2.
Nur noch ein Mädchen stand vor mir in der Schlange vor dem Rathaus, ein Mädchen das mich von meiner nahen Freiheit trennte. Anne Castall, groß, blond, hübsch, nicht die klügste aber who cares solang sie aufrecht sitzen und lächeln kann.
Ein ernst aussehender, kahlköpfiger Mann saß hinter dem Tisch und musterte mich "Name?" Seine Stimme war sanfter als anzunehmen und er hielt einen goldenen Kulli in der Hand "ähhh? Calypso Evôil...?" Antwortete ich verwirrt und unsicher während ich den Fliederfarbenen Umschlag in meiner Hand zerdrückte. Der Mann nickte, schrieb mit schön geschwungener Schrift meinen Namen auf und verwies mich an eine junge Frau in Violett. Diese schob mich freundlich auf einen Hocker und stellte sich dann hinter eine große Kamera. Von Bildern hatte ich nichts gewusst. Wie immer aber was solls? "bitte lächeln!" Meinte die Frau fröhlich und ich hatte kaum Zeit mir schräges ein Lächeln auf die Lippen zu legen bevor es auch schon click machte und ein Blitz mich blendete. Die Frau verabschiedete sich mit einem Winken und empfing das nächste Mädchen bereits mit Anweisungen...
Gezwungenermaßen schob ich den blass-lilanen Umschlag in den durchsichtigen Flieder-stichigen Kasten während Hazel aufgeregt neben mir so aufgeregt auf und ab hüpfte, dass ihre schulterlangen Locken wippten. Sie hatte ein riesiges Grinsen auf das Gesicht gepflastert und musterte mich immer wieder vielsagend. Geschafft. Jetzt ist das blöde Ding weg und ich kann wieder normal leben. Ich verabschiedete mich knapp und ging schnellen Schrittes zu den Fahrrädern. Hazel folgte mir stumm grinsend. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln fuhren wir nach Hause.
Es war Mittwoch. Drei Tage. Drei Tage bis zur Verkündung der Kandidatinnen, drei Tage bis mich die Welt endlich wieder in Ruhe lässt. Wie zäher Kaugummi vergingen die Stunden, wollten nicht vorbeigehen und verflogen doch schneller als gewollt...
Juliette hatte die anderen Kinder dazu gebracht einen Lernstreik anzuzetteln bis ich mich zumindest beworben habe, zwei Tage lang hatte ich mich abgemüht einen Kompromiss zu finden und die, den ganzen Tag auf den Tischen sitzenden, Kinder dazu zu bewegen wieder mitzumachen. Doch kein Erfolg auf keine Weise. Weder Spiele noch die leichten Strafen zeigten irgendeine Wirkung. Am dritten Tag hatte ich schlussendlich, total entnervt eingewilligt dieses dämlichen Anmeldeformular auszufüllen. Unter wachsamen Augen meiner Schüler füllte ich die Fragen aus:
Name: Calypso Evôil
Alter: 20 Jahre
Beruf: Lehrerin
Und so weiter...
Es waren ganze drei Seiten die man fein säuberlich ausfüllen sollte und anschließend in das beiliegende Kuvert packen sollte. Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß. Nein.
Es war Freitagabend, wie jede Woche hatte sich die gesamte Familie auf dem Heuboden der Ostscheune versammelt. Emma saß, die Hände über den mit geblümten Stoff bedeckten, runden Babybauch zusammengefaltet im Wiegestuhl während Hazel es sich mit Alice, unserem Labrador Retriever in einem mit Stroh ausgestopften Sack bequem gemacht hatte. Jason saß dicht neben Emma und die beiden tuschelten leise bevor sie sich liebevoll küssten. Meine Eltern würden sich in die steinalte Hollywoodschaukel zwängen nachdem sie das Abendessen verteilt hatten. Ich hingegen lungerte wieder auf dem breiten, von tiefen Risse durchzogenen Dachbalken herum und nippte an einer alten Limonadenflasche. Schlecht ging es uns nicht, nein keinesfalls. Wir verkauften Getreide, Milch, Eier, ich verdiente als Lehrerin, verkaufte hin und wieder einige Bilder, Jason war Winzer im Nachbardorf und Emma eine Schneiderin. Geldprobleme hatten wir nie wirklich und unsere Gegend war abgesehen von den Wölfen und Bären die sich des Nachts in den Bergen herumtrieben ruhig.
Wie vor jeder Sendung ertönte auch dieses mal die Hymne Illéas und eine schnelle Animation der Geschichte unseres Landes huschte über die Leinwand. Der alte Beamer surrte und vor dem Licht welches das Gerät in den abgedunkelten Raum warf tanzte der Staub. Meine Familie unter mir verstummte und sah gespannt auf den Bildschirm, jeder kannte den Ablauf der wöchentlichen Nachrichten: eine Rede, Informationen zu irgendwelchen Problemen ganz weit weg und dann noch die Zahlen der Arbeiten die wir bis nächste Woche verrichten müssen. Heute würden dann zusätzlich noch die Kandidatinnen der Selektion gezogen und kurz vorgestellt sowie auch der Prinz noch einmal dem gesamten Reich vorgetischt werden.
