16 einer kommt, einer geht...

„Hey Samiya – komm zu uns rüber," Holly winkte der nicht mehr ganz so neuen Schülerin zu, als sie gerade aus der Halle nach draußen kam. Samiya schien kurz zu überlegen und steuerte dann tatsächlich auf die kleine Gruppe zu. Außer Holly saßen bisher nur Brandon, Dorian und Henry im Gras – Dorian hatte alle Viere von sich gestreckt und ließ sich als Kater von der Sonne bescheinen.

Samiya zögerte kurz, doch dann ließ sie sich neben Holly ins Gras fallen. Kein Pumajunge in Sicht. So weit, so gut.

„Die Parker hatte es ja ganz schön auf dich abgesehen vorhin – du hattest Glück, dass du ohne Extraaufgaben davon gekommen bist..." Brandon schaute Samiya lachend an. Er wollte ihr zeigen, dass sie ihnen willkommen war, was gar nicht so leicht war, denn dieses Mädchen war bisher immer sehr still gewesen. Es war schwer, zu erraten was in ihr vorging oder sie einzuschätzen. Das einzige, was er bisher über sie wusste war, dass wenn man sie zum Reden brachte, man sich besser vor ihren scharfen Kommentaren in Acht nahm.

Wahrscheinlich hat Miss Parker wie Jeffrey erkannt, dass ihr weitere Peinlichkeiten erspart bleiben, wenn sie Samiya hier einfach in Frieden lässt.' Dorian hatte wie so oft ein Talent dafür, Situationen auf den Punkt genau zu analysieren.

„Ist Miss Parker nicht furchtbar anstrengend? Mich nervt sie stäääändig mit dieser Rechtschreibung, und dabei kann man jetzt fast immer erkennen was ich geschrieben habe, das ist doch die Hauptsache!" Holly zupfte an ein paar Grashalmen herum und stopfte sie zu einem kleinen Knäul zusammen. Anscheinend erwartete sie keine Antwort, denn sie war schon aufgesprungen und begann auf den Händen um ihre kleine Gruppe herumzulaufen.

„Ist doch viel nussiger so ein bisschen Handstand als die dumme Rechtschreibung!"

Hee, pass auf, du bist fast auf meinen Schwanz getappt!' Dorian rollte sich empört zusammen und brachte sein langes Fellende in Sicherheit. Brandon lachte laut und auch Henry grinste amüsiert.

Samiya schmunzelte unbemerkt in sich hinein. Diese jungen Wandler um sie herum waren wirklich sympathisch und ziemlich lustig, ein bisschen verrückt zwar, aber das störte sie nicht. Sie war wohl selbst auch nicht grade stinknormal...

„Ich wüsste wie du ganz leicht Rechtschreibung lernen könntest." Samiya wollte diesem Rothörnchen gerne helfen, immerhin hatte Holly sich von Anfang an sehr um sie bemüht und war dabei für ihre Verhältnisse sogar ganz ruhig geblieben. Kein Geplapper ohne Unterlass, wie man es sonst von ihr gewohnt war...

„Echt jetzt? Gibt's da einen geheimen Trick oder so was? Warum sagen uns das die Lehrer denn dann nicht?! Also echt, das ist ja wieder typisch, Hauptsache wir plagen uns in einem fort und --"

‚Oh Mann Holly, jetzt sei doch mal still und setz dich hin, wie soll Samiya dir sonst was erklären?!" Henry rollte mit den Augen und klopfte mit der Hand neben sich in Gras. Und tatsächlich, Holly setzte sich hin. Für einen Moment.

Na bitte, wurde auch Zeit,' Dorian streckte sich wieder aus und begann sich die Pfoten zu schlecken.

„Du brauchst einfach nur ein gutes Buch. Eines, das dich wirklich interessiert und am Besten auch zum Lachen bringt. Es muss so gut sein, dass du es nicht mehr weglegen willst." Samiya fing Henrys skeptischen Blick auf und eine Sekunde später wusste sie auch warum.

„WAS? LESEN? Ich soll freiwillig ein Buch lesen?! Da brauch ich ja Wochen, nein, Jahrhunderte! Neeneeenneee, das ist kein guter Trick, das ist – überhaupt nicht nussig. Ich mag keine Bücher!"

Holly war schon wieder aufgesprungen und schüttelte sich als müsste sie eine lästige Erinnerung loswerden.

