Kapitel 7

Kleine Nebelwolken bildeten sich vor seinem Gesicht.

Ungeduldig lehnte er mit den Rücken an der kalten Mauer.

Levi war nun wirklich nicht der Mensch, der stundenlang auf jemanden wartet.

Und eigentlich wusste Kenny dies nur zu gut. Es war reine Absicht, dass er Levi warten ließ.

Mit finsterer Miene stand er in der Seitengasse und überlegte schon einfach wieder zugehen. Schließlich hatte er doch diesen Tag ausgesucht und nun verspätete er sich zu seinem eigenen festgelegten Termin.

Genervt sah Levi auf sein Handy und setzte Kenny noch ein Zeitlimit von fünf Minuten, ehe er wirklich gehen würde.

Doch kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende geführt, hörte er auch schon Schritte, die sich ihm näherten.

Der Alte kam doch noch. Seine Gangart würde Levi überall wieder erkennen.

Mit einem Brummen stieß sich der Schwarzhaarige von der Mauer ab und kam Kenny entgegen. Ein selbstgefälliges Grinsen umspielte seine Züge als er Levi erblickte und sie sich gegenüber standen. „Sag mal, bist du noch kleiner geworden?!", stichelte Kenny und seine Augen funkelten unter dem Rand seines Hutes hervor.

„Tcch! Laber nicht unnötig herum!", zischte Levi und verschränkte die Arme. „Also, du wolltest mir mehr Informationen geben?!"

Kenny schob sich an ihm vorbei und blickte ihn über seine Schulter an. „Lass uns ein Stück gehen Kleiner."

„Tcch!"

Mit dunkler Miene folgte Levi dem Alten weiter die Gasse hinauf.

Immer weiter schritten sie in die Dunkelheit und bogen in verschiedene kleine Gassen ab, bis sie in einer zum still stand, kamen und direkt auf ein größeres Gebäude blickten.

Sofort wusste Levi, dass dieses Gebäude ein Hotel war. Aber da er sich in dieser Stadt nicht auskannte, wartete er ungeduldig, bis Kenny endlich mit Informationen raus rückte.

„Du warst hier noch nie, was Kleiner?! Du hängst mir ja am Rockzipfel wie damals", lachte Kenny und richtete seinen Hut etwas. Levi verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Mauer.

„Mach endlich dein Maul auf! Ich bin nicht hier um mit dir spazieren zugehen!", gab er gereizt an und sah sich die Umgebung um das Gebäude genau an.

„Lass mich raten, in diesem Hotel ist einer abgestiegen, der euch im Weg ist?!"

Kenny schnalzte mit der Zunge. „Guter Junge, du liegst goldrichtig. Dieser Pisser hat sich hier abgesetzt und dachte wohl, wir finden ihn nicht, nur weil er unter einem falschen Namen eingecheckt hat", gab er an und zündete sich eine Zigarette an. „Dieser Bastard hat die Schulden beim Boss immer noch nicht beglichen. Und jetzt muss er dies halt mit seinen Leben tun. Du weißt ja, wie das läuft Kleiner", fuhr Kenny fort und atmete Rauch aus seiner Lunge. „Ich hoffe, du bist die Zeit über nicht eingerostet."

„Was soll meine Aufgabe dabei sein? Diesen kleinen Fisch schaffst du doch auch locker. Ich sehe keine Notwendigkeit, dass ich hier bin", kommentierte Levi und verengte seine Augen.

„Da hast du was falsch verstanden", antwortete Kenny. „Ich sollte dir nur das Objekt und das Ziel zeigen. Der Boss will sehen, ob du es noch drauf hast", sprach er weiter und legte seinen Zeigefinger an seine Schläfe, um einen Schuss anzudeuten. „Ich hoffe doch sehr, du hast nichts verlernt Kleiner."

Kenny beugte sich zu Levi herunter und grinste ihn provokant an. Die Augen des Schwarzhaarigen verdunkelten sich zusehends.

Mit einer schnellen Handbewegung griff Levi in seine innere Jackentasche und holte einen Revolver hervor. Dessen Lauf platzierte er gekonnt an Kennys Stirn.

„Willst du es heraus finden?!", hakte Levi kühl nach und der Alte sah ihn einfach nur an.

Ehe dieser sich wieder aufrichtete und kehlig auflachte. „Du bist immer noch viel zu leicht reizbar Kleiner! Aber genau das mag der Boss so an dir. Hier!"

Kenny kramte in seiner Jackentasche und holte einen Briefumschlag hervor, den er Levi überreichte. Dieser hatte währenddessen seinen Revolver wieder eingesteckt.

„Da drin findest du weitere Informationen und natürlich ein Foto des Bastards", erklärte Kenny und wandte sich um zum Gehen. „Ach ja, ehe ich es vergesse", fiel ihm noch ein. „Komm mit zu meinen Wagen!"

Levi zog die Brauen zusammen. „Wozu? Fährst du mich etwas nach Hause, oder was?!"

„Laber keinen Scheiß Kleiner. Du kannst mit der verkackten Bahn zurückfahren. Nein, ich will dir was zeigen."

Da beide eh den gleichen Rückweg hatten, zuckte Levi nur mit den Schultern zur Antwort und folgte Kenny weiter durch die Gassen, bis zu seinem Wagen.

„Was wolltest du mir zeigen? Ich will nach Hause!"

Kenny jedoch grinste nur und öffnete den Kofferraum seines Wagens. „Na komm her Kleiner, du solltest dir das angucken!"

