Kapitel 2

Ich konnte die Empfindungen, die sich in mir abspielten, nicht ordnen.

Alles in meinem Kopf drehte sich. Die Musik strömte durch jede Faser meines Körpers. Levis Stimme drang immer tiefer in meine Seele. Mit wackeligen Beinen tat ich einen Schritt zurück und ging zu der Couch.

Auf dieser saß das blonde Mädchen und filmte eifrig die Bühnenshow.

Ich setzte mich reizüberflutet hin und starrte auf die Bühne. Eine einzelne Träne rollte über meine Wange.

„Ist er nicht einfach toll?", kreischte die Blonde neben mir und sie holte mich aus meiner Trance. Mit erhobenen Brauen sah ich sie fragend an. „Na, wie er das Schlagzeug spielt, einfach nur Hammer", lächelte sie und filmte weiter.

Sie meinte Mike. Auf meinen Lippen spielte sich ein Lächeln ab.

„Die ganze Band ist einfach nur Hammer", antwortete ich und holte mein Handy hervor.

Die nächsten zwei Stunden, sangen, kreischten und tanzten wir zu der Musik.

In dieser Zeit hatten wir die Speicher unserer Handys mehr als einmal durchsortiert. Keine von uns kannte den Namen der Anderen, aber dies war egal.

Die Musik verband uns und wir verstanden uns, als wären wir schon jahrelang befreundet.

Den Inhalt der Minibar hatten wir längst ausprobiert. An diesen Abend waren wir einfach nur frei.

Frei von jeglichen Zwängen der Gesellschaft, von der Intoleranz unseres Umfeldes, frei von allen Regeln. Nach Ewigkeiten war dies der glücklichste Augenblick in meinen Leben und er verging leider viel zu schnell.

Ehe wir beide uns versahen, waren die zwei Stunden im Flug vergangen.

Gebannt und mit einer Träne im Augenwinkel lauschten wir der Abschieds- und Dankesrede der Gitarristin Hanji.

Im Gegensatz zu mir war die Blonde noch voller Energie.

Was wohl auch daran lag, dass sie den Inhalt der Minibar mehr ausprobiert hatte als ich. Aufgeregt hüpfte sie auf und ab.

„Oh mein Gott, wir treffen sie jetzt, oder? Oder?", fragte sie aufgeregt.

Ich verzog die Lippen zu einem Lächeln und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß leider nicht, wie sowas abläuft."

Und schon kehrte dieses schwere Bauchkribbeln zurück. Ich schluckte schwer.

Wie sollte ich mich verhalten? Gleichzeitig schüttelte ich den Kopf.

Es waren auch nur Menschen! Und bestimmt waren sie, die Letzten, die auf höfliche Wortwechsel achteten. Die Blonde schritt aufgeregt im Raum hin und her.

„Boah, verdammt! Ich muss auf Klo.", jammerte sie und wandte sich zur Tür. „Ich bin gleich wieder zurück. Falls sie in dieser Zeit ..."

„Ich werde Bescheid geben", sicherte ich ihr zu.

Mit einem Grinsen verließ sie den Raum.

Jetzt wo ich alleine im Raum saß, wurde meine Aufregung größer und größer.

Ich blickte hinunter zu der Halle, sie wurde immer leerer. Während ich hinunter blickte hörte ich wie die Tür auf ging.

Mit einem vielsagenden Grinsen drehte ich mich um. „Du hast dich ja total ..."

Ich brach mitten im Satz ab und starrte ungläubig mein Gegenüber an.

Mit einem breiten Lächeln schritt sie auf mich zu und drängte mich mit den Rücken gegen die Glasscheibe. Neugierig beäugte sie mich von oben nach unten und ihr Lächeln wurde breiter.

Fast schon gruselig.

Ich traute mich, nicht zu atmen.

Hanji stand vor mir, als wäre ich eine Zoo-Attraktion.

Dabei müsste ich so vor ihr stehen.

Ich hatte schon oft gelesen das ihre Art, wie bei allen Mitgliedern, speziell sein soll.

War das damit gemeint?!

Sie legte ihre Hände auf meine Schultern.

„Na, meine Liebe und wie war's?", fragte sie und ihre Augen leuchteten. Immer weiter beschlugen ihre Brillengläser.

Perplex und völlig überfordert starrte ich sie an.

„Ähm ... ich heiße Anda ..."

„Freut mich Anda und herzlichen Glückwunsch das du eines der zwei Tickets bekommen hast. Moment", sie sah sich um. „Wo ist denn der zweite Glückspilz?"

„Sie ist auf Toilette."

„Ah! Und was glaubst du, wer diese Idee mit den Tickets hatte?"

Ich blinzelte. War das jetzt eine Pfandfrage?!

