Kapitel 27- Thea

Harry schrieb mir die nächsten sechs Wochen immer unregelmäßiger zurück. Wenn ich ihn fragte, wie es in Brasilien lief, kam seine Antwort erst drei Tage später. Er war sogar online und las meine Nachricht, trotzdem erhielt ich immer später eine Antwort. Skypen war vielleicht alle zwei Wochen möglich, da er mit seinen Leuten von dort die Stadt unsicher machen wollte. Ich gönnte ihm seinen Spaß und Erfolg, doch ich erwartete auch, dass Harry etwas für unsere Beziehung tat. Es war sowieso schwer genug, eine Fernbeziehung zu führen, jedoch war für diese Form von Beziehung wichtig, dass sich beide Parts gleich stark an den Erhalt der Liebschaft beteiligten. Und ich verlangte auch keine Berichterstattung und Standortangabe, aber ich war trotzdem neugierig und wollte wissen wie es ihm ging. Harry müsste mir einfach nur schreiben, dass alles gut war und Brasilien ihm Spaß machte. Dann wenn er die Nachricht sah, und nicht Tage später.
Anna schien meine griesgrämige Miene langsam auf die Nerven zu gehen, deswegen schleppte sie mich am Donnersagend ins Café Chaos.
„Damit du mal wieder unter Leute kommst und keine Beziehung mit Smartphone und Laptop führst", begründete sie ihre Entführung. Ich weigerte mich ins Café zu gehen, doch Anna wollte keine Entschuldigung von mir hören. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass wir zwei Mädels einen gemeinsamen Abend verbringen würden, mit leckeren Cocktails. Natürlich täuschte ich mich, als ich sah, wie sie direkt auf ihren Freund Christian und seinen besten Kumpel Max zulief. Herzlich begrüßte ich die beiden und Max raunte mir ins Ohr, dass er sich freute mich endlich wieder zu sehen. Auch ich freute mich den blonden Mann vor mir zu sehen. Zwar hatten wir die letzten Wