Brüder

Louis
Ich seufzte nur, als ich mir das alles anhören musste. Solche Leute mochte ich eigentlich so gar nicht! "Du bist ein scheiß Mitläufer.. und oberflächlich..", murmelte ich, meinte es aber gar nicht böse gemeint, legte meinen Kopf auf den Tisch, nachdem ich mein Teller weggestellt habe und musterte ihn erneut seufzend. 

Das mit dem Footballteam konnte ich ja nachvollziehen, aber ansonsten nicht wirklich. Fakt war aber, dass er die Leute ebenfalls nicht gerade mochte, aber trotzdem mit diesen abhing. Hatte er denn nie richtige Freunde gehabt? Ich meine.. was wäre denn so schlimm gewesen, wäre er nicht so 'beliebt' und das alles? Man mobbte ihn doch nicht wegen seines schwulen Bruders, oder? Das wäre absurd. Wieso konnte der Direktor denn nichts gegen solche Leute tun?! Würde er sehen, was die mit mir angetan haben, würde er die doch sicher suspendieren lassen! Oder direkt von der Schule schmeißen und das wäre mir mehr als nur Recht. Definitiv.

"D..danke.. und nein, dann lass das doch lieber sein.", machte ich ihm klar und lächelte. "Ich mag diese Küche und wegen so einem Trottel wie dir, will ich sie nicht abfackeln lassen." Erneut streckte ich meine Zunge provokant raus und lachte laut.

"Fang mich doch!", spaßte ich herum und rannte hoch in mein Zimmer  - dicht gefolgt von meinem Bruder, welcher mich sanft aufs Bett schubst und mich leider doch erwischt hatte. 

Ich lachte leise, drehte mich um und blickte in seine hellen Augen. Jetzt wo man sie so vom nahen betrachten konnte, waren sie recht hübsch. Davor hatte ich das noch nicht richtig getan. "Kannst du bitte runter von mir? Mir tut noch alles weh.", nuschelte ich und atmete tief durch. Was für ein Marathonsprint! Dankbar nahm ich seine Hand an, nachdem er sich erhoben hatte und setzte mich ebenfalls auf. Jetzt wollte ich erstmal duschen gehen. 

Auf einmal spürte ich etwas unter meiner Hand und blickte zur Seite. "Oh man... mein Handy.. meine Kopfhörer.. danke, Noah!"

Noah
Bei seinen Worten hob ich eine Augenbraue. Das war nicht gerade nett, aber wo er Recht hatte, hatte er Recht. Zugeben würde ich das jetzt nicht, doch ich wusste ja, dass es nicht anders war. Wäre ich kein 'scheiß Mitläufer' wäre ich wie er. Der zweite öffentlich schwule Junge der Schule, der dann zusammen mit seinem Stiefbruder in die Mülltonne gesteckt werden würde. Super Vorstellung. Da war ich doch lieber noch eine Zeit lang ein scheiß Mitläufer.

''Weise Entscheidung, ab jetzt darfst du kochen!'', antwortete ich grinsend und sah ihn im nächsten Moment schon rennen. Na warte! Unachtsam sprang ich vom Stuhl auf und jagte ihm hinterher, was mir durchs Football nicht wirklich schwer fiel. Kurz vor seinem Bett hatte ich ihn schließlich eingeholt und schubste ihn sanft auf dieses, bevor ich Trottel über meine eigenen Füße stolperte und über ihm landete. Mit einem Grinsen auf den Lippen, musterte ich sein Gesicht, nachdem er sich zu mir umgedreht hatte. Wäre das hier eine Liebesschnulze, würde ich ihn jetzt vermutlich küssen, doch leider war es nicht so. Also nicht das ich ihn liebte, aber es fühlte sich so an, als wäre es gerade einfach passend. 

''Oh Gott, ja. Sorry.'' entschuldigte ich mich und kletterte von ihm runter. Stattdessen setzte ich mich ans Bettende und sah ihn grinsend an. Erst jetzt schien er die Sachen zu entdecken, welche ich ihm wieder mitgebracht hatte. Unbeschädigt, was selbst mich überrascht hatte. Auf jeden Fall schien die Überraschung gelungen zu sein. Er musste ja nicht wissen, dass ich mir im Prinzip nur deswegen eine eingefangen hatte. Naja, ansonsten hätte ich die Faust vermutlich morgen früh zuspüren bekommen.

''Hattest du gedacht, dass ich denen dein Handy einfach so überlasse?'', fragte ich grinsend ohne meinen Blick von ihm abzuwenden.

