Kapitel 52 (She)
Das Lied bitte erst anschalten, wenn ich es sage, okay? ^^
Wenn es nicht funktioniert sucht es selbst auf Youtube:
Barcelona - Please Don't Go c:
Nach der Konfrontation in der Raucherecke war ich noch tausendmal mehr hin- und her gerissen als vorher. Beide klangen so überzeugend in ihren Aussagen. Was sollte ich glauben? Meine Oma hätte mir jetzt wahrscheinlich gesagt, ich solle auf mein Herz hören. Nur leider war mein Herz genauso verwirrt wie mein restlicher Körper. Ich wusste nicht weiter.
Nach der Schule wurde ich von Dad abgeholt und fuhr mit ihm zu seiner Neuen. Er meinte, sie müssten mir etwas mitteilen. Ich war noch immer total durch den Wind wegen der Sache mit Luke, dass ich darüber nicht weiter nachdachte. Zudem war ich froh, dass ich dadurch nicht zur Selbsthilfegruppe und erneut vor Luke treten musste.
Erst als ich vor Rebecca war, die auf einem Stuhl saß und die Hände im Schoß gefaltet hatte, während Dad hinter ihr stand und ihr beruhigend über die Schulter strich, bekam ich es mit der Angst zutun. "Wir müssen dir etwas mitteilen Schätzchen. Ich weiß nicht, wie du es auffassen sollst oder wie ich anfangen soll, deswegen sage ich es jetzt einfach." Er schaute mit einem verliebten Lächeln auf seine Neue hinunter und atmete tief durch. "Becca ist schwanger. Du wirst bald eine große Schwester sein."
Wenn ich ein Glas in der Hand gehabt hätte, läge es jetzt wahrscheinlich in Scherben auf dem Boden. Ich musste aufpassen, dass mir nicht der Mund offen stehen blieb. Dad hatte sie geschwängert?! Ich wurde Schwester? So schnell?
"Ich kann verstehen, wenn dir das alles zu schnell geht. Wir waren selber anfangs überfordert mit der Situation", begann die Neue, aber ich unterbrach sie. "Wie lange wisst ihr es?"
Dad seufzte. "Schon länger. Um genau zu sein, schon bevor du das erste Mal hier warst. Wir wollten nur erst einmal sehen, wie du mit der kompletten Situation klar kommst. Und wie du dich mit Becca verstehst. Ich wollte nur nicht, dass du dich verletzt fühlst." Ich schluckte. Das musste ich erst einmal verarbeiten. "Nehmt es mir bitte nicht übel aber... Ich wäre jetzt wirklich gern allein." Ich sah mit einem schwachen Lächeln zu Dad. "Könntest du mich zum Park fahren?" Er nickte verständnisvoll. "Natürlich. Lass dir so viel Zeit, wie du willst." "Ich bin mir sicher, dass du eine tolle große Schwester wärst", fügte Becca lächelnd hinzu.
Ich winkte ihr kurz zum Abschied und stieg dann bei Dad im Auto ein.
Aus Angst, dass Luke auftauchen könnte, saß ich auf einer Bank am anderen Ende des Parks. Dort, wo gelegentlich die "Assi-Fraktion" abhing.
Ich war eigentlich nicht wirklich der Mensch für große Vorurteile, aber diese bestimmte Gruppe von Leuten konnte man gar nicht anders als "Assi" bezeichnen. Aber darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen.
Zumindest war es nicht die beste Idee gewesen, dort zu sitzen. Während ich meinen Gedanken nachhing, kam ein großer, schlaksiger Typ, vielleicht 19, auf mich zu. Er hatte fettige, nach hinten gegelte Haare, die wohl mal dunkelblau gewesen waren. Seine Augenbraue zierte ein Piercing, seine Klamotten waren abgewetzt und sahen aus, als hätte er seit Jahren nichts anderes mehr getragen. Die Füße steckten in übergroßen, schwarzen Stiefeln. Und er stank nach billigem Parfüm.
