Kapitel 30 | Verluste

„Samael! Samael!" rief ich. Es war ein Alptraum, lange hatte ich keinen mehr gehabt. „Cal, wach auf! Cal!" hörte ich ihn und zuckte zusammen, als ich ruckartig aufwachte. Sofort nahm ich ihn in den Arm und drückte ihn fest an mich. Samael hob mich aus dem Bett und so schlang ich die Beine um seine Hüfte. „Gute Nacht!" meinte Selmar noch, bevor ich auch schon mit Samael in sein Bett fiel. Er deckte mich zu und zog mich nah an sich. „Was hast du Geträumt?" fragte er und strich mir sanft über den Rücken und die Schulter. „Nicht so wichtig, es war zum Glück nur ein Traum!" sprach ich und vergrub mein Gesicht zwischen seiner Brust und der Bettdecke. „Ethan?" hakte er nach. „Dementoren." murmelte ich. „Versuch wieder zu schlafen, du brauchst deine Kraft morgen! Uns passiert hier nichts!" meinte Samael und drückte mir noch einen Kuss auf mein zerwuscheltes Haar.

Samael streichelte mich an der Schulter, als ich aufwachte. Ich lag auf ihm, Brust an Brust. „Guten Morgen, Sonnenschein!" sprach Samael und so hob ich den Kopf. „Wie lange bist du schon wach?" fragte ich und strich ihm über die Liegefalte an der Wange. „Nicht lange." meinte er und fuhr mir durch mein Haar. „Cal, wir sind in Paris!" Ich schmunzelte, sah das Funkeln in seinen blauen Augen. „Und was hast du nun vor, ma cherie?" fragte ich ihn mit französischem Akzent, sodass wir beide lachen mussten. „Oh wie gern würde ich dich jetzt küssen und all die Sachen anstellen, von denen in schon lange fantasiere!" sprach er und sah mich hungrig an. „Erstmal muss Ethan den Fluch aufheben." seufzte ich und ließ mich wieder auf seine Brust sinken. Samael sagte nichts, er gab nur ein tiefes Grummeln von sich.

Eine Weile lagen wir so da und schwebten auf unseren Gedanken, bis ein Klopfen uns wieder in die Realität zog. „Samael?" hörten wir eine leise Stimme und so sah ich ihn fragend an. „Wer ist da?" fragte er und runzelig dir Stirn. „Laurine! Lässt du mich herein?" hakte sie nach und sprach noch immer leise. Ich zog mir schnell eins von Samaels Shirts über und blieb in dem kleinen Flur stehen, während er nur in Boxershorts die Tür öffnete. „Laurine, was machst du hier?" Ich musterte die dünne Frau mit den blonden, hochgesteckten Haaren und dem lilafarbenen Kleid. „Oh du hast Besuch?" fragte sie und musterte mich. „Das ist Calithea, meine Freundin. Cal, das ist Laurine. Wir waren zusammen in Hogwarts." erklärte Samael. „Freut mich!" sprach sie und gab mir zögerlich die Hand. „Dito." murmelte ich, sah jedoch gleich wieder zu Samael.

Ich hatte mich umgezogen und mit meiner Familie eine Kleinigkeit gefrühstückt, bevor wir mit den anderen Auroren in einem Konferenzraum sprachen. „Wenn man vom Teufel spricht!" meinte Shizfra, als Samael durch die Tür kam. Ich schmunzelte sofort, doch Laurine dahinter ließ mich leicht seufzen. „Was ist denn los?" fragte er und stellte sich nah neben mich. „Sagt dir der Name Mike Finnegan etwas?" hakte ich nach und zeigte ihm ein Foto. „Das ist doch der Mann von der Party! Samael, als Ethan Geburtstag hatte..." begann Laurine. „Ethan hat ihn Finn genannt, aber das ist er eindeutig. Was ist mit ihm?" fragte Selmar und unterbrach seine Freundin damit. „Er hat in der Nacht ein ganzes Stadtviertel an sich gerissen und lässt Dementoren patrouillieren. Wir konnten das zum Glück etwas eingrenzen, aber er macht es uns nicht leicht!" erklärte Elaine. „Wie viele sind es?"

