Kapitel 4 (He)

2 Wochen später

"Ich habe langsam die Nase voll, Luke."

Ich saß in der Küche, ein Wasserglas und eine Kopfschmerztablette vor mir. Meine Schwester stand, die Arme vor der Brust verschränkt, an die Küchentheke gelehnt und schüttelte nur verzweifelt den Kopf. Ich wusste wirklich nicht, wo ihr Problem lag.
"Du bist kurz vor deinem Abschluss. Du kannst nicht jeden Abend bis sonst wann weg sein und dich einen Scheiß um dich selbst kümmern! Es geht hier um deine Zukunft! Ist dir das eigentlich bewusst?" Ich antwortete nicht, sondern nahm einfach meine Tablette.
"Hörst du mir überhaupt zu? Luke, ich rede mit dir! Ich kann auch das Jugendamt dazuholen, wenn du das willst! Dann kommst du zu völlig fremden Leuten oder die stecken dich in die Klapse, weil du dich nicht im Griff hast! Oder du gehst zu Dad."
Ohne ein Wort zu verlieren stand ich auf und verließ die Küche. Ich hatte keine Lust mit ihr zu diskutieren und sie wusste ganz genau, dass ich das Thema nicht besprechen wollte. Bevor ich die Tür schließen konnte, sagte Lucy noch: "Ich mache mir nur Sorgen um meinen kleinen Bruder. Es tut weh, dich so zu sehen. Bitte reiß dich zusammen. Sonst schick ich dich wirklich noch zu jemanden professionellen, der sich mit sowas auskennt." Dann schloss ich die Tür und verließ kurzerhand die Wohnung.

Ich meinte es ja eigentlich nicht böse und ich wollte erst recht nicht, dass sie sich Sorgen machte. Nur, war ich halt nun mal so. Ich war noch nie gut darin gewesen, mit jemanden über mich oder meine Probleme zu reden und um ehrlich zu sein, wollte ich das auch gar nicht.

Ich wusste nicht, wo ich hinsollte also ging ich in den Park. Dort war ich immer, wenn ich Zeit für mich brauchte. Ich setzte mich auf eine Bank und zündete mir eine Zigarette an. Lucy beschwerte sich immer, wenn ich das tat. Sie meinte, es sei schlecht für mich, aber das war mir egal. War es halt schlecht für mich.

So saß ich eine Weile rauchend im Park, als plötzlich mein Handy vibrierte. Ich holte es aus meiner Hosentasche und wischte über das Display. Ryan rief an. "Ja, was gibt's?", meldete ich mich.
"Lust spontan vorbeizukommen? Ich hab hier 'n Sixpack aber allein trinken macht nur halb so viel Spaß. Also was sagst du?"
Ich wusste nicht so recht. Ich hatte keine Lust auf noch mehr Stress mit Lucy, aber andererseits war Ablenkung jetzt gut. "Ja okay, ich komm rüber. Bin gleich da", stimmte ich schließlich zu. "Okay, dann bis dann", verabschiedete er sich und legte auf. Ich zog ein letztes Mal an der Zigarette und trat sie dann aus.

Bei Ryan angekommen klingelte ich. Seine Eltern waren zurzeit auf Geschäftsreise, sodass er das Haus für sich hatte und es jederzeit für Party bereit war. Einen Moment später ging die Tür schon auf. "Komm rein", begrüßte er mich und ich betrat das Haus, was eher schon eine Villa war. Ryans Eltern hatten ziemlich viel Geld und somit auch eine riesige Hütte. Wir gingen in sein Zimmer, wo er beretits alles bereitstehen hatte. Ich ließ mich in einen der Sitzsäcke vor dem Fernseher fallen und Ryan tat es mir gleich. Er öffnete zwei Flaschen und reichte mir eine. Dankend nahm ich sie entgegen. "Für später hab ich unten noch was. Was wollen wir heute eigentlich zocken?", fragte Ryan und schaltete nebenbei die Playstation an.
"Mhm", machte ich nur und nahm trank einen Schluck. "Hörst du mir eigentlich zu?", fragte er und schnipste vor meinen Augen herum.
"Die Frage bekomme ich heute öfter gestellt", sagte ich. Ryan reichte mir einen Controller und fragte: "Alles klar bei dir?" Ich nickte abwesend. Er beobachtete skeptisch, wie ich immer wieder mehrere Schlucke nahm. Scheiß auf Lucy.
"Deine Eltern, stimmt's?", hakte Ryan nach, nachdem eine Weile Ruhe war. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Wird schon", er versuchte irgendwie tröstend zu klingen, bekam es aber nicht wirklich hin. Musste er auch nicht. Das mit meinen Eltern war eine Sache, die niemanden etwas anging.