Ich wollte aufstehen und so schnell wie möglich verschwinden, als ich ihn vor mir sah, doch da packte er mich an der Schulter und drückte mich zurück auf die Bank, während er sich neben mich setzte. "Schön sitzen bleiben Süße", lachte er dabei. Er hatte ein dreckiges Lachen und Zigarettengestank kam aus seinem Mund, sodass ich mir ein Würgen unterdrücken musste. "Warum allein hier? Brauchst'n bisschen Ablenkung?" Er wackelte mit seinen gepiercten Augenbrauen. Ich verzog angeekelt das Gesicht und versuchte, ihn von mir zu drücken. "Nein danke. Ich verzichte."
"Nicht so ablehnend, meine Liebe. Wir wollen doch nicht, dass etwas passiert." Er nahm die Hand von meiner Schulter und strich mit seinen widerlichen Fingern langsam mein Bein entlang. Erneut versuchte ich ihn wegzudrücken, doch wieder wurde ich von ihm festgehalten. Er kam mir ganz nah und hauchte in mein Ohr. "Nur du und ich Baby. Was würdest du davon halten, hm?" Er kam mit seiner Hand gefährlich nah an meine Oberweite, als ich kurzerhand ausholte und ihm eine knallte. Plötzlich schien er einen Sinneswandel zu durchleben und funkelte mich boshaft an. "Ach so ist das also? Ich wollte eigentlich nett bleiben, aber du hast es ja nicht anders gewollt!" Er schlug zurück, nur halt mit der Kraft eines Mannes. Immer wieder schlug er zu. Ich bettelte ihn an aufzuhören, doch er ignorierte mich. Ich versuchte mich so klein wie möglich zu machen und rollte mich wimmernd auf der Bank zu einer Kugel zusammen, als der Punk plötzlich von mir weggerissen und angeschrien wurde. "Finger weg und komm ja nicht wieder!!", schrie ihm jemand hinterher, als er taumelnd abzog. Ich richtete mich vorsichtig auf, um meinen Retter zu sehen. Doch als ich erkannte, wer es war, wünschte ich mir lieber den stinkenden Penner zurück.
Hier bitte das Lied anmachen :)
"Hallo Melody-Schätzchen, lange nicht gesehen, was?" Er lachte und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor er, genau wie der Typ vor ihm, neben mir Platz nahm.
"J-Jack?", stammelte ich fassungslos. Wieso zur Hölle tauchte er hier auf?
"Genau der. Hast du mich vermisst?" Er lächelte schief und legte seine große, muskulöse Hand auf meine. Mein ganzer Körper wurde von einer Gänsehaut durchzogen. Aber nicht weil mir die Berührung besonders gefiel, sondern weil Erinnerungen und Ängste von damals in mir aufkamen. Bilder blitzten vor meinem inneren Auge auf. Bilder, wie ich nackt in seinem Zimmer stand. Bilder, wie er mich anfasste. Bilder von seinem Grinsen.
Alles brach auf einmal auf mich ein und seine ruhige Stimme neben mir machte das Ganze nur noch schlimmer.
"Weißt du, ich habe oft an damals gedacht." Er fuhr mit dem Zeigefinger meine Armbeuge hinauf. "Ich finde, es wird Zeit das wir das wiederholen. Ich hätte am Wochenende nichts vor. Was hältst du davon? Nur du und ich. Genau wie du es dir damals immer gewünscht hast." Er fuhr weiter über meine Schultern und war schließlich bei meinem Kinn angekommen. So nah war mir bis jetzt nur Luke gekommen.
"Es muss auch niemand davon erfahren." Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich spürte, wie meine Hände schwitzig wurden. Mein ganzer Körper zitterte und mein Atmen bebte. Mir wurde heiß und kalt. Die Situation warf mich vollkommen aus der Bahn. So sehr wurde ich noch nie mit der Vergangenheit konfrontiert. "Überlege es dir gut Melody. Das ist ein Angebot, das du so nie wieder bekommst." Jack beugte sich ein ganz kleines Stück vor und drückte mir einen leichten Kuss auf die Lippen. Dann stand er auf und ging mit einem Lächeln davon. "Ich werde auf dich warten Melody!"
