Aus fünf mach sechs

~~Aus fünf mach sechs~~

Das letzte Wolfsrudel, das Inark und seine Wölfe aufgelauert und somit getötet hatten, lag schon sieben Tagesmärsche hinter ihnen.

Zu Beginn von Inarks Rudelübernahme, war es einfacher auf andere Rudel zu stoßen. Im Norden von Daromi waren die Rudel dichter besiedelt und so fanden sie innerhalb von vier Tagesmärschen das nächste Gebiet.

Je weiter sie in das Land hineindrangen, desto mehr fanden sie Markierungen, die älter waren.

Seit Jurikins Tod, gab es keine großen Auseinandersetzungen mit den anderen Rudeln.

Immer kam es zu einem kleinen Gefecht. Ein paar gegnerische Wölfe wurden dabei getötet. Inarks Seite dagegen erlitt kaum Verluste, da die dunklen Wölfe eine gute Strategie entwickelt hatten. Sie schlichen sich bei Nacht in das Revier ihrer Feinde, suchten deren Schlafplatz und schlugen dann noch in derselben Nacht mit der ganzen Wolfsschar zu.

Die anderen Wölfe hatten keine Chance. Schon sehr bald sahen die Rudelführer ein, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen konnten und unterwarfen sich Inark und seinen Wölfen.

Inark war ein kleiner Finsterniswolf, der aufgrund seines schlauen und gerissenen Charakters die neue Position einnehmen durfte. Zudem war er der beste Freund von Xin.

Daraufhin schlossen sich immer mehr Wölfe, wenn auch widerwillig, den Angreifern an. Aus den wenigen Wölfen, mit denen Jurikin und Inark aufgebrochen waren, wurden schließlich fast zweihundert Wölfe.

Natürlich konnte Inark nicht alle zweihundert Wölfe mit auf seine Reise nehmen, da es schier unmöglich war, ein so großes Rudel durch das Land zu führen. Somit schickte Inark jedes Mal den Rudelführer und die Wölfe fort, die noch immer offenen Widerstand leisteten und eher eine Last als eine Stütze waren.

Die Wölfe, die bleiben durften, waren meistens sehr Starke, die mit gelegentlichen Raufereien zur Unterordnung gezwungen wurden. Dieses Vorgehen erwies sich als ziemlich schwierig, war aber für die Gewinnung von mehr Mitgliedern notwendig.

Ein anderer Teil der Wölfe hatten seit der Unterdrückung ihrer Rudelführer versprochen, ihr Leben für Taroxon zu geben. Hierbei handelt es sich um Überläufer, die sich unter der neuen Führung ein besseres Leben erhofften. Deshalb zählte Inarks Rudel fast fünfzig Wölfe, was an sich schon ein großes Rudel bildete.

Doch Inark brauchte sie, um erfolgreich noch mehr Wölfe aufzugreifen.

Mit den Wölfen, die er zum Hauptrudel in den Norden schickte, gingen immer ein paar von Inarks Wölfen mit, damit die anderen auch sicher dort ankamen. Sie wurden quasi zur Eskorte mitgeschickt. Nach ihrer Reise in den Norden, ging es wieder zurück zu Inarks Rudel.

Doch nicht auf direktem Weg. Inark ließ sie einen weiten Bogen laufen, der mehrere Reviere umfasste, wo sie Tage zuvor die dort lebenden Wölfe angegriffen hatten.

Während diesem Umweg, suchten die dunklen Wölfe die Gegenden nach Flüchtlingen ab. Ab und zu fanden sie Überlebende. Diese wurden auf Befehl hin getötet, weil sie als Ausgestoßene für das große Rudel gesehen wurden.

Nun war es ein paar Monde her, seit Jurikin den Abgrund heruntergefallen war, als Inark endlich die östliche Küste erreichte.

Freude machte sich unter dem Rudel breit, da sie endlich ihr vorläufiges Ziel erreicht hatten: Das Erreichen der großen See.

Am selben Tag, als Jurikin damals seine Befehle von Taroxon bekommen hatte, die anderen Rudel im ganzen Land zu bekehren, bekam Inark im Geheimen die Befehle, Jurikin auszuschalten, das Rudel zu übernehmen und dieses bis zur östlichen Küste zu führen. Dabei sollte Inark die Aufgabe von Jurikin nahtlos übernehmen.