Ich beobachtete den sternenklaren, dunkelblauen Nachthimmel und musste grinsen als ich mit vorstellte wie viele Mädchen in Illéa aufmerksam hoffend vor dem Fernseher saßen und es kaum abwarten konnten, vor Aufregung fast sterbend bis die Kandidatinnen vorgelesen wurden, darauf hoffend und pochend ihren Namen zu hören... allein meiner Umgebung waren es wahrscheinlich schon drei Dutzend. ..
Zum ersten Mal tat mir der Prinz leid, das er einfach auf seinem Thron sitzen musste während die Damen verlesen würden die ihn schon in zwei Wochen belagern und auf die Pelle rücken würden um ihn zu bezirzen und für sich zu gewinnen. .. ich kicherte und flüsterte leise mit mir selbst "der arme. .." meine Schwester sah grinsend zu mir hoch und nickte "zum Glück kommst dann du und eroberst ihn! Und dann bin ich Prinzessin! " ihre Augen blitzten begeistert. Während ich nicht ganz wusste was ich antworten sollte. Wie sagt man einer siebenjährigen das sie keine Prinzessin werden würde? Das ihre große Schwester nicht so toll ist und dass sie das Schloss nur im Fernsehen sehen würde. ..? "Sorry Schwesterchen. .. ich werde nicht teilnehmen...." ich sah sie nicht an, spürte aber ihren ernsten Blick auf meiner Haut brennen "Doch." "Schhh! Ihr verlabert die Auslosung!" Zischte meine Mutter und starrte wie gebannt auf den Bildschirm während sie in ein Brot biss. Ich rollte nur mit den Augen, Hazel hingegen drückte Alice dicht an sich und klebte fast an der Leinwand. Schade, die Nachrichten und Rede hatte ich wohl verpasst... dann finde ich eben heraus wer unsre neue Queen wird. Analyse an.
Ich musste grinsen und beobachtete genau wie der Prinz in seinem feinen, dunkelblauen Anzug und die Mischtrommel griff, eine Show daraus machte einen Brief zu wählen, dann einen herauszog und auf die Trommel legte. Dann trat er einen schritt zurück um zur nächsten Trommel zu gehen und wiederholte den Vorgang für auch für die restlichen Trommel ausführte. Aufmerksam beobachte ich ihn. Seine Finger zitterten leicht also wusste er was er tat, die nächste Regentin des Reiches ziehen und mehreren anderen Mädchen das Herz brechen. Erst jetzt viel mir auf das er eigentlich gut aussah, sehr gut.
Bisher hatte ich nie besonders auf die Prinzen geachtet. Meist saßen sie im Hintergrund und lasen irgendetwas mit ernster Miene während ihr Vater eine Rede hielt oder informiert wurde. Aber eigentlich war er ein echter Hingucker, gut geschnittene dunkelblonde Haare, ein perfekter Tan, ein nettes, im Moment nervös aussehendes Lächeln und Augen die aussahen wie geschmolzene Zartbitterschokolade. Er war gut gebaut, Muskeln an den richtigen stellen, schlank, groß und sah zugegebenermaßen echt süß im Anzug aus. Aber eine Sache hatte ich gelernt, bewerte nie jemanden nach seinem Aussehen. Wenn er so gut aussah musste er ein Arsch sein.
Prinz Thomas ging wieder zur ersten Wahltrommel und griff nach dem fliederfarbenen Umschlag. Seine Augen flackerten nervös als er über das Papier striff. Gerry Fischer, Reporter des Königskanals folgte ihm und mache immer wieder auffordernden, vielsagende Zeichen während die Kamera immer dichter auf den Umschlag zoomte. Langsam öffnete er den Umschlag und entfaltete das Papier. Es waren nicht die gesamte Steckbriefe, das erkannte ich sofort, Neugierig überlegte ich: Wahrscheinlich war auf dem Papier der Name, die Provinz, Alter und ein Foto abgebildet. Fischer blickte dem Prinz über die Schulter, hob anzüglich die Augenbraue und stieß Thomas sanft in die Rippen "sieht nach einem Prachtstück aus, was sagen sie?" Er grinste während der Prinz mitspielte und das Papier provokant so richtete das die Kamera nichts sehen konnte "sieht ganz so aus aber es warten noch vierunddreißig andere Damen!" Argumentierte er und seine Schokiaugen musterten das Bild erneut "wollen wir sie noch länger auf die Folter spannen?" Fragte Fischer das Livepublikum welches laut verneinte "die erste Lady dieser Selection ist!" Fing der Reporter an und baute damit Stimmung auf, kurz darauf endete der Prinz seinen Satz "Meresa Starling! 19 Jahre jung und aus Girtana!" Das Bild eines hübschen, leicht lächelnden Mädchen mit dunkelblonden Haaren und dunkelblauen Augen wurde oben rechts eingeblendet, nach dem Applaus ging der Prinz zur nächsten Trommel. Während Fischer und der Prinz wieder ihre Show abzogen fragte ich mich was wohl in seinem Kopf abging... hatte er wohl Angst die falsche zu ziehen? War er stolz so viel Auswahl zu haben? Fürchtete er die Kandidatinnen in Gefahr zu bringen?