Ich überlegte kurz. „I-ich denke, Ihre ..."

Hanji verzog das Gesicht, erhob sich und tätschelte meinen Kopf. „Hör auf mich so förmlich anzusprechen!", lachte sie. „Ich komm mir ja sonst vor wie eine Oma!"

Sie stemmte die Hände an ihren Hüften. „Aber, Bingo, es war meine Idee. Wenn es nach bestimmten Mitgliedern gegangen wäre, hätte es nicht mal eine Abschiedsrede gegeben", schmollte sie.

Bei diesem Anblick musste ich schmunzeln. Ich konnte mir vorstellen, wen sie meinte. Ein zweites mal ging die Tür und wir beide sahen auf. Die Blonde war zurück.

Wie eine Steinsäule stand sie zuerst einfach nur da, als sie Hanji erblickte und dann kreischte sie auf.

„Oh mein Gott!", wisperte sie aufgebracht, ging zu Hanji hinüber und schüttelte euphorisch ihre Hände, „Es freut mich so dich kennen zulernen!"

„Dann bist du also der zweite Glückspilz", lächelte die Brillenträgerin. „Freut mich ebenfalls. Wie heißt du?"

„I-ich bin Shiho."

Hanji grinste in sich hinein und wies Shiho auf einen Sessel. Völlig hippelig setzte sich diese.

„Es ist schade, das ihr aufhört. Warum so plötzlich?", erkundigte sich Shiho.

Dies war eine gute Frage. Auf ihrer Homepage hatten sie sich nicht dazu geäußert.

„Nun ja", lächelte Hanji verschmitzt, „das ..."

„Es war mehr eine Entscheidung des Frontmanns."

Alle sahen auf.

Der blonde Riese trat in den Raum. Freudig ging Hanji auf den Schlagzeuger Mike zu.

„Wo ist denn unser Frontmann bitte?!", fragte sie und kniff die Augen zusammen. Mike schritt auf uns zu. „Diese Frage verstehe ich nicht. Das müsstest du doch wissen", antwortete er, während er uns die Hand reichte. „Freut mich", fuhr er fort.

Ich sah kurz zu Shiho. Diese starrte ihre Hand an, als wolle sie diese nie wieder waschen, ehe sie wieder mit leuchtenden Augen zu den Riesen aufsah.

Hanji schnaubte auf. „Kann er das wenigstens nicht heute lassen? Mensch, die Mädels sind schon aufgeregt vom langen Warten", nuschelte sie.

Mike zuckte mit den Schultern und lächelte süffisant, als er sich gegen die Rückenlehne der Couch stellte.

Ich sah die beiden Bandmitglieder abwechselnd an. Im Gegensatz zu Mike, der besonnen und ruhig wirkte, war Hanji das reinste Energiebündel.

„Jetzt reicht es!", kreischte plötzlich Hanji auf. „Ich werde ihn holen!"

Mike schüttelte den Kopf. „Lass es! Weißt du nicht mehr, was letztes mal passiert ist?!"

Hanjis Augen weiteten sich und sie hielt mitten in der Bewegung inne. „Ja, ich weiß", murmelte sie. „Aber ..."

„Nichts aber! Wir müssen halt warten. Setz dich endlich hin!"

Wie ein kleines Kind setzte sich Hanji zwischen mir und Shiho auf den Boden und verschränkte die Arme.

„Der kann was erleben", nuschelte sie verärgert und fixierte die Tür.

Ich presste die Lippen zusammen und überlegte, ob ich meine Frage stellen sollte.

„Ähm ... stimmt es das ihr die Band nur aus einer Laune heraus gegründet habt?"

Ich sah auf. Shiho kam mir zuvor.

Hanji lachte auf. „So ziemlich ja. Wir hatten nie vor berühmt zu werden, oder so etwas. Aber nachdem sich alles so entwickelt hatte, konnte ich Levi doch überzeugen, unter Vertrag zu gehen. Du willst nicht wissen, wie viele Manager wir schon hatten."

„Hanji!", ermahnte sie Mike.

„Was denn?! Soll das keiner wissen?! Mein Gott."

Eine Stille legte sich plötzlich über den Raum.

„Das war sicher alles anstrengend zusammen mit deinem Psychologie Studium", versuchte ich, das Schweigen zu brechen.

Hanjis Augen funkelten auf, als sie zu mir sah. „Es ging, du wärst überrascht."

Ich hörte einen leichten Seufzer seitens Mike.

„Interessiert dich dieses Thema?", fragte sie und ihre Wangen erröteten vor Begeisterung.

„Nun ja ... etwas ...", entgegnete ich.

Hanjis Lächeln wurde immer breiter und sie rückte zu mir. „Was willst du wissen? Ich kann ..." Ihr Satz brach mit dem Geräusch der aufgehenden Tür ab.

