Kapitel 29 (He)
"Aber kommen wir zu dir, erzähl doch mal etwas über dich. Ich muss ja wissen, ob ich dir auch meinen kleinen Engel anvertrauen kann", lachte Melodys Vater und stieß seine Tochter spielerisch in die Seite. Verlegen stocherte diese unbeholfen in ihrem Salat und sagte mit einem peinlich berührten aber wunderschönem Lächeln: "Papaa! Bitte.." Er neckte sie noch ein bisschen weiter und wandte sich dann wieder an mich: "Hast du denn Geschwister?" Ich stach mit meiner Gabel eine arme kleine Tomate an, welche anschließend in meinen Mund wanderte. Erst als ich heruntergekaut hatte, antwortete ich: "Eine ältere Schwester, Lucy. Wir wohnen etwas außerhalb." Ich reichte Melodys Mum den Senf, da sie danach gefragt hatte. Verwundert sah mich Peter an. "Wohnst du denn nicht bei deinen Eltern? Oder sind sie...?" Er traute sich nicht, es auszusprechen. Ich druckste etwas herum und überlegte fieberhaft, wie ich mich aus der Sache retten konnte ohne viel von meiner Familiengeschichte preisgeben zu müssen, aber mir wollte nichts vernünftiges einfallen. Also blieb mir nichts anderes übrig als mehr oder weniger die Wahrheit zu erzählen. "Meine Mutter ist schon seit geraumer Zeit tot."
"Oh, das tut mir wirklich sehr leid für dich." Es herschte eine Weile eine betretene Stille. Erst einige Momente später mischte sich ihre Mutter mit ins Gespräch ein.
"Und was ist mit deinem Vater?" Ich legte meine Gabel beiseite und sah nachdenklich in die Ferne. Wie konnte ich ihnen das ganze erklären? Ich wollte nicht noch mehr erzählen müssen, es hatte damals schon genug Überwindung gekostet Melody alles zu erzählen. Allerdings konnte ich sie schlecht anlügen. Was sollte ich mir auch ausdenken?
Ich bemerkte, wie ich von zwei erwartungsvollen Augenpaaren gemustert wurde, es musste mir schnell irgendwas einfallen. "Ähm...", stotterte ich herum, "Ich.. Ich red da nicht so gern drüber." Ich wollte gerade innerlich erleichtert aufatmen, als Andrea mit einer seltsam aufdringlichen Art weiter nachhakte: "Stimmt etwas mit ihm nicht?" Melodys Kopf drehte sich ruckartig in ihre Richtung. "Mum!", rief sie empört und entsetzt. Auch ihr Vater sah seine Gattin verwundert an. Ich spielte derweil verunsichert an einem Zipfel der Tischdecke herum und überlegte, ob und vorallem was ich sagen sollte. Aber das war garnicht so leicht.
Abwehrend hob ihre Mutter nun die Arme. "Man wird ja wohl mal fragen dürfen!" Und an mich gerichtet fügte sie hinzu mit fragendem Blick hinzu: "Schlechte Vergangenheit?" Ich öffnete mehrmals den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber jedes Mal wieder. Warum war sie so aufdringlich? Melody hatte mir zwar davon erzählt, dass sie mich nicht mochte, aber von penetranter Neugier war nicht die Rede gewesen. "Ich... muss mal kurz weg", murmelte ich schließlich und stand rasch auf. Ich lief erst ein paar Schritte auf das Haus zu und außer Sichtweite der anderen, dann bog ich in Richtung der Gartenbank, auf der ich mit Melody zuvor gesessen hatte, ein. Dort setzte ich mich und griff in meine Jackentasche. Ich zog eine Packung Zigaretten hervor und nahm eine Einzelne heraus. Dann angelte ich nach einem Feuerzeug, um sie anzünden zu können.
Seufzend blies ich langsam den Rauch aus, während ich über die Situation eben nachdachte.
Ihre Mutter verhielt sich irgendwie komisch. Wirkte ich so abstoßend? Sie musste ja einen Grund haben warum sie so abgeneigt mir gegenüber reagierte. Oder ich war einfach unerträglich.
Ich wollte mir etwas überlegen, um ihr zu beweisen, dass ich nicht der war, für den sie mich hielt. Aber was konnte ich machen? Klischeehaft im Anzug mit Blumen, einer Packung Pralinen und Schmalzlocke vor ihrer Tür stehen? Nein, das käme seltsam. Ich musste mir etwas originelles überlegen. Bestimmt hatte Melody eine Idee.
