4.
Nadia klopfte, wie immer äußerst penetrant, an meine Zimmertür "es ist da!" Rief sie aufgeregt und öffnete schwungvoll die Tür. Über den arm hatte sie einen in Selektion farbenen Kleidersack. Schon bald hatte sich Flieder als Farbe dieser Selektion herausgetan... die Umschläge, die Wahltrommeln, die Krawatte des Prinzen und die Planermappe Perreras. Ich sah auf und legte die 'Chroniken der Selektion', eine faustdicke Sammlung aller Daten der Selektionen zur Seite. Mira, eine Organisatorin hatte ihn mir eines morgens einfach auf den leeren Frühstücksteller gelegt und gemeint das das äußerst wichtig sei und ich auf jeden Fall einiges wissen müsste. Seit ein-eindreiviertel Wochen hatte ich täglich mehrere Stunden mit Nadia zu tun. Anfangs war ihre aufdringliche aufgeregte Art anstrengend gewesen aber der Mensch ist ein Gewöhnungstier, nicht? Um ihr einen gefallen zu tun versuchte ich ebenfalls aufgeregt und nicht so gleichgültig auszusehen "und wie ist es?" Fragte ich gespielt begeistert. Die Künstlichkeit in meiner Stimme schien ihr gar nicht aufzufallen und ihre Augen trübten sich verträumt "einfach wundervoll! Es wird wunderschön zu deinen Haaren passen Schätzchen! Und die Schuhe die ich dir bestellt habe, die sind ein Traum! Mode Herzchen, Mode.. probiere es an!"
Mit zufrieden leuchtenden Augen musterte Nadia mich während ich mich für sie mit ausgestreckten Armen vor den decken hohen Spiegeln drehte.
Perrera und ihr Team an Stylisten hatten innerhalb drei Stunden ein Studio in der alten Heuscheune errichtet. Spiegel, Beleuchtung, Sitzgelegenheiten, Tische und die Tonnen an Kleidern und Schminke nicht zu vergessen. Inzwischen hatte ich mich damit abgefunden Nadias Fashionwahn ausgeliefert zu sein, täglich schleppte sie neue Entwürfe für Kleider an, rief lauthals Anweisungen durch die halb morsche Holzhütte oder beobachtete mich dabei wie ich alltägliches zu machen versuchte, oft stand sie bei ihren Stalkversuchen im Weg oder machte es mir unmöglich etwas zu erreichen. Mein Tag war von vorn bis hinten perfekt durchgeplant, gesunde Ernährung, Sport, Unterricht in Allgemeinwissen, Nadia's Zeit für Mode, Etikette auswendig lernen, Nadia's Zeit für Mode, Abendessen und schlafen...
"Dennis! Bring mir Nr. 457!" Rief die Designerin und bald darauf huschte ein blonder Kerl, in den Armen drei verschieden farbige Rollen Stoff und einige Kasten, herbei.
Ich trug ein schönes, schlichtes jedoch elegantes schwarzes Kleid welches oben eng anlag und dann in einem weichem, sanft fallenden Faltenrock endete der bei meinen drehenden Bewegungen leicht flog. "Ausziehen, du hast Pause bis. .." Nadia sah auf die elegante goldene Uhr die sich kunstvoll um ihr Handgelenk schmiegte "zwanzig Minuten, um 9:47 Uhr wieder hier sein. Ess was Schätzchen" sie lächelte durch die schmalen rot geschminkten Lippen und sah mich auffordernd an. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel vor mir, schälte mich dann aus dem Kleid, übergab dieses der Stylistin und noch während ich das große Holztor aufschob hörte ich wie Nadia einige schnelle Worte mit ihren Assistenten wechselte und die Nähmaschinen anfingen zu surren. "Miss! Hier her! Wir müssen noch den Test..!", "Ich brauche noch eine Unterschrift!", "ich habe einige Fragen! Wie..." sobald ich von der Sonne geblendet wurde Umfing mich das Stimmengewirbel unzähliger Menschen die unzählige Dinge von mir wollten. Ich knurrte frustriert und bahnte mir einen weg zum Haus, dem einzigen Ort an den sich kein Reporter traute, kein Kamera Team auflauerte und wo ich mich verschanzen konnte. Meine Mutter sah mich mitleidig vom Küchentisch her an, ihr Gesichtsausdruck verriet sorge und ich war mir nicht sicher ob sie nur mir galt, vor ihr waren mehrere Briefe und Papierberge aufgehäuft "ach süße. .. so schlimm?" Ich seufzte nur und ließ mich in eine warme Umarmung ziehen. Über ihre Schulter hinweg versuchte ich so viele Informationen über die Papiere zu ergattern wie nur möglich. Versicherungsanträge, Steuerbriefe, Schecks, einige private Briefe und viel zu viele von der Bank....
Ich schluckte und merkte wie meine Mutter sich versteifte. "Mum...?... Wie viel?" Sie sah mich mit traurigen Augen an und schwieg.
Mir ernsten Gesichtsausdruck bahnte ich mir meinen Weg zur Scheune, zum essen war ich nicht gekommen also ging ich mit vor leere gluckerndem Magen in das alte Gebäude. "Da bist du ja Schätzchen! Hier! Probiers an!" Empfing mich Perrera noch bevor ich überhaupt eine Nasenlänge in den beleuchteten Raum getreten war. Mit weitem lächeln hielt sie mir des Kleid von vorher hin, die Änderungen die sie vorgenommen hatte vielen einem nicht sofort auf da es einfach so ein fließenden Übergang bildete...
Der hellgrüne Ombrée den sie am unteren Saum des schwarzen Kleides angebracht hatte sah so natürlich aus, als sei er schon immer dort gewesen. Zugegebenermaßen, Nadia mochte vielleicht sehr nervig, kompliziert und anstrengend sein aber sie war gut in dem was sie tat. Mit einigen schnellen, bereits geübten Handbewegungen zog ich das Kleid an "Perfekt!" Rief die Designerin begeistert aus und rollte dabei das 'r' besonders "dazu Ballerinas und eine grüne 0078! Diese Kette wird das alles noch besser aussehen lassen.." schwärmte sie und kramte in einer der unzähligen Kisten bis sie mit einem triumphierenden lächeln eine Tellergroße smaragdgrüne Schachtel zückte. Mit weiß war die Nummer des Schmuckstücks darauf gemalt 0078. Nadia öffnete die Schachtel, warf einen Blick hinein und nickte zufrieden "du wirst morgen toll aussehen!"
Morgen?! Meine Augen mussten sich sichtbar geweitet haben "sag bloß nicht du hast es vergessen?! Schon Morgen wirst du mit etwas Glück den Prinzen kennenlernen! Dein Flug geht um neun, das Taxi holt dich um Sieben Uhr Dreißig ab und bringt dich zum Flughafen, dort wirst du zum ersten mal so richtig präsentiert und dann der Flug! Da musst du dann deine Konkurrenz auskundschaften, immer stark und beherrscht aussehen bis du im schloss ankommst. Dort elegant und stolz..." ihre stimme schwirrte verwirrend um mich herum und ich konnte nur Bruchstücke aufschnappen. Morgen. Morgen. Morgen werde ich den Prinz mit den Schokoladenaugen kennenlernen. .. und vierunddreißig andere Mädchen die mich als Feind und Konkurrenz sehen... Jay
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top