„Ich habe wirklich nichts dagegen, Freunde aus deiner Schulzeit kennenzulernen, egal ob dunkel wie Ethan, oder halbtot wie Arabella. Aber du musst mir keine lila Blondine anschleppen, die dich den ganzen Tag anschmachtet und mich verdrängt!" fuhr ich Samael an. „Sie ist nur eine Freundin! Laurine war schon in der ersten Klasse in mich verliebt, aber ich habe das nie erwidern können!" sprach er und wollte mich beruhigen. „Sie will dich aber wiederhaben! Für sie ist Arabella tot und ich leicht zu beseitigen! Samael, siehst du das denn nicht?" Ich sah ihn ungläubig an. „Du machst dir zu viele Gedanken!" begann er und wollte noch weiter reden, aber ich kam ihm zuvor. „Ich mache mir zu viele Gedanken? Samael, ich mache mir einfach Sorgen um unsere Zukunft! Ich habe einfach das Gefühl, dass du mich nach alledem hier einfach austauschst! Ich bin kein Spielzeug!" fuhr ich ihn an und griff nach meiner Jacke. Einen Moment stand ich nur so da und sah ihn an, hoffte er würde protestieren, doch er ließ mich einfach gehen.

Ich wollte gerade mit den Auroren und meiner Familie zu dem Stadtviertel aufbrechen, da traute ich meinen Augen nicht. „Sonja?" fragte ich und lief auf sie zu. „Teddy! Was machst du denn hier?" hakte sie freudig nach, doch dann sah sie die Auroren hinter mir. „Oh, ich verstehe." sprach sie und sah mich wehleidig an. „Kommt gar nicht infrage!" meinte Shizfra sofort. „Sonja?" erklang Samaels verwirrte Stimme. Er stieß gerade mit Laurine zu uns, da entdeckte auch Felice meine Freundin und musterte sie ungläubig. „Mr. Hughes?" fragte Sonja und ließ gleich ihre Taschen los, die sie vom Shopping bei sich trug. „Mr. Fernandez, ich bin sicher, dass wir jede helfende Hand gebrauchen können!" sprach Felice nach einer Weile an Jean gewandt.

Als sich auf einmal schlagartig der Himmel verdunkelte und es kalt wurde, hatte sich die Frage um Sophia erledigt. „Hast du Arabella?" fragte ich Samael leise. Er nickte und hielt die Glaskugel fest in seiner Hand. Verdan verkroch sich wieder in meiner Jackentasche, er war ein kleiner Angsthase, doch ich konnte es ihm nicht verübeln. „Cal, ich möchte dich nicht verlieren!" sprach meine Mutter und so umarmte ich sie. „Es wird schon nichts passieren, wir passen doch alle auf!" meinte ich und gab ihr einen Kuss, bevor ich mit Sonja in das Viertel apparierte, wo uns augenblicklich ein Dementor bemerkte. Sonja war schneller als ich und so hoppelte ihr Feldhase durch die Luft. „Wie süß!" meinte ich und schmunzelte. Sie erwiderte das Lächeln nur, doch es verblasste schnell, als wir in das Zentrum des Stadtviertels gelangten. Es war ein rundes Haus umringt von großen Blöcken, in welchem noch Licht brannte. Wir liefen langsam darauf zu, blieben jedoch erst einmal hinter einem Springbrunnen.

„Finn, was..?" hörte ich Ethan. Mike Finnegan kam aus dem Haus gestürmt und hinter ihm Ethan und ein Dutzend andere von Moljas Anhängern. „Sie sind hier!" rief Finnegan und lachte. Ich sah Selmar und Jean, wie sie an einer Hauswand standen und ebenfalls die Zauberstäbe zückten. „Alsieta!" sprach ich und so schossen meine Drachen aus der Glaskugel in meiner Hand. Sie flogen in die Höhe, drehten sich und schon verteilten sie sich ebenfalls um das Runde Gebäude, angriffsbereit wie noch nie. „Sonja staunte nicht schlecht, doch während genau wie sie alle in den Himmel sahen, hatte ich meinen Zauberstab auf Moljas Anhänger gerichtet und sogleich mindestens zwei außer Gefecht gesetzt. Jean und Elaine hatten die gleiche Idee gehabt, doch Ethan hatte uns schnell mitbekommen. Er feuerte ein paar Sprüche auf Jean und Selmar nicht weit von mir.

Meine Drachen gaben ihr Bestes und auch, wenn sie allesamt größer als Verdan waren, hatten sie noch nicht ganz ihre maximale Größe angenommen. Sie griffen die Schwarzmagier von der Luft aus an, doch dadurch waren gerade ihre Flügel ein leichtes Spiel. Ich hatte mich gerade mit Molja duelliert, als keine zwei Meter neben mir ein roter Drache zu Boden ging. Die Straße riss auf und er rutschte noch bis zur nächsten Hauswand, doch er war versteinert und musste zum Glück nicht allzu viel leiden. Die Erschütterung hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen und so brauchte ich einen Moment, doch die Zeit nutzte Molja aus. Er kam auf mich zu und traf mich mit einigen Zaubern. „Stupor!" rief Sonja und so flog Molja quer über den Platz. Sonja half mir auf, während sich zwei der Drachen Molja griffen. Es war kein schönes Bild, zu sehen, wie er in der Luft zerrissen wurde, doch dafür blieb keine Zeit. „Mika!" hallte der grelle Schrei meiner Mutter bis zu mir. Mein Vater wurde von einem giftigen Zauber getroffen und so schickte ich Verdan los, der sich anfangs sträubte, dann jedoch ängstlich mit einer kleinen Phiole durch das Getümmel flog.