Als ich zu Hause ankam, war ich ein nervliches Wrack. Zudem hatte ich auch noch keinen Schüssel, also musste ich den nehmen, den Mum für Notfälle im Blumenkasten versteckt hielt.
Zitternd taumelte ich durch den Flur und die Treppen nach oben.
Meine Mutter war nicht da, sie ging seit Montag wieder arbeiten. Den restlichen Weg in mein Zimmer stolperte ich fast nur. Ich lehnte mich gegen meinen Schrank und versuchte, mich innerlich zu beruhigen.
1..2..3..
Dann griff ich hinein und zog die kleine Schachtel hervor. Ich lehnte mich erneut gegen die Schranktür und brach schließlich weinend zusammen. Ich schluchzte so sehr wie noch nie. Ich hatte keine Kraft mehr. Die Begegnung mit Jack hatte mich endgültig niedergeschmettert. Ich wusste nicht mehr weiter. Ich war am Tiefpunkt angelangt und hatte niemanden mehr, der mir da raushelfen konnte.
Gott, ich war so dumm.
In dem Moment brauchte ich Luke mehr als alles andere, aber ich hatte ihn mit meiner dummen Eifersucht vertrieben. Wie konnte ich nur so dumm sein und glauben, er würde mich betrügen? Das Schlimmste war, selbst jetzt war noch ein kleiner Teil in mir überzeugt davon.
In den letzten Tagen war alles nur noch bergab gegangen. Dad war gegangen und hat Mum und mich im Stich gelassen. Die Schuldgefühle wegen Marrys Tod fraßen mich innerlich auf. Ich hatte mir meine Beziehung zu dem wichtigsten Menschen in meinem Leben zerstört. Und Jack war wieder da und warf mich zurück in die Vergangenheit.
Ich schnitt. Für jeden Schmerz, den ich täglich erlitt, ein Schnitt.
Mum. Schnitt.
Dad. Schnitt.
Marry. Schnitt.
Luke. Schnitt.
Jack. Schnitt.
Ich selbst. Schnitt.
Ich hatte meine Augen die ganze Zeit fest geschlossen, während ununterbrochen Tränen aus meinen Augen kamen. Immer wieder drückte ich die Klinge in meine Haut und zog sie über meinen Arm.
Ich war erbärmlich. Schnitt.
Ich war krank. Schnitt.
Ich bin nicht mehr als eine Last. Schnitt.
Ich wollte das alles nicht mehr. Schnitt
Ich brauchte Hilfe. Schnitt
Ich öffnete meine Augen und als ich sah, was ich angerichtet hatte, traf mich mit Ensetzen der Schlag. Mein Arm, meine Kleidung, der Boden, alles war durchtränkt von Blut. Ich strich mehrmals über meinen Arm, um das Blut wegzuwischen und die Schnitte zu sehen. Sie waren tiefer als sonst. Um einiges tiefer.
Als mir das erste Mal schwarz vor Augen wurde, bekam ich Panik.
War es das, was ich wollte?
Wollte ich wirklich sterben?
In die Luft gehen, wie eine Bombe und die Menschen um mich herum damit zerstören?
Nein! Ich wollte glücklich werden! Ich wollte mit Luke kuschelnd am Strand liegen und Zukunftspläne schmieden. Ich wollte mit Emy im Kino über Logan Lerman fangirlen, Ich wollte Adam mit allen möglichen Lebensmitteln bewerfen. Das durfte noch nicht das Ende sein! Ich wollte mein kleines Geschwisterchen im Arm halten und ihm beim Aufwachsen zusehen. Ich wollte mit meiner Mutter endlich Frieden schließen. Flora abhaken. Jack vergessen. Alles Schlechte hinter mir lassen.
Ich wollte einen Neuanfang starten. Ich wollte nicht sterben. Nicht so. Nicht, wenn mein ganzes Leben noch vor mir lag.