Louis
Mein Herz pochte wie wild und ich wusste nicht ganz, zu welchem Gefühl ich dies einordnen konnte. Ach egal. Liebevoll strich ich über mein Display und schaltete es an. Kaum zu fassen, dass er es unversehrt zurückbekommen hatte. Wie konnte ich mich dafür nur bei ihm bedanken?
Schüchtern wandt ich mich zu ihm und zuckte mit den Schultern. "Eher nicht, oder?!" Oh man.. er hat mir einfach mal mein Handy zurückgebracht.

Ich war ja so unglaublich erleichtert. Kurz blickte ich zu meiner Musik, die noch da zu sein schien und auch meine 5 Bilder waren noch da. Dazu auch das Bild, wo ich im Auto an seiner Schulter geschlafen habe, woraufhin ich jetzt losprustete. "Hahahahaha,... oh Gott! Da seh ich ja echt bescheuert aus.. und dein Gesichtsausdruck...".
Nachdem ich mich erholt hatte, stellte ich mein Handy an die Seite und blickte ihn wieder an. 

"Tut mir Leid, dass... ich anfangs nicht so.. nett gewesen bin. Ich hab dich wohl wie die letzte Scheiße auf Erden behandelt.", entschuldigte ich mich bei ihm und räusperte mich kurz. Es war ja tatsächlich so gewesen, dass ich ihn schon am allerersten Tag für bescheuert erklärte, da er und sein Vater meine Familie Zugrunde gehen ließen. Ich hatte bange darum, dass meine Mom sich nie wieder mehr an meinen Vater erinnern würde, wenn sie jemand anderen fand.

Apropos Vater: bald war wieder sein Todestag und da wollte ich ihm einen jährlichen Besuch abstatten. 
Diese Gedanken stimmten mich traurig, weshalb ich nun aufstand, mich zum Kleiderschrank begab und mir das übliche über den Arm warf. Zuletzt kramte ich noch eine Boxer heraus und drehte mich zu Noah.

"Uhm.. ich bin kurz duschen, weil ich Angst habe, dass ich nach Kartoffelpuffer dufte.", erklärte ich teilweise und ging dann wirklich ins Bad, zog mich aus und duschte warm. Haaaach tat das gut... auch wenn es schon noch überall schmerzte und ich richtig übel zugerichtet aussah, als ich mich eben noch im Spiegel ansah.
Ich ähnelte einem Dalmatiner mit all den Flecken und vor allem sahen meine Knie mehr als nur lila aus. Deswegen ähnelte ich womöglich einem Zombie mehr, als einem Hund.

Nach der Dusche, trocknete ich mich ab und föhnte kurz meine Haare, da ich es nicht mochte, mich mit nassen Haaren in mein Kissen zu schmiegen. Als ich fertig war, kehrte ich angezogen in mein Zimmer zurück... ob er noch auf mich wartete?!

Noah
Man konnte ihm förmlich ansehen, wie erleichtert er darüber war sein Heiligtum wieder in den Händen zu halten. Lächelnd sah ich ihm dabei zu, wie er irgendwas auf seinem Handy checkte und schließlich laut loslachte. Zunächst war ich etwas irritiert, bis ich wusste, weswegen er so gelacht hatte. Auch ich begann nun zu lachen. Das Foto sah wirklich mehr als bescheuert aus, da stimmte ich ihm zu und es würde mich gar nicht wundern, wenn unsere Eltern es sich irgendwann groß ins Wohnzimmer hängen würden. Dann würden wir es jeden Tag sehen dürfen, super hm?!

Als ich seine entschuldigenden Worte vernahm, verwandelte sich das breite Grinsen in ein Lächeln. ''Passt schon, ehrlich.'' Vergessen und vergeben. Ihn traf es in der Schule viel schlimmer als mich und ich wusste, dass ich dagegen etwas tun sollte. Irgendwas. Nur was? Mir fiel nur eine Sache ein, die irgendwie klappen könnte, mir aber vermutlich die Prügel meines Lebens einbringen würde. Das müsste ich mir noch überlegen.

Mein Blick folgte ihm, als er aufstand und zu seinem Schrank lief mit der Ankündigung duschen zu gehen. ''Wäre doch aber gar nicht so schlecht.'', gab ich grinsend zurück. Kartoffelpuffer rochen immerhin ziemlich gut. Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, überlegte ich in mein eigenes zu gehen, entschied mich aber letztendlich dagegen. Er würde ja nicht ewig brauchen oder? 
Statt zu gehen, ließ ich mich einfach auf sein Bett kippen und machte nach einigen Minuten, in welchen ich dem Geräusch der Dusche gelauscht hatte, meine Augen zu. Ich würde ja wohl kaum einschla~

Doch noch während dieses Gedanken sank ich in einen recht tiefen Schlaf, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war. Es dauerte normalerweise Stunden bis ich einschlief, nicht Sekunden. Und doch hatte irgendwas in diesem Zimmer meinen Einschlafprozess um einiges beschleunigt.

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