"Rose Dustin!" Verkündete der Prinz lächelnd und ich betrachtete das Bild der einundzwanzig-jährigen, rothaarigen Frau aus Ura. Ihre blauen Augen leuchteten und sie lächelte gesittet. Als der Applaus verebbte war die nächste Tonne dran: wieder spielten die beiden Männer mit den Nerven der Zuschauer bis sie erneut den Namen verkündeten "Luisiana Rootmen!" Ein zierliches, kindliches aussehendes Mädchen wurde gezeigt, ihre schulterlangen braunen Locken ließen sie noch jünger wirken während ihre moosgrünen Augen entschlossen funkelten.
Ehrlich gesagt schaltete ich ab und betrachtete nur noch die Bilder der Mädchen: das Resultat: lauter Schöne, dünne, sportliche jungen Damen mit meist interessanten Namen. Einige Bilder fielen eher aus dem Rahmen der glücklichen Gesichter und ich schenkte ihnen mehr Aufmerksamkeit.
Alicia-Gina Winter sah aus wie ein gejagter aber entschlossener Fuchs und sah irgendwie etwas traurig mit den grünen Augen in die Kamera. Blue Sky hingegen schien einfach nur nerfenblank, Glücklich und ängstlich zugleich, ein unsicheres, aufgeregtes lächeln umspielte ihre Lippen und ich konnte mir vorstellen wie die samt-grünen Augen hin und her huschten während sie mit den Händen fahrig durch die schwarzen Locken fuhr.
Mary Harmonia Donald sah einfach an den Hocker geklammert in die Kamera während sich in den graubrauen Augen so viele unterschiedliche Emotionen spiegelten, sie sah so verloren, klein und unscheinbar aus....
Azure Singer sah leicht an der Kamera vorbei, ihre dunkelbraunen waren zu einem ordentlichen Zopf geflochten und ihre Hände lagen in ihrem Schoß, sie sah zu beherrscht aus, zu ernst...
Beim nächsten Foto fiel ich von meinem Balken und sah geschockt und ungläubig durch die Strohhalme zur Leinwand, auf mein Foto. "Calypso Evôil" verkündete der Prinz "die vorletzte glückliche Dame die ab heute in ihrem Leben mit mischen wird" grinste Fischer und betrachte mein Foto. Die rotbraunen Locken waren mir wie ein Wasserfall über die Schultern gefallen und die braungrünen Augen sahen überrascht in die Kamera während ein halbes lächeln auf meinem Gesicht lag. Der Prinz grinste und nickte, einige im Publikum kicherten leise aber nicht unbedingt feindselig während erneut applaudiert wurde. "Und nun zur letzten Teilnehmerin!" Verkündete Fischer und gemeinsam Schritten die Männer zur nächsten Trommel.
Ich hatte gar nicht mitbekommen wie sich meine Familie um mich gesammelt hatte, meine Mutter mit Tränen in den warmen braunen Augen auf mich hinabblickte, mein Vater der einfach schräg grinste, einen Arm um die Taille meiner Mutter legte und mich stolz ansah.
Hazel hüpfte glücklich um mich herum und stolperte schließlich um die restlich Luft aus meinem Bauch zu drücken. Emma erhob sich schwerfällig und umarmte mich herzlich wenn auch mit einigen Mühen dank ihres acht-Monatsbauch der sich unter der geblümten Bluse wölbte, nachdem ich mich aufgerappelt hatte und Jason stand mit den Händen in den Hosentaschen neben ihr "bist wohl doch zu was nutze Schwesterherz" meinte er grinsend und legte einen Arm auf meine Schulter um mich als Lehne zu verwenden, er beugte sich zu mir hinab und flüsterte "ich bin stolz auf dich Sis.." er lächelte schräg und verkündete lauter "ne Königin als Schwester klingt doch gut oder?" Er grinste und meine Familie fing an zu lachen. Auch ich konnte nicht anders als, noch immer geschockt, mitzulachen. "Und ich werde Prinzessin" rief Hazel stolz und Jason verwuschelte grinsend ihre Locken.
Adieu normales Leben...
Noch am selben Abend rief eine Frau namens Lana bei uns an und informierte uns etwas...
In drei Tagen, wenn nicht sogar früher, würde wohl das erste Team Kameramänner und Frauen eintreffen, Nachrichtensender, Zeitungsreporter, Styling-teams würden geschickt werden.
Meine gesamte Familie arbeitete akribisch auf höchstem Niveau um den Hof vom kleinsten Dreck zu säubern. Hazel putzte jedes einzelne Tier auf das beste heraus, Emma und meine Mutter buken und putzten im Haus bis kein einzelnes Staubkorn mehr herum lag und ein stetiger Duft von Kuchen durch das Haus zog. Die Ställe wurden komplett geputzt und neu ein gemistet, die Wege und Plätze gefegt, abgeduscht und gebürstet bis alles glänzte und der erste schwarz glänzende Geländewagen auf den Hof fuhr...
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