Wir vertrieben uns bis abends die Zeit an der Playstation, bis wir Hunger bekamen. "Bock auf Pizza?", fragte Ryan und ich nickte. Ich hatte das Gefühl für Alkohol schon lange verloren. Keine Ahnung, wie viel wir getrunken hatten, ich wusste nur das es viel sein musste, da einige Flaschen herumstanden. Ryan griff zum Telefon und bestellte eine Pizze, während er nebenbei Wodka aus dem Kühlschrank holte.

Nachdem der Pizzabote ca. eine viertel Stunde später gekommen war, machten wir es uns mit dem Essen und der Flasche auf der Couch gemütlich. Ryan hatte ein paar Leute für später eingeladen. Er meinte, er wolle ein bisschen Stimmung damit aufbringen.

Sie kamen dann auch, drei Mädchen, dennoch war es langweilig. Ich kannte sie nicht einmal. Sie hatten sich zu uns auf die Couch gesellt und unterhielten sich mit Ryan. Dieser bemerkte, dass ich mich aus allem raushielt und sprach mich darauf an: "Leg mal die Flasche weg, ich glaub das reicht langsam. Amüsier dich lieber!" Er wollte danach greifen, doch ich zuckte weg.
"Als dein bester Freund sage ich dir, es reicht. Alkohol löst deine Probleme auch nicht!"
"Du klingst ja schon wie Lucy", murmelte ich und nahm demonstrativ einen großen Schluck. "Sie will dir auch nur helfen, aber gut! Wenn du nicht hören willst, werde ich sie jetzt anrufen, damit sie dich holen kommt. Du bist mein bester Freund und ich stehe zu dir, aber das geht zu weit." Bevor ich widersprechen konnte, stand er schon auf und ging zum Telefon. Er redete kurz und legte dann wieder auf. "Sie wird jeden Moment hier sein. Betrink dich extra nochmal, damit es sich wenigsten lohnt!" Ryan klang gereizt. Doch ich nahm mir seinen Rat zu Herzen und trank die Flasche leer, bevor Lucy kam. Kurze Zeit später klingelte es und Ryan zwang mich dazu, selbst zu öffnen. Ich wankte zur Tür und musste mich am Kleiderständer festhalten, um nicht umzufallen. Langsam öffnete ich und eine ziemlich wütende und zugleich traurige Lucy starrte mich enttäuscht an.
"Ach Luke... was machst du nur", seufzte sie. Ich wollte ihr antworten, doch plötzlich fing alles an sich zu drehen und ich verlor den Halt. Das nächste woran ich mich erinnerte war, dass ich auf dem Boden lag und Lucy erschrocken aufschrie.

Am nächsten Morgen wachte ich mit mit den schlimmsten Kopfschmerzen seit langem in meinem Bett auf. Lucy saß auf der Bettkante und wartete. "Du lebst ja doch noch", sagte sie kalt. Stöhnend setzte ich mich auf. "Was ist passiert?", fragte ich. Ich konnte mich an alles nur ganz schwach bis gar nicht erinnern. "Du hast es übertrieben. Dieses Mal wirklich. Es reicht. Cassie erzählte mir neulich von einer Selbsthilfegruppe hier ganz in der Nähe. Du wirst jede Woche hingehen. Man wird dir dort helfen. Und bevor du dich jetzt weigerst: Du wirst dort gefälligst higehen, oder du wirst absofort auf der Straße schlafen müssen!"


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