Ich hatte eine Weile neben Sonja gekämpft, doch irgendwann stand ich allein da und sah mich um. Elaine und mein Vater waren schwer verletzt, doch soweit ich es erkennen konnte, hatten wir noch niemanden verloren. Sonja war zu Felice und Spence gegangen und ich wollte gerade nach Samael sehen, da durchfuhr mich ein tiefer Schmerz. Ich fiel zu Boden und stieß einen lautlosen Schrei aus. Ich hatte mich kaum erholt, da traf mich der Schmerz erneut und ich krümmte mich. „Cal steh auf!" rief Samael und so rappelte ich mich langsam wieder auf, doch mir war schwindelig und ich war schwach auf den Beinen. Samael stand auf einmal neben mir und hielt mich an der Hüfte aufrecht. „Ethan hat mir von euch erzählt! Wie rührend!" sprach Finnegan, während die beiden sich duellierten, doch nach einem Spruch von mir ging er zu Boden und disapparierte.

Ich kämpfte gerade mit Tilda Sehlin, als ich nur wenige Meter neben mir ein leises Wimmern vernahm. Ich entwaffnete Tilda und sah mich um. Es war Sonja, die weinend in die Leere starrte. Sie ließ ihren Zauberstab fallen und fing auf einmal fürchterlich an zu schreien. Sie schlug angsterfüllt um sich, hielt sich schützend einen Arm über den Kopf und kreischte immer panischer. Ich rannte zu ihr und rüttelte an ihrer Schulter, doch sie schlug mich nur. Ihre Schreie waren ohrenbetäubend, ich verzog das Gesicht und sah mich um. Irgendwer musste ihr das antun, wobei ich stark auf Finnegan tippte. Sonja rutschte hinter mir zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Erneut rüttelte ich an ihr, bekam selbst Angst. Ich konnte Sonja nicht verlieren, nicht jetzt und nicht so!

Es war Finnegan, der sich hinter der Leiche einer meiner Drachen versteckte. Er starrte Sonja an und konzentrierte sich auf sie. Schnell hatte ich meinen Zauberstab auf ihn gerichtet und ihn einige Meter weit durch die Luft geschleudert. Sonja neben mir atmete erschrocken auf und sah sich fragend um. "Alles in Ordnung?" fragte ich und nachdem sie kurz genickt hatte, half ich ihr auf die Beine. Ich sah mich um, doch Finnegan war verschwunden. Ich wollte ihn suchen, doch kaum dass ich den Platz kurz überblickt hatte, fiel mir ein neues Problem auf. Es waren die Dementoren, die uns jetzt noch zu schaffen machten. Ich hatte diesen Kuss vor Augen und konnte nicht viel machen, sie ließen mich nahezu erstarren. 

„Expecto Patronum!" rief ich nach einer ganzen Weile, in der ich Mut gesammelt hatte, und schon vertrieb ich den ersten Dementor. Voller Entsetzen musste ich feststellen, dass mein Wolf nicht mehr erschien. Der Spruch, Cruciaperdere, er hatte meinen Patronus tatsächlich komplett getötet. Ich hatte Ethan noch im Augenwinkel gesehen, doch er traf mich, bevor ich überhaupt reagieren konnte. Wie ein Sack Reis schlug ich gegen eine Hauswand und fiel schwer zu Boden. „Wo ist Bella?" hörte ich Ethan fragen. Mein Kopf dröhnte, aber das musste ich zur Seite schieben. Ethan hatte Samael entwaffnet und hielt ihm den Zauberstab an die Kehle. Ein lautloser Zauber bahnte sich den Weg von mir zu Ethan. Er traf ihn und schnitt ihm die Luft ab. Samael hatte Ethan mit einem einfachen Schlag zu Boden gebracht, doch mehr konnte ich kaum erkennen. 