Levi brummte genervt auf und stellte sich neben Kenny. Mit ausdrucksloser Miene blickte er in den Kofferraum. Seine Augen weiteten sich für eine Millisekunde.

Dort lag das Mädchen. Geknebelt und gefesselt. Offensichtlich war sie ohnmächtig. Levi schluckte und sah zu Kenny.

„Du hast dir zwar ne hübsche Puppe ausgeguckt Kleiner, aber die Hellste ist sie nicht gerade. Ich hab sie hier in der Umgebung aufgegabelt. Ganz allein saß sie auf einer Parkbank. Man hätte sie echt für eine Obdachlose halten können", grinste Kenny. „Es war kein Problem sie zu meinen Wagen zu locken. Ich hab einfach den fürsorglichen Opa gespielt. Einen Rentner traut man ja keine Gewalttat zu, nicht wahr Kleiner?! Aber", Kenny hielt kurz inne und sah Anda an, „sie ähnelt ihr schon ein wenig.", murmelte er.

Levi sah ihn nur ausdruckslos an, bis er wieder zu Anda sah.

Wie sie da lag, völlig hilflos. Levis Magen zog sich zusammen.

Wie ein innerer Impuls streckte er die Hand nach ihr aus, bis plötzlich die Kofferraumklappe zuschlug. Noch etwas neben sich starrte Levi nur die Klappe an, doch schnell fasste er sich wieder und wandte sich um.

„Hab schon verstanden", brummte Levi und sah ein letztes Mal zu Kenny. „Bevor ihr es mit bekommt, ist das Schwein tot."

Dann ging er weiter, auf den Weg zur Bahn.

Kenny richtete seinen Hut und grinste zufrieden, ehe er mit seinem Wagen wegfuhr.

*

Levi sass einfach nur in seinem Sessel und hatte die Hände in den Nacken gelegt.

Wie so oft schoss ihm wieder durch den Kopf, was er hier eigentlich tat.

Mit einem verächtlichen Blick schob er das Handtuch zu seinen Füssen beiseite, mit dem er sich vor wenigen Minuten hektisch das Blut von den Händen gewischt hatte.

Daneben lag seine, mit Dreck übersäte, Hose.

Frisch geduscht und eingekleidet saß er in seinem Wohnzimmer und hörte dem Sekundenzeiger seiner Uhr zu.

Seine Gedanken waren völlig leer gefegt.

Er stand auf und atmete hörbar aus.

Dann nahm er die Sachen vom Fußboden und ging mit ihnen ins Bad, um sie in die Waschmaschine zu stopfen.

Gerade als er das Badezimmer wieder verlassen wollte, blieb er vorm Spiegel stehen und starrte sein Spiegelbild an.

Seine Brauen schoben sich zusammen und er verfluchte sich selber das er wieder in dieser Scheiße drin war.

Er hatte diesem Verein nicht umsonst vor Jahren den Rücken gekehrt.

Als er Hanji und Mike kennen lernte, schwor er sich nie wieder etwas in den Untergrundkreisen zutun zu haben.

Und nun beseitigte seine Waschmaschine erneut Spuren.

Levi stützte sich am Waschbecken ab und fuhr mit seinen Zeigefinger und Daumen über seine Augenlider.

War er eigentlich total bescheuert? Tat er dies alles wirklich, nur damit dieses Mädel ihm gehören konnte?

Als er sie in Kennys Kofferraum gesehen hatte, wusste er, er konnte es sich nicht anders überlegen.

Dadurch das er selbst Anda beobachtete, hatte er sie doch unwissentlich mit hinein gezogen, und alles nur, weil er selber beobachtet wurde.

Anscheinend hatte die Zeit mit der Band doch bestimmte Sinne bei ihm abgestumpft. Früher hätte er es bemerkt, wenn ihn jemand beschattete.

Levis Kiefer spannte sich an. Er hasste sich selbst.

Sich selbst für sein unbedachtes Handeln.

Sein angespannter Körper fuhr auf. Mit ausdruckslosen Augen zog er sein Handy aus der Hosentasche hervor und blickte auf das Display.

„Hey Kleiner! Gute Arbeit. Ich wusste doch, du hast nichts verlernt", begrüßte ihn Kenny, als Levi abnahm.

Dieser brummte nur zur Antwort. „Der Boss ist auch sehr zufrieden mit dir."

Immer noch kam kein Wort von Levi. Mit dunklen Augen sah er weiter sein Spiegelbild an.

„Wie es aus sieht, schläft Dornröschen wohl noch", lachte Kenny. Nun sah der Schwarzhaarige auf und runzelte die Stirn.

„Vielleicht solltest du runter in den Keller. Dir einen Wein daraus gönnen", fuhr der Alte fort und legte auf.

Irritiert sah Levi aufs Display, dann schüttelte er den Kopf, steckte das Handy wieder ein und verließ das Bad.

Er musste Anda aus Kennys Fängen befreien!

Dieser Typ war unberechenbar.

Erneut wurden seine Gedanken unterbrochen, als er ein stumpfes Poltern hörte.

Levi schenkte dem aber keine weitere Bedeutung, wahrscheinlich war es eh die Waschmaschine.

Er massierte sich den Nacken und blieb vor der Kellertür stehen.

Dann fuhr er auf und riss die Tür auf. Das schwache Licht vom Flur schien die Kellertreppe hinab und er blickten in große grüne Augen.

Mit zitternden Körper lag Anda am Fuße der Treppe und starrte Levi verängstigt und panisch an. 

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