Beide Wölfe bekamen fast den gleichen Befehl, mit dem Unterschied, dass Inark ausschließlich die Rudel im östlichen Teil des Landes erobern sollte. Jurikin hätte den Fehler in seinen Befehlen bemerken müssen.

„Jurikin sollte in seinem Hochmut, den er nach diesem Befehl sicher haben würde, den Fehler nicht bemerken. Hätten wir ihm die gleichen Anweisungen wie dir gegeben, so würde er mit weniger Hochmut an die Sache herangehen. In seinem Rausch wird er sicherlich einen Fehler begehen und diesen Fehltritt musst du dir zu Nutze machen, Inark! Lösche meinen Sohn aus!"

Dies waren die Worte von Taroxon gewesen, die er Inark mitgeteilt hatte.

Die Worte von Taroxon spukten in seinem Kopf herum, als er auf den östlichen Ozean blickte.

Ein listiges Grinsen schlich sich in sein Gesicht, als er sich zu seinen wartenden Wölfen herumdrehte.

„Wölfe! Wie ihr sehen könnt, hat es einen Grund, weshalb die Markierungen so plötzlich aufhörten. Wir sind an unserem Ziel angekommen!"

Freudiges Aufjaulen ging durch die Wolfsreihen, als Inark ihren ersten Erfolg preisgab.

Als es wieder still wurde, fuhr Inark mit seiner Rede fort:

„Ihr wisst, was zu tun ist! Wir werden zum Hauptrudel zurückkehren und sofort aufbrechen. Es muss schleunigst Bericht erstattet werden. Lumus, komm her!"

Der letzte Satz glich mehr einem Befehl, als einer höflichen Bitte.

Der angesprochene Wolf kam sofort, mit gesenktem Haupt, angelaufen.

„Was ist, mein Rudelführer?", fragte Lumus, ohne aufzublicken.

Inark musterte den größeren Wolf vor sich eingehend. Es war ein Wolf, den man in einer Menge aus dunkleren Wölfen sofort erkennen konnte, da sein Fell zum größten Teil knallrot war.

Inark schenkte dem Wolf keinen weiteren Blick und drehte sich nach Norden.

„Ich will, dass du fünf Wölfe aus dem Rudel nimmst. Zwei Elementare und drei Normale. Mit ihnen begibst du dich in die Reviere der Wölfe, die wir unterworfen haben, bis du am Ausgangspunkt wieder ankommst, um von dort zurück zum Hauptrudel zu laufen. Kontrolliere jedes Revier und suche nach Überlebenden. Du weißt, was zu tun ist, wenn ihr welche findet."

Der rote Wolf verzog verwirrt das Gesicht.

„Die Reviere wurden doch bereits kontrolliert. Einige sogar mehrmals", antwortete Lumus schließlich.

Inark drehte sich knurrend herum.

„Gibst du die Befehle oder ich, Lumus? Kontrolliere die Reviere, wie ich es gesagt habe, oder soll ich Taroxon etwa berichten, dass du seine Befehle missachtest hast?"

Inark brüllte fast den Wolf vor sich an, der daraufhin gehorsam den Kopf senkte.

„Nein, ich werde fünf Wölfe nehmen und die Gegend auskundschaften. Tut mir leid wegen der Antwort. Ich werde alles tun, was Ihr befehlt, Rudelführer!"

Inark schnaubte zufrieden und sagte: „Das will ich auch hoffen. Nun geh!"

Daraufhin drehten sich beide Wölfe herum und ließen die Küste hinter sich. Der eine, um die Reviere zu kontrollieren, und der andere, um zurück zum Hauptrudel zu gehen.

Was dem einen Wolf nicht klar war, wieso er diesen eigenartigen Befehl entgegennehmen musste, erschien für den anderen eine beruhigende und sichere Vorgehensweise. Denn Lumus weiß nicht, dass Inark ihn nur ausschickte, um Sicherheit zu haben, dass wirklich alle Wölfe in den Gebieten verschwunden waren. Er hatte Angst vor der Strafe, die Taroxon für ihn bereithielt, wenn er nicht alle Wölfe in den Gebieten unterwarf oder tötete.

So zogen an diesem Abend zwei Rudel von der Küste aus, um ihren Befehlen nachzukommen.

An einem anderen Ort zur gleichen Zeit, trafen fünf Wölfe auf einen sechsten.