Alle sahen die Richtung des Geräuschpegels.

Mein Körper spannte sich an bei dem Anblick des Frontsängers Levi. Und mein Puls begann in die Höhe zu schnellen.

„Da bist du ja endlich. Es ist unhöflich unsere Fans warten zulassen", ermahnte ihn Hanji.

Levi verengte seine Augen und sah sie an. Ohne eine Miene zu verziehen ging er zu der Minibar hinüber und kippte sich ein Glas Whiskey ein.

„Also wirklich! Dein Ernst?", hinterfragte Hanji schrill. „Vor unseren ..."

„Halt die Klappe!", unterbrach sie Levi scharf und nahm einen Schluck, während er zuerst zu Shiho und dann zu mir blickte. „Ihr habt also diese blödsinnigen Tickets bekommen, ja?"

Shiho nickte zögerlich. Ich hingegen starrte ihn nur an, bis ich nickend zustimmte. „Tcch! Erwartet bloß nicht zu viel", fuhr er gleichgültig fort und sah kurz den Inhalt seines Glases an.

„Was heißt hier blödsinnig?", sagte Hanji empört. „Du wärst von der Bildfläche verschwunden, ohne ein Abschiedskonzert. Die Fans haben sicher gemerkt, dass du keine Lust draufhattest. Bei vielen Songs hast du Strophen weggelassen Levi!"

„So kann keiner behaupten, es wäre Playback. Außerdem war es deine beschissene Idee."

„Was ist das denn für eine Begründung?"

Mike räusperte sich und die beiden sahen zu ihm.

Levi's Gesichtsausdruck zeigte eindeutig, wie genervt er von alldem war.

Ich sah kurz zu Shiho, die hatte ihre Augen wieder unbemerkt auf Mike gerichtet.

„Habt ihr eure Zungen verschluckt?", erkundigte sich Levi bissig. „Wenn das hier so weiter geht kann ich auch gehen."

„Du bleibst gefälligst hier!", warf Hanji ein.

„Tcch!" Levi nahm einen Schluck aus seinem Glas und sah zu mir herüber.

Unter seinem ernsten Blick wurden meine Knie weich und ich war froh, zu sitzen.

„Hey!"

Ich fuhr innerlich zusammen und sah zögerlich auf, mein Blick schweifte wieder kurz zu Shiho, die klebte immer noch mit ihren Augen an Mike und hatte sich in ein Gespräch mit ihm verfangen.

„Ich meine dich!", zischte Levi und ich wusste nun endgültig das er mit mir sprach.

„Rede nicht so! Sie hat schließlich einen Namen", mischte sich Hanji ein.

„Den hat sie mir nicht genannt.", antwortete Levi grimmig und wandte sich wieder zu mir. „Du bist enttäuscht, oder?!"

Ich blinzelte. Enttäuscht?! Wie versteinert saß ich da und blickte Levi an.

„N-Nein!", platzte es aus mir heraus, „I-ich bin nicht enttäuscht! Ich bin ... ich bin hierhergefahren, ohne eine Ahnung davon zu haben das es diese zwei speziellen Tickets überhaupt gibt", beendete ich atemlos den Satz.

Levi sah mich einen Augenblick an, ehe er etwas brummte und sich wieder seinem Getränk zu wandte.

„Niemals ist dir eine Antwort gut genug", murrte Hanji und ging zu ihm herüber.

Mit einem breiten Grinsen tippte sie seine Stirn an. „Wie gerne würde ich in diesen Kopf hinein schauen. Deine Gedankengänge interessieren mich", grinste sie.

Genervt schlug Levi ihre Hand weg. „Ich bin nicht dein Testobjekt Vierauge!"

„Was ist nun? Wollt ihr ein Autogramm oder nicht?! Ich will nämlich gehen!", warf er genervt ein und verschränkte die Arme.

„Was?! Ich habe dir doch gesagt du blei ..."

Erneut ging die Tür auf und unterbrach Hanji.

Wieder sahen alle auf. Ein Mann betrat den Raum. In seinem Anzug sah er wie eine wichtige Person aus.

„Ich störe die Party ja nur ungern mit euren Groupies, aber es ist schon alles verstaut. Wir müssen los", sagte er monoton und sah mich und Shiho kurz an.

Ich fragte mich, ob es der Manager der Band war.

„Aber die Zeit war doch viel zu kurz", jammerte Hanji wie ein kleines Kind.

Mike legte seine Hand auf ihre Schulter, als er neben ihr trat.

„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Gebt noch schnell eine Unterschrift, oder was weiß ich", kommentierte der Mann streng und sah dann zu Levi. „Ich geh davon aus, du fährst wieder nicht mit uns, oder?!"