Mir wurde schwindelig. Ich sah schwarze Flecken. Ich wäre fast umgekippt.
Verzweifelt starrte ich auf meine Arme. Ich musste irgendwie die verdammte Blutung stoppen! Ich hielt mich am Schrank fest und wollte aufstehen, brach jedoch sofort wieder zusammen. Als ich wieder saß, fielen meine Augen zu. Sofort riss ich sie wieder auf.
Ich.Darf,Nicht.Nachgeben!
Panisch suchte ich nach meinem Handy, was gar nicht so leicht war, da meine Sicht durch die Tränen vollkommen verschwommen war. Ich zitterte so stark wie noch nie. Endlich fand ich es.
Wieder wurde mir schwindelig und ich musste mehrmals blinzeln. Bleib wach. Bleib wach. Du musst wach bleiben! Sagte ich immer wieder zu mir selbst.
Schwach tippte ich Adams Nummer an und begann zu tippen.
Hilfe
Dann verlor ich endgültig das Bewusstsein.
***************
Adam saß mit einer Tüte Chips auf der Couch, sah sich eine Serie an und telefonierte mit Sam. "Ja klar steht das mit nächstem Wochenende noch... Ja, ich kann es auch kaum erwarten... Ich vermisse dich. Wir reden später, okay? .. Ich liebe dich auch." Lächelnd legte er das Telefon zur Seite. Er verspürte einen gewissen Druck auf der Blase und stand auf. Die Tüte legte er auf dem Couchtisch ab, bevor er Richtung Badezimmer ging. Nachdem er sein Geschäft erledigt hatte, kam er zurück ins Wohnzimmmer und warf einen kurzen Blick auf sein schwarzes Smartphone. "Eine Nachricht von Melody?", fragte er verwundert und öffnete Whatsapp. Er tippte auf den Chat mit ihr und las die Nachricht.
Hilfe
Zuerst verstand Adam nicht ganz, was seine beste Freundin damit meinte und wollte es schon als Scherz abstempeln, als ihm etwas einfiel. Sofort rief er resigniert bei Luke an.
"Verdammt.. geh ran", fluchte er nach dem dritten Piepen. Endlich nahm Luke ab. "Hallo?"
"Hast du dich mit Melody wieder vertragen?", fragte Adam sofort. Luke klang niedergeschlagen, als er antwortete: "Nein, nicht wirklich. Warum?"
Adams Augen weiteten sich vor Schreck und wieder fluchte er. "Scheiße... Luke wir müssen sofort zu Melody! Ich bin in einer Minute bei dir." Bevor dieser etwas erwidern konnte, hatte Adam bereits aufgelegt und war nach draußen zu seinem Auto geflitzt. Adam nannte es immer liebevoll seine "Schrottkarre", aber immerhin hatte es Räder und fuhr. Und das war im Moment das Wichtigste.
Nicht viel Zeit verging, da war er auch schon bei Lukes Wohnung angekommen. Er wartete schon draußen und stieg sofort ein, als Adam hielt.
Während er auf die Gaspedale drückte, fragte Luke noch immer ganz verwirrt: "Was soll das Ganze? Magst du mich vielleicht einweihen?"
"Melody hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben, in der nicht mehr als 'Hilfe' gestanden hat. Ich hab eine böse Vorahnung Luke." Er fuhr eigentlich viel zu schnell und übersah "ausversehen" eine rote Ampel. Luke sagte nichts mehr. Er saß einfach nur still da und schien mit sich selbst zu kämpfen.
Endlich hatten sie Melodys Haus erreicht. Die beiden Jungs stiegen aus und klingelten unnötigerweise. "Lass mich das machen", sagte Adam und funmelte am Schloss herum. "Du willst doch nicht ernsthaft hier einbrechen, oder?", fragte Luke entsetzt. Adam schmunzelte nur und stieß die Tür auf. "Habe ich das jemals gesagt?" Er hielt einen Schüssel hoch. "Den hat sie bei mir vergessen. Luke nickte nur und stürmte zusamen mit Adam die Treppen in den 2. Stock hinauf.
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