„Du hattest einfach noch kein wirklich gutes Buch." Samiya wirkte unbeeindruckt von Hollys Entsetzen.

„Eigentlich hab ich noch gar nie wirklich ein Buch gelesen. Die Texte in den Schulbüchern waren mir furchtbar genug. Eine echte Plage. Warum hätte ich freiwillig ganze Seiten davon lesen sollen?" Holly dachte kurz nach.

„Na gut. Vielleicht probier ich das doch mal. Wo gibt's denn so ein gutes Buch, dass ich lachen muss UND interessant finde?" Holly schaute Samiya jetzt erwartungsvoll an.

„Ich hab nur zwei dabei, aber die hab ich schon ein paar Mal gelesen. Beide von Michael Ende. Das eine hast du sogar schon gesehen." Samiya ließ sich nach hinten auf ihre Unterarme sinken und streckte die Beine aus. So langsam holte sie die Müdigkeit wieder ein, die Wärme der Sonne half auch nicht gerade, sich besonders wach zu fühlen.

Dorian beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Samiya schien genauso gern in der Sonne zu dösen wie er...

„Das mit dem Amulett und den Schlangen, das du im Baum gelesen hast?" Holly schaute jetzt ziemlich neugierig.

„Ahhrg – Schlangen! Das kann kein gutes Buch sein..." Henry zog eine Grimasse, er hasste Schlangen.

‚Das Buch ist cool, die Seiten sind sogar in zwei verschiedenen Farben bedruckt, je nachdem, in welcher Welt die Geschichte gerade spielt." Brandon meldete sich nun auch zu Wort. Anscheinend kannte er das Buch.

„Ich denke, das könnte dir gefallen, Holly."

„Also gut, ich versuch's. Aber wehe ich bin nachher kein Ass in Rechtschreibung! Dann könnt ihr alle was erleben!" Holly fuchtelte mit den Fäusten in der Luft herum.

Wir zittern schon...' Dorian gähnte einmal unbeeindruckt.

„Und wo krieg ich jetzt dieses Buch her?" Holly sah nun fest entschlossen aus.

„Du kannst meins ---" auf einmal war Samiya aufgesprungen und zog sich schon ihren Rucksack über die Schulter.

„Ich muss los. War schön mit euch." Schon hatte sie sich umgedreht und entfernte sich mit langen Schritten.

„Hä? Was ist denn jetzt los?" Holly saß ausnahmsweise mal ganz still und starrte Samiya hinterher.

Einer kommt, einer geht....' Dorian schaute in die entgegengesetzte Richtung. Die anderen folgten seinem Blick. Dort näherte sich gerade ein goldbrauner Puma mit geschmeidigen Schritten.

Hi Leute,' Carag sank elegant auf den Boden neben Brandon. ‚War das Samiya grade? Warum ist sie denn so schnell gegangen?' Fragend blickte er in die Runde.

„Ja das sag du uns mal besser. Du kommst und sie verschwindet..." Brandon knuffte seinen besten Freund spielerisch in die Seite.

„Was hast du angestellt Katerchen?" Holly verwandelte sich schnell, sprang auf Carags Schultern und zupfte ihn am Löwenohr.

Pffff – überhaupt nichts hab ich angestellt. Ich glaub sie mag mich einfach nicht.' Sein nächtliches Fauchen behielt Carag lieber für sich.

„Warum sollte sie dich nicht mögen? Gibt doch gar keinen Grund dazu." Henry zuckte ratlos die Schultern.

Wenn aus dem Weg gehen das Gleiche ist wie nicht mögen – tja dann...'  Dorian verscheuchte mit seiner Pfote eine Fliege, die vor ihm im Gras gelandet war.

Wow, vielen Dank Kumpel, genau das wollt ich hören...' Carag bettete seinen Kopf zwischen seine Pfoten und schloss resigniert die Augen. Aus dem Weg gehen. Dorian hatte den Nagel auf den Kopf geschlagen oder wie das hieß. Einen Moment wunderte sich Carag ob man sich dabei einen Nagel in den Kopf steckte? Menschen hatten so eine komische Wortwahl...

Aber Samiya ging ihm aus dem Weg, soviel stand fest. Bei jeder Begegnung war sie ihm früher oder später davon gelaufen. Jetzt gerade sogar schon bevor er überhaupt in ihrer Nähe war...

***


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