„Mein Name ist Ruki", erklärte gerade der sechste, ein grau-weißer Wolf.

Die anderen Wölfe blickten ihn etwas verwirrt an. Alle anderen Wölfe hatten damit gerechnet, dass der Neuankömmling kein Wort sagen würde, was bei seinem momentanen Zustand auch verständlich gewesen wäre.

Doch da stand Ruki, aufrecht und stolz vor ihnen und begann, ohne groß zu Stottern und sich die Schmerzen anmerken zu lassen, sich vorzustellen. Alle anderen Wölfe sahen, dass ihm das Sprechen schwerfiel.

Nach einiger Zeit trat Yen an den jungen Wolf heran, der kaum älter als er selbst zu sein schien, und schnupperte in geringem Abstand an ihm.

„Ich denke, du bleibst wirklich einige Tage bei uns. Deine Wunden sind sehr schlimm und einige beginnen schon rot zu werden. Die Wunden musst du dir bereits vor deinem Sturz geholt haben", sagte Yen und trat zurück.

„Ich wüsste aber gern, wer oder was dir diese Wunden zugefügt hat, vor allem die Verletzung an deiner linken Schulter."

Alle sahen die Schulter von Ruki an. Vor einigen Tagen dachte Ruki noch, sie würde heilen, doch das Gegenteil war eingetreten.

Die Wunde sah schlimmer aus als zuvor und hatte sich entzündet.

Ruhig blickte Ruki auf den Boden und schwieg.

Als Yen keine Antwort bekam schüttelte er den Kopf und sagte: „Ruki, ich würde sagen, dass du baden gehst. Dein ganzes Fell ist voller Blut und Dreck, sodass man nicht mal die Musterung darunter erkennen kann. Nyrona und Sikona werden dir helfen. Anschließend gehst du mit Sikona zu Esaila und beide werden sich um deine Wunden kümmern."

Nun blickte Ruki wieder auf und nickte. Ohne ein weiters Wort zu sagen, ging er mit Sikona und Nyrona zum Fluss. Die Wölfinnen mussten ihn stützen, damit er nicht stolperte und hinfiel.

Die anderen drei Wölfe blickten ihnen schweigend nach. Nach kurzer Zeit setzte sich auch Esaila in Bewegung.

„Ich werde schon einmal die Heilkräuter suchen gehen", waren ihre einzigen Worte, bevor auch sie verschwand.

Zurück blieben Yen und Nurik. Der größere Wolf schüttelte den Kopf und Nurik trat zu ihm.

„Was ist los?", fragte der rötliche Wolf und blickte seinen Freund besorgt an.

„Ich frage mich nur, woher Ruki die ganzen Wunden hat."

„Ich gebe dir recht, das ist schon eigenartig. Mich wundert es, wie er überhaupt mit diesen Wunden so lange überleben konnte, denn die Verletzungen waren schon um einiges älter. Er scheint zäher zu sein, als es der erste Anschein vermuten lässt."

Yen nickte. „Ich glaube, ich habe eine Vermutung, woher er kommt und was geschah."

Nurik blickte nun tief in Yens Augen, um die Antwort auf diese Annahme zu finden.

Der Feuerwolf nickte und wie aus einem Mund sagten beide Wölfe: „Finsterniswölfe."

Ein Knurren entfloh beiden Wolfskehlen, bevor sie wieder Richtung Fluss blickten.

Währenddessen führten die beiden Wölfinnen den Verletzten langsam in den Fluss.

Zischend holte Ruki Luft, als das kühle Nass seine pochenden Wunden umspülte. Doch er hielt tapfer durch und ging mit Sikona und Nyrona weiter hinein. Der Strom riss immer mehr an ihren Füßen, bis er drohte, Ruki mitzuziehen. Er wurde von Sikona aufgehalten, die an seiner rechten Seite stand und ihre Krallen in den Kies grub, um sie beide auf den Pfoten zu halten.

Nach kurzer Zeit hörte die Strömung plötzlich auf. „Danke Nyrona!", sagte Sikona und stellte sich und Ruki wieder aufrecht hin.

Nyrona nickte. „Schaffst du es, Ruki allein zu halten? Dann könnte ich seine linke Schulter besser auswaschen und auch die anderen Wunden säubern. Zudem wäre es gut, wenn du das Wasser etwas abkühlen könntest."

„Das ist kein Problem", antwortete Sikona.

Daraufhin sprang Nyrona mit einem Satz ins Wasser und kam nach ein paar schwimmenden Kreisen wieder zu ihnen zurück.

Ruki blickte daraufhin verwirrt Sikona an, die ihn aufmunternd anlächelte.

Man sah ihm seine Verwirrtheit über Nyronas Worte an. Er konnte es nicht glauben, dass ein Wolf das Wasser abkühlen konnte. Bereits nach wenigen Augenblicken spürte er eine angenehme Kälte, die eindeutig von Sikona ausging.

Ruki war fassungslos und blickte Sikona verwundert an.

„Wie kann es sein, dass du das Wasser abkühlen kannst? Eine Wasserwölfin bist du ja nicht. Die haben einen flossenartigen Schwanz, so wie Nyrona. Aber du?"

Daraufhin musste Sikona lachen. „Da hast du Recht. Ich bin keine Wasserwölfin wie meine Schwester. Doch mein Element ist etwas Ähnliches. Ich bin eine Eiswölfin. Das ist eine Abzweigung von Wasser."

Auf Rukis Gesicht verschwand der verwirrte Gesichtsausdruck. „Eine Abzweigung? Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Eine Eiswölfin! Das ist ja mal etwas Neues für mich. Nyrona ist wirklich deine Schwester? Ich meine, ihr seid zwei verschiedene Elemente und ..."

Da brach er ab und zuckte winselnd zusammen. Daraufhin erschien Nyronas Kopf aus dem Wasser. „Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor!"

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, verschwand sie auch schon wieder unter Wasser, um weiter die Wunden zu säubern.

„Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie schon angefangen hat."

„Nyrona ist halt eine gute Wasserwölfin. Um deine Frage zu beantworten. Nyrona ist meine Schwester. Deine Annahme zeigt, dass du nicht aus einem Gemischtrudel kommst, sondern aus einem reinen Rudel. In einem Gemischtrudel kann es häufig in einem Wurf unterschiedliche Elementwölfe geben. Es sind aber selten drei oder vier. Bei mir und meinen Geschwistern existiert schon eine Ausnahme."

„Eine Ausnahme? Dann ist Nyrona nicht deine einzige Schwester?", fragte Ruki neugierig.

„Nyrona ist nicht meine einzige Schwester. Esaila, die übrigens eine Waldwölfin ist, das ist eine seltene Abzweigung von Erde, und Nurik, ein Feuerwolf, sind auch meine und Nyronas Geschwister. Ich bin nur die Jüngste. Danach kommen Nurik und Esaila. Die Älteste ist Nyrona. Ich weiß, es ist verwirrend, aber du wirst dich daran schon gewöhnen. Wir sind alle vier aus dem gleichen Wurf."

Ruki wurde nach Sikonas Erklärung still. Daraufhin musste Sikona lachen, weil sie mit so einer Reaktion bereits gerechnet hatte.

Nach kurzer Zeit vernahm Sikona etwas, was sie am allerwenigsten in dieser Situation erwartet hätte. Ruki fing nun selbst zum Lachen an und murmelte dabei immer wieder: „Das ist verrückt."

Nach kurzer Zeit erschien erneut Nyronas Gesicht aus dem Wasser.

„Ich bin fertig! Darf man vielleicht wissen, weshalb ihr so herzhaft lacht?"

Daraufhin schüttelten sowohl Ruki als auch Sikona ihre Köpfe.

Nyrona legte verwirrt ihren Kopf schief, fragte aber nicht weiter nach. Sie half Sikona Ruki aus dem Wasser zu bringen.

Wieder am Ufer angekommen, löste sich Nyrona vorsichtig von seiner Seite. Noch immer strahlte Sikona ihre Kälte aus, die seine Schmerzen etwas linderten.

„Ich werde nun zu den anderen zurückgehen, um mich auszuruhen. Esaila kommt gleich, um dir mit den Schmerzen zu helfen und um die Wunden zu versorgen."

Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen, verschwand sie schnaufend hinter dem nächsten Hügel.

„Die Elementkraft geht zurück, deshalb muss sie sich erholen. Dieser kurze Einsatz ihrer Kräfte, hat ihr ziemlich zugesetzt", erklärte Sikona ohne auf die Frage von Ruki zu warten.

Ruki konnte nicht antworten, da schon Esaila über den Hügel zu ihnen trabte.

In ihrem Maul trug sie verschiedene Kräuter. Bei den beiden Wölfen angekommen, legte sie die Kräuter auf den Boden und betrachtete Ruki eingehend.

„Wie geht es dir, Ruki? Konnte das kalte Wasser deine Schmerzen lindern?"

Ruki nickte und fügte hinzu: „Es geht mir schon besser. Der Nebel in meinem Kopf ist dank der Kälte verschwunden und der Schmerz ist auch gelindert."

„Das ist schön. Lass mich mal deine Wunden betrachten."

Die kleine Waldwölfin sah sich die Wunden aufmerksam an und schnupperte auch an allen.

„Der Schmutz ist zum größten Teil weg und die Blutung ist wegen der Kälte zum Stillstand gekommen. Das sieht sehr gut aus! Für die Schmerzen und die Wundheilung habe ich dir ein paar Kräuter geholt, die du nur zu essen brauchst. Ich denke, ab morgen kannst du wieder allein aufstehen, aber du brauchst Ruhe! Das heißt, nachdem du die Kräuter gegessen hast, heißt es für dich erst einmal schlafen."

Ruki nickte und aß die Kräuter die Esaila ihm mitgebracht hatte. Sie schmeckten zwar bitter, doch Ruki aß sie auf. Ein wohliges Gefühl machte sich in seinem Magen breit.

„Lasst uns zurückgehen. Sikona, du kannst dich dann auch hinlegen. Am besten in Rukis Nähe, damit deine Körperkälte seine Wunden kühlt. Sie werden in der Nacht etwas pochen, aber die Kräuter und Sikonas Kälte werden die Beschwerden lindern."

Ruki staunte nicht schlecht über diese professionelle Hilfe und war dankbar, dass sie sich alle so sehr um ihn kümmerten.

Seinen Gedanken gab er an die beiden Wölfinnen weiter, bevor sie alle drei zurück zu den anderen gingen.

Dort angekommen legten sich Ruki und Sikona sogleich zu der schlafenden Nyrona. Es dauerte nicht lange und beide waren eingeschlafen.

„Ich übernehme die erste Wache. Geht schlafen. Wir hatten einen anstrengenden und aufregenden Tag", sagte Nurik nach einer Weile und blickte seine Schwester und Yen an.

Beide nickten und legten sich ebenfalls zu den anderen.

Bei ihnen dauerte es ebenfalls nicht lange und sie wurden vom Schlaf eingenommen.

Der Einzige, der wach blieb, war Nurik. Ruhig ließ er seinen Blick über die kleine Lichtung schweifen. Links neben ihnen erhoben sich die Felsen, von denen Ruki gestürzt war.

Neugierig blickte Nurik nach oben. Ihm plagte die Frage, was genau Ruki so sehr erschreckt hatte, dass er den Felsen heruntergestürzt war.

Um endlich Klarheit in das Gewirr aus Fragen in seinem Kopf zu bekommen, stand Nurik auf und begann einen Weg nach oben zu finden. Nurik wusste, dass er sich nicht zu weit entfernen durfte. Bevor er im Dickicht verschwand, blickte er noch einmal zurück, um sich zu vergewissern, dass auch alle schliefen.

Finsternis. Finsternis und Düsternis senkten sich um ihn herum. Es schien, als sei kein Entkommen. Überall, wohin er blickte, war es dunkel.

Kein Licht brannte und auch kein Horizont war zu erkennen.

Das Leben war an diesem Ort tot. Nur er selbst schien in dieser Leere zu existieren. Es war, als würde man in dieser Gegend den Tot mit den Pfoten greifen können, so nah schien er zu sein.

Mit dem Gefühl des Todes kam auch die Angst. Angst, als Nächster die kühlen Schwingen des Todes zu spüren.

Das Gefühl nach Flucht begann in ihm zu keimen und so begann er zu rennen. Vor der Angst und dem Tod zu fliehen. Doch er wusste nicht, wohin er floh. In dieser schwarzen Welt war alles gleich.

Ihm war es auch egal und er hörte weiter auf seine Gefühle, denn er wusste, wenn er stehen blieb, holte ihn die Angst ein.

Hoffnung, die er am Anfang hatte, Hoffnung auf ein Ende, schwand mit der Zeit. Das Gefühl wollte nicht verschwinden.

Er verlor jegliches Zeitgefühl. War es Tag oder Nacht? Diese Frage konnte er nicht beantworten.

Doch ihm war es gleich. Er wollte nur hier weg.

So plötzlich wie die Angst kam, verschwand sie auch wieder. Die Hoffnung kam an ihrer Stelle zurück und daraufhin blieb er stehen. Noch immer war es dunkel, doch dieses Mal konnte er ein Licht vor sich erkennen. Es war klein, doch er sah es deutlich vor sich.

Neugierig begann er erneut zu rennen und die Angst kam zurück. Stärker als zuvor, versuchte sie ihn einzuholen.

Der Wolf beschleunigte seinen Schritt und versuchte, das Licht zu erreichen.

Eher er es erreichen konnte, verschwand das Licht wieder und er blieb erneut im Dunkeln stehen.

Alles um ihn herum war vergessen. Die Angst und die Hoffnung blieben aus, genauso wie der Tod.

Doch eines kam: Die Erinnerung. Die Erinnerung, dass er dies alles schon einmal erlebt hatte.

Keuchend wachte Yen aus dem Alptraum auf. Er blieb einige Zeit liegen und blickte sich verwirrt um. Erleichtert stellte er fest, dass er genau da lag, wo er eingeschlafen war. Kaum hatte sich seine Atmung wieder beruhigt, stand er auf und entfernte sich von den anderen schlafenden Wölfen.

Keiner schien etwas bemerkt zu haben.

Beruhigt musste er feststellen, dass nun auch Nurik schlief. An seiner Stelle hielt nun Nyrona Wache. Die Wasserwölfin war nirgends zu sehen.

Ihr Nachtlager hatten sie etwas abseits vom Fluss und von der Stelle errichtet, an der Ruki von der Klippe gefallen war.

Yen ging an die Stelle zurück, wo Ruki zu ihnen gestoßen war. Dort setzte er sich hin und versuchte, seine Gedanken zu beruhigen.

Die Kühle der Nacht half ihm dabei.

Yen blieb nicht lange allein, da vernahm er hinter sich ein Schnaufen.

Der dunkle Wolf brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, welcher Wolf zu ihm kam

Ruki setzte sich mit einem deutlich anstrengenden Schnaufen neben Yen.

„Du dürftest gar nicht hier sein, Ruki. Du brauchst deinen Schlaf."

„Genau deshalb bin ich hier. Ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Genauso wie du nehme ich an? Ich habe dich gehört und bin dir gefolgt", sagte Ruki und wich so dem Tadel aus.

Yen schüttelte lachend den Kopf.

„Das stimmt, ich konnte auch nicht mehr einschlafen."

Es wurde still. Nur noch das Atmen beider Wölfe war zu hören und die wenigen Geräusche der Nacht. Nach kurzer Zeit brach Ruki die Stille.

„Du hattest einen Albtraum?"

Besorgt blickte Ruki Yen an. Yen spürte, dass in seinem Blick eine aufrichtige Besorgnis war. Überrascht, dass sich Ruki Sorgen machte, obwohl sie sich gerade Mal einen Tag kannten, blickte er nun seinerseits Ruki an.

„Leider ja, ich hatte einen Albtraum. Aber woher weißt du das?"

„Ich habe dich etwas im Schlaf beobachtet und mir fiel auf, dass du sehr unruhig warst. War der Traum sehr schlimm?", fragte Ruki noch immer besorgt.

Daraufhin blickte Yen nach oben in den Sternehimmel. Es begann schon zu dämmern. Yen traf eine Entscheidung und hoffte, diese später nicht zu bereuen. Ein Gefühl in ihm sagte ihm, dass er Ruki vertrauen konnte.

„Für mich war der Traum sehr schlimm. Ich weiß aber, dass ich ihn nicht zum ersten Mal hatte. Keine Ahnung wieso ich mich daran erinnere, aber ich musste den Traum bereits vor meinem Gedächtnisverlust gehabt haben. Der Traum ist das erste, an das ich mich erinnern kann. Ruki, du musst wissen, dass mein wahrer Name nicht Yen ist. Ich weiß ihn nicht und kann mich auch an mein Leben vor meinem Verlust nicht erinnern. Ich wurde von einer freien Wölfin namens Kora gefunden und lebte einige Zeit mit ihr und zwei weiteren freien Wölfen zusammen. Nach einiger Zeit traf ich eine Entscheidung. Ich sah viel Leid und Tod auf meinem Weg durch das Land. Daraufhin beschloss ich, anderen Wölfen zu helfen. Kurz darauf traf ich auf die vier Geschwister und ihr Rudel. Dort blieb ich einige Zeit, doch ich konnte nicht länger verweilen. Das Rudel war momentan sicher und ich wollte anderen helfen und herausfinden, wer ich wirklich bin. Mir gab jemand einen Tipp, dass eine gewisse Wölfin namens „Die Seherin" mir Antworten auf das Verschwinden der Rudel liefen könnte. So brach ich auf und die Geschwister folgten mir. Kaum waren wir aus ihrem Revier raus, trafen wir auf dich. Das war alles, woran ich mich erinnere. Wir zogen aus, um eine alte Prophezeiung zu unterstützen."

Wieder wurde es still um sie herum. Ruki brach erneut die Stille.

„Das ist sehr traurig, wenn man nicht mehr weiß, wer man ist. Doch eins sei dir gesagt: Bevor wir uns trafen, hatte auch ich eine schlimme Zeit, von der ich dir jetzt nicht näher erzählen möchte. Ich finde es schön, dass du dich mir anvertraut hast, was deinen Albtraum und deinen Gedächtnisverlust angeht."

„Danke, Ruki. Erzähl mir deine Geschichte, wann du willst!"

Beide lächelten sich an.

„Eine Sache werde ich dir erzählen", fuhr Ruki fort. „Ich bin ebenfalls auf der Suche nach einer Wölfin namens „Die Seherin" und auch ich will die alte Prophezeiung unterstützen. Deshalb denke ich, werde ich euch begleiten. Ob nur zu der Seherin oder weiter, weiß ich noch nicht, aber ich bin dankbar, euch getroffen zu haben. Ich hoffe, ich kann euch eine Hilfe sein."

Yen war andererseits auch Ruki dankbar und fragte nicht nach, woher er von der alten Prophezeiung und der Seherin weiß.

Er hatte auch keine Zeit weitere Fragen zu stellen, da bereits die Geschwister zu ihnen kamen.

Allen vornweg lief Sikona, die sich freudig zu ihnen gesellte. Auch die anderen Wölfe trafen nacheinander ein.

„Kann es sein, dass ihr gelauscht habt?", fragte Yen, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten.

Unschuldig legten alle vier Geschwister ihre Ohren zurück.

„Wir haben nur gehört, wie Ruki gesagt hat, dass er uns begleiten will."

Da fing Yen das Lachen an und die anderen Wölfe stimmten mit ihm ein. Yen war ihnen nicht böse. Eher im Gegenteil. Er war froh, dass sie bei ihm waren.

„Wenn ihr schon alle hier seid. Ich danke euch, dass ihr mir helft. Das ist sehr nett von euch und ich hoffe, ich kann mich irgendwann revanchieren", sagte Ruki nach einiger Zeit und das Lachen verebbte.

„Das ist doch kein Problem. Wir sind alle sehr hilfsbereit!", sagte Nurik und lächelte Ruki an.

„Da wäre noch etwas, was ich euch sagen wollte. Das habe ich bei meiner Vorstellung ganz vergessen."

Nun blickten alle Wölfe Ruki neugierig an.

„Obwohl ich für euch eher wie ein normaler Wolf aussehen muss, bin ich ein Windwolf. Solltest ihr mal frischen Wind brauchen, bin ich zur Stelle!"

Kaum hatte er seine Worte ausgesprochen, zog auch schon eine kühle Briese in ihre Felle.

Nuriks Feuermähne zischte sogar kurz auf.

„Das ist großartig. Nun sind wir fünf Elementwölfe in der Gruppe. Alle, außer Yen!", sprach Esaila die Wahrheit aus.

Aufgrund dieser Frechheit wollte Yen protestieren. Er kam nicht dazu, da alle anderen Wölfe bereits wieder lachten. Da hatte er keine Wahl und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

~~Aus fünf mach sechs Ende~~

Wird Ruki weiterhin bei den fünf Wölfen bleiben?

Was genau hat es mit den dunklen Wölfen auf sich?

Werden die sechs Wölfe ihr gemeinsames Ziel erreichen?

Oder werden sie am Ende doch versagen?

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