!
"Noah.. du bist zum Direktor gegangen? Und die wurden wegen des Videos suspendiert? U-und... du hast jetzt deswegen Stress und bekommst diese Drohungen? Oh man.. entschuldige. Es ist alles mal wieder meine Schuld. Es tut mir so unheimlich Leid.", merkte ich verzweifelt über die Lage an und ließ den Kopf nach unten hängen, blickte auf die Naht meiner Hose.
"Es... ist echt toll von dir - keine Frage -, aber... wieso? Ich meine es sind doch deine 'Freunde'?! Außerdem kanntest du die Konsequenzen. Wenn du so weitermachst, landest du bei mir. Das willst du doch nicht.. das weiß ich selber. Ich bin ein niemand und du sollst dich nicht mit mir abgeben."
Ich sollte mir lieber etwas einfallen lassen, damit sie nicht ihn, sondern mich verprügelten. Das war doch deutlich normaler als ihn verprügeln zu lassen. Ich wollte nicht, dass auch er so übel zugerichtet wurde wie ich. Noah hatte das nicht verdient und ich wollte einfach nicht, dass ihm das gleiche widerfährt wie mir.
"Jetzt wollen die auch noch, solche Leute wie dich... aber du hast doch nichts getan. Du bist normal... du bist nicht wie ich. Wieso nur?", fragte ich ihn verzweifelt und schüttelte meinen Kopf und merkte, wie mir eine Träne hinab kullerte. "Das ist doch einfach nur nicht fair. Wieso gibt es bloß solche Arschlöcher?".
Ich hatte Noah den ganzen Salat eingebrockt - jetzt musste ich das Ganze doch wieder ausbaden. Noah wird nicht verprügelt werden.. dafür sorge ich schon noch und da fiel mir auch schon eine Idee ein, welche mich leicht zum Lächeln brachte. Ja... so würde ich mich für ihn opfern. Das war einfach und so würde Noah nicht verletzt werden. Er würde noch nicht mal ein Kratzer dafür abbekommen. Das war ich ihm nach allem schuldig. Es würde mich wohl noch viel mehr verletzen, wenn er mit blauen Flecken und alldem nach Hause kehrte. Bei diesem Gedanken zog sich mein Herz zusammen.
Noah
Er hatte also am 9. Juli -merks dir Noah. Es war gar nicht mehr so lange hin, weswegen ich mir wohl oder übel recht schnell ein Geschenk einfallen lassen müsste. Nach einigen Sekunden, die er mein Handy bereits in der Hand hatte, sah ich dann doch zu ihm rüber und presste meine Lippen aufeinander. Man sah mehrere Emotionen gleichzeitig in seinem Gesicht, welche sich aber alle mehr oder weniger miteinander vermischten.
Überraschung, Fassungslosigkeit, Dankbarkeit. Angst. Auf seine Feststellung hin, nickte ich nur leicht. ''Nein, das ist nicht deine Schuld. Red dir sowas gar nicht erst ein.'', fuhr ich ihm sofort dazwischen. Er sollte gar nicht erst denken, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte, denn so war es ganz sicher nicht. Es war schließlich meine Entscheidung gewesen, die ich wegen der anderen hatte treffen müssen, also war es ihre Schuld, nicht seine.
''Ja, sie sind meine 'Freunde'.'', antwortete ich zuerst und setzte das Wort Freunde, mit Hilfe meiner Hände in Gänsefüßchen. ''Das was sie machen geht einfach zu weit. Ich lebe lieber mit den Konsequenzen, als mein Leben lang ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich nichts gemacht habe. Würdest du doch auch nicht anders machen, oder? Und zudem lande ich lieber bei dir, als irgendwann wirklich so zu werden wie die. Du bist auch ganz bestimmt kein niemand, so ein Blödsinn!'', antwortete ich schließlich ehrlich.
Meine Entscheidung, also musste auch ich die Konsequenzen tragen. Sie waren sowieso unausweichlich. Er konnte ihre Reaktion nicht verstehen, ich hingegen schon. Die Stipendien wären für sie wichtig gewesen, wirklich wichtig und ich hatte sie ihnen verbaut. Im Prinzip passierte das zu Recht, denn das war irgendwo auch echt scheiße von mir. Allerdings hätte ich mir das auch nicht weiter so angucken können.
Als Louis leicht zu lächeln begann, zog ich eine Augenbraue hoch. ''Was? Was ist? Woran denkst du? Das gefällt mir nicht!'', protestierte ich und sah ihn noch immer mit gehobener Braue an. Was hatte er jetzt wieder vor? Wieder zwickte ich ihm in die Seite. ''Sag schon, was hast du vor!''
Louis
Natürlich war das alles meine Schuld! Ich hätte auf ihn hören sollen, als er mich für drei Tagen alleine in der Schule gelassen hatte... da hätte ich mich besser verstecken sollen oder diese Arschlöcher verprügeln können, wenn man mich dafür nicht suspendieren würde.