Ich hörte ein lautes Fiepen und sah auf einmal völlig andere Bilder. Ein Vogel las Zeitung und meine Mutter war Hausmädchen, Verdan besaß ein Schloss und ein Muggel besuchte Hogwarts. Es machte alles keinen Sinn, doch ich konnte dem nicht entrinnen. Es war Finnegan, das ahnte ich, doch er war unglaublich stark. Ich konnte ihn kaum zurückdrängen, seine Magie überströmte meine einfach, als wäre sie Luft. Die Bilder, die ich sah, zeigten mir nach kurzer Zeit keine sinnlosen, sondern angsterfüllten Dinge. Finnegan ließ mich meine schrecklichsten Momente noch einmal durchleben. Ich sah das Duell mit dem Russen, der mir meinen Rücken verbrannt hatte, dann das Schiff, mit dem meine Eltern fast umgekommen wären, und den Dementoren, dessen Kuss ich mit angesehen hatte.

Als ich Samael sah, schmunzelte ich, doch er hatte Angst. Er hatte Angst vor mir, weil ich selbst auf die dunkle Seite gewechselt hatte. Ich fügte ihm Schmerzen zu, ich quälte ihn und richtete schließlich meinen Zauberstab auf ihn, doch noch bevor mein dunkles Ich den Zauber aussprechen konnte, hatte ich all meine Gefühle in Magie umgewandelt und schickte sie in einem riesigen Ausbruch zurück an Finnegan. Mein Schrei war ohrenbetäubend, doch es wirkte befreiend. Ich hatte wieder klare Sicht und suchte nach Finnegan. Er lag reglos auf dem Boden nicht weit von mir. Seine Haut war kreidebleich und durchzogen von schwarzen, blitzartigen Linien. „Finn!" hörte ich Ethan entsetzt schreien. Er lag in Ketten, doch die sprengte er kurzerhand, sodass Jean und Samael zu Boden gingen. Ethan zeigte mit dem Zauberstab auf mich und so sah ich schon den Tod auf mich zukommen, doch ich sah auch seine Angst.

Samael kam auf mich zu, er hievte mich auf und hob mich hoch. „Mir geht es gut, lass mich runter!" meinte ich und stand mit wackeligen Beinen neben ihm. Ethan hatte seinen Zauberstab auf uns gerichtet und so krallte ich mich an Samael. Jean lag tot an der Seite, sein Schnurrbart war schief und die braunen Augen leer. „Arabella!" befahl Ethan Samael und so rollte er die Kugel zu ihm. Arabella erschien kurz vor seinen Füßen und so trat Ethan ein Stück zurück. „Leva ad pollicendum et dare animam!" sprach er und ein kleines Licht hellte an seinem Zauberstab auf.

Shizfra hatte sich aufgerichtet und nahm Ethan augenblicklich fest. Samael kniete neben Arabella und auch Laurine eilte gleich zu ihr. Ich sackte wieder zusammen, da meine Füße mich einfach nicht mehr tragen konnten, doch Sonja war gleich bei mir. „Bist du verletzt?" fragte sie und musterte mich, doch ich schüttelte nur den Kopf und sah zu Arabella. Es dauerte einen Moment, doch dann bekam sie wieder Farbe und schlug langsam die Augen auf. „Bring mich hier weg, Sosa." meinte ich, als ich sah, wie glücklich Samael war. Sie stützte mich, bis ich bei meinen Eltern und Selmar war. „Pa!" sprach ich gleich und sah mir seine Wunde am Bauch an. Sie klaffte noch und blutete ziemlich stark, aber er war nicht mehr vergiftet. Verdan quieke fröhlich und hüpfte über die Beine der anderen zu mir. Ich fing ihn auf und strich ihm über die Schuppen. „Gut hast du das gemacht! Du bist mein Held!" sprach ich, woraufhin er sich stolz aufplusterte.

„Wo ist Spence?" fragte ich und sah mich um. Er hielt Felice in seinen Armen und als ich ihm näher kam, sah ich, dass man ihn verstümmelt hatte. Ihm fehlte das linke Ohr und beide Beine, ein Arm und drei Finger. „Oh Gott, Felice!" sprach ich, denn er lebte noch. Seine grünen Augen musterten mich leblos, doch sie flackerten bei Sonja auf. „Ma cherie!" krächzte er und schmunzelte. „Ich bin ja da, alles wird gut, der Arzt kommt gleich!" Sie machte ihm noch einmal Mut und strich ihm beruhigend durch das Haar, bis er friedlich einschlief.

„Vorsicht!" hörte ich Samael, der Arabella hoch hob, um sie von hier weg zu bringen. Ich sah wieder zu Felice und legte ihm meine Jacke über. Spence wollte noch nicht gehen, weshalb wir ihm Zeit ließen und ich mich an Sonja hielt.
Die ganzen Drachenleichen taten mir im Herzen weh, erst recht für Verdan und die elf Überlebenden.

Der Verlust war groß, doch auch auf Ethans Seite standen starke Zauberer wie Molja, die ich gut kannte.

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