Ausgerechnet kam sie in dem Moment um die Ecke. Sie sah besorgt aus und als sie mich auf der Holzbank entdeckte, kam sie eilig auf mich zu, um sich anschließend neben mich zu setzen. "Alles okay?", fragte sie und musterte mich von der Seite. Ich nickte schnell und zog tief den Rauch ein. "Alles bestens, ich musste nur mal raus."
"Tut mir leid wegen meiner Mum", entschuldigte sie sich, "Ich weiß auch nicht was mit ihr los ist. Sie verhält sich wie ein kleines Kind." Ich stimmte ihr wieder nur mit einem Nicken zu und ließ meinen Blick durch den Garten schweifen. Er musste mal wunderschön gewesen sein, allerdings wirkte er nun eher trostlos und verwildert. Jemand musste sich mal um die Pflanzen kümmern. "Meine Oma hat das früher immer gemacht", erzählte Melody, als sie meinen fragenden Blick bemerkte. "Aber seit sie gestorben ist, hat sich keiner mehr drum gekümmert. Dad ist dafür zu selten da und Mum hat einen schwarzen Daumen." Ich musste über ihre Bemerkung schmunzeln. "Meine Mutter hätte hierdraus sicherlich eine wahre Entspannungsoase gemacht. Sie liebte es im Garten zu arbeiten. Ich frage mich, warum sie nicht Floristin oder so etwas in der Art geworden ist." Melody sah mich nachdenklich an. Vorsichtig fragte sie: "Du vermisst sie bestimmt, oder?" Ich nickte leicht und schaute auf die Zigarette in meiner Hand. "Was sie wohl sagen würde, wenn sie sehen würde, was aus mir geworden ist..", überlegte ich seufzend und schnippte den Zigarettenstummel weg, um ihn danach auszutreten. "Was meinst du damit?", fragte Melody verwirrt. Ich sah kurz in den Himmel und antwortete dann: "Naja... guck mich doch mal an! Kippen, Alkohol, der Alptraum einer jeden Mutter." Sie senkte ihren Blick, sah danach aber sofort wieder auf und rutschte etwas näher an mich heran, um ihre Hand auf meine Schulter zu legen. Ich schaute zu ihr und entdeckte, wie sie mich aufmunternd anlächelte. "Für mich bist du perfekt so wie du bist. Ich denke deine Mutter wäre stolz auf dich. Dafür, dass du das getan hast, was sie leider nicht geschafft hat. Du bist stark geblieben und hast durchgehalten. Und das musst du jetzt auch. Für dich und für sie." Ich erwiderte ihr Lächeln und sie zog mich in eine innige Umarmung.
Früher hatte ich jeglichen Körperkontakt gehasst und vermieden. Aber bei Melody war das etwas völlig anderes. Bei ihr fühlte ich mich das erste Mal seit Jahren wohl. Und akzeptiert. Ich brauchte nichts zu verstecken oder mich zu verstellen, ich konnte ganz ich selbst mit all meinen Ecken und Kanten sein und sie akzeptierte es. Melody bedeutete mir wirklich viel und ich wollte sie nicht verlieren.
Aber ob es mehr war? Ich wusste es nicht. Wie fühlte sich 'mehr' überhaupt an? Ich hatte noch nie vorher für jemanden Gefühle gehabt, nicht einmal im Kindergarten. Klar, ich musste oft an sie denken und ich genoss jede einzelne Sekunde mit ihr, ich könnte durchgehend Zeit mit ihr verbringen, aber war das nicht mit besten Freunden auch so?
Und warum stellte ich mir überhaupt solche Fragen? Als ob jemand wie Melody sich in mich verlieben würde. Sie mochte mich und ich sie. Mehr war da nicht.
**********************
Ich weiß, das Kapitel ist nicht das längste. Aber ich stand ständig auf dem Schlauch und wusste nicht weiter. Zudem finde ich die Stelle eigentlich ganz passend als Ende. Übrigens bin ich mit dem Anfang und generell so ziemlich allem in dem Kapitel unzufrieden. Ich wusste nicht so recht, wie ich meine Ideen umsetzen sollte. Ich hoffs es hat euch trotzdem gefallen. Wie immer würde ich mich über Votes und Feedback in den Kommentaren freuen.♥
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top