Da ich mich jedoch nicht im Griff haben würde und die bewusstlos geschlagen hätte, ließ ich es lieber ganz sein und ließ mich verprügeln, ohne mich dabei zu wehren, obwohl ich es sicher gekonnt hätte. Seit dem einen male, hatte ich mir fest vorgenommen, meine Aggressivität fest im Zaun zu behalten, denn eigentlich hasste ich Gewalt. Ich wollte keinen verprügeln - Gewalt war doch noch nie die Lösung für Probleme gewesen.
"Natürlich würde ich nicht anders handeln.", antwortete ich ihm ehrlich ohne auch nur darüber nachzudenken, da es selbstverständlich für mich war.
Dennoch blieb ich bei meinem Plan für morgen und würde Noah auch gar nicht mehr aus den Augen lassen. Als dieser mich fragte, woran ich dachte, schüttelte ich meinen Kopf und sah ihn lächelnd an.
"Ach nichts.", entgegnete ich ihm und nahm grinsend seine Hände in meine. "Zwick mich nicht ständig. Ich mag das nicht so." Damit ließ ich sie wieder los, in der Hoffnung, dass er damit aufhören würde. "Heute ist Sonntag.. hast du heute schon was geplant oder.. wollen wir chillen? Ähm.. einfach nur zocken oder so.", schlug ich ihm vor und lenkte ihn von der Fragen ab.
Immerhin wollte ich ihm nicht sagen, dass ich mich freiwillig verprügeln ließ, in der Bitte, dass sie ihm nicht wehtaten. Grinsend rubbelte ich über das Cap und streckte ihm die Zunge aus.
"Na komm! Du und ich spielen gegeneinander. Ich werde dich bei allen Spielen vernichtend schlagen", provozierte ich diesen und lachte herzlichst. Offenbar gefiel ihm meine Capy.. sonst hätte er sie auch nicht anbehalten. Dieser Gedanke brachte mich leicht zum Schmunzeln. Irgendwie war er niedlich. Ich weiß auch nicht, wieso.
Noah
Klar, er dachte sicher an nichts. Es gefiel mir nicht, dass er irgendetwas auszubrüten schien und ich nicht wusste was er vor hatte. Jedoch konnte ich vermutlich fragen wie ich wollte, er würde es mir sowieso nicht sagen... Und er würde schon nichts dummes tun, richtig? Nichts unüberlegtes.
Als er meine Hände schnappte, sah ich kurz auf diese und grinste ihn an. Niemand mochte es in die Seite gezwickt zu werden, und doch hatten manche Leute es ab und an verdient. Dennoch nahm ich vorerst meine Hände wieder zu mir und hörte ihm aufmerksam zu.
Hätte ich etwas geplant, hätte er das sicher schon mitbekommen. Mit wem sollte ich auch etwas geplant haben? Schließlich hatte ich 'meinen Freunden' am Freitag den Laufpass gegeben um ihm seinen Schulaltag etwas zu erleichtern und bei den Leuten, welche ich für das Football-Team hatte sitzen lassen, musste ich jetzt auch nicht mehr ankommen. Was allerdings nicht bedeuten sollte, das ich nicht gern etwas mit Louis machte. Ich mochte ihn, er war lustig und so..!
Es gab also deutlich, deutlich, deutlich unangenehmere Menschen mit denen man seine Zeit verbringen konnte. Vermutlich würde ich sogar Louis, 'meinen Freunden' vorziehen, wären sie noch 'meine Freunde'. Nicht vermutlich, ich würde ihn vorziehen. Erstens war er nicht so oberflächlich, zweitens interessierte er sich tatsächlich dafür wie es mir ging und drittens wusste ich, dass er mich verstand, auch wenn er überhaupt nicht wusste, dass ich ebenfalls auf Kerle stand.
Ich fragte mich, was er wohl machen würde, wenn er es wüsste. Wahrscheinlich wäre er erst einmal sauer, weil ich es ihm nicht sofort erzählt und mich nicht geoutet hatte. Und dann? Würde er mich dann dafür hassen, dass ich es so lange verheimlicht hatte?
Urplötzlich wurde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen, als er mir über sein nach Schokolade durftendes Cap rubbelte. Ja, es roch genau wie er nach seinem Shampoo. ''Oh, das hättest du nicht behauptet, wenn du wüsstest wie gut ich bin! Du darfst aber nicht weinen, wenn du verlierst.'', gab ich ihm breit grinsend zu bedenken.
Im Gegenzug hatte ich allerdings auch keine Ahnung wie er spielte, ich wusste nur, dass ich nicht wirklich schlecht war, aber auch kein Profi. Es kam ganz auf das Spiel an. Außerdem wollte ich ihm auch mal zeigen, dass ich was drauf hatte. Ich wollte, dass er mich auch bewunderte, so wie ich es bei ihm tat.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top