Man konnte die dunkle Stimmung, die von Levi aus ging, förmlich spüren.

Hanji hingegen tat so, als hätte sie das nicht gehört und ging zu mir und Shiho. Mit traurigem Gesicht nahm sie je eine Hand von uns.

„Es tut mir sooo leid, dass es so kurz mit euch war", wimmerte sie und kramte dann einen Stift aus ihrer Hosentasche. „Aber eine Unterschrift ist jawohl das mindeste", grinste sie. Ohne zu fragen, setzte sie ihre Unterschrift auf unsere Taschen. Mit einem höflichen Lächeln verabschiedete sich Mike von uns und folgte Hanji.

In völliger Euphorie folgte Shiho ihm. Wahrscheinlich wollte sie noch die letzten Minuten an seinen Rockzipfel hängen.

Irgendwo konnte ich es nachvollziehen, nur war die Person, die meinen Puls beschleunigte, nicht gerade so freundlich und umgänglich.

Ein Seufzer entfloh meiner Kehle und ich schulterte meine Tasche.

„Tcch! Zuerst soll ich hierbleiben und dann kann es euch allen nicht schnell genug gehen." Erschrocken drehte ich mich um.

Stimmt, Levi war hier! Bei dieser Tatsache spürte ich, wie meine Knie weich wurden.

Oh mein Gott! Wieso waren auf einmal alle anderen weg? Hallo? Ich war schließlich noch im Gebäude! Wird man nicht hinausbegleitet oder so?

Levi leerte das Glas und ging auf mich zu.

Ich stand einfach nur da, wie ein Reh vor Scheinwerfern eines Autos.

Ohne ein weiteres Wort sah er mich an und löschte das Licht des Raumes. Mit zittrigen Beinen trat ich auf den Flur und sah ihm dabei zu, wie er den Raum verließ und die Tür schloss.

„Was ist? Weißt du nicht mehr, wie du hier rauskommst oder warum stehst du da rum?", fragte er und drehte sich zu mir um. Ich überlegte kurz.

Wusste ich den Weg, den ich mit den Ordnern gegangen war? Mein Gehirn machte gerade eine Pause.

Wieso musste er mich so anschauen?

Obwohl seine Mimik ausdruckslos war, strahlten sie doch etwas aus.

Ich konnte nicht benennen was, aber es reichte um meine Knie weich werden zulassen.

„I-ich ... d-darf ich ein Autogramm?", presste ich heiser hervor und schob meine Tasche nach vorne. Er sah diese kurz an und dann mich.

„Vierauge hatte einen Stift", merkte er trocken an und ging weiter. „Wenn du eins willst, musst du mir folgen, ich muss eh meine Jacke holen", fuhr er fort.

Ich blinzelte und folgte ihm zögerlich.

Eine Mauer der Distanz umgab Levi.

Und jedes Wort schien wie eine Flamme, die auf die Zündschnur zu ging.

Ich war schon glücklich darüber das er einige Worte mit mir wechselte.

Schweigend gingen wir den Flur entlang und einige Treppen herunter, bis wir in einen anderen Flur einbogen und vor einer Tür stehen blieben.

Eine leichte Gänsehaut durchfuhr meinen Körper.

Irgendetwas hatte sich verändert.

Die Aura schien noch kälter um Levi herum. Ich schluckte aufgeregt.

„Wie alt bist du eigentlich?", fragte er plötzlich, als er die Tür aufschloss.

Ich fuhr auf. „Ähm ... sechsundzwanzig."

Mit einem Schulterblick sah er mich an und hob eine Braue. Ohne ein weiteres Wort öffnete er die Tür und ging hinein, mit einem Kopfnicken forderte er mich auf ein zutreten.

Mit wackeligen Beinen betrat ich den Aufenthaltsraum. Gezielt ging er zu der Garderobe, nahm seine Jacke und kramte in deren Taschen.

„Du hast doch bestimmt ein Notizheft, oder?! Ich habe es nicht so mit Autogrammen auf Taschen oder sonstiges zugeben", sprach er und wühlte weiter in den Innentaschen seiner Jacke.

Nervös stellte ich meine Tasche ab und öffnete sie. „J-ja! Moment", nuschelte ich und durchsuchte den Inhalt meiner Tasche.

Wieso kam mir dieser gerade wie das reinste Chaos vor?

„Du hast Zeit", entgegnete Levi und ich hörte, wie er nicht mehr in seiner Jacke rumkramte.

Gerade als ich das Notizbuch zwischen meinen Fingern fühlte, wurde mit einem Ruck mein Kinn nach oben gezogen und etwas legte sich auf meinen Mund. Der aufsteigenden Panik wich in kurzer Zeit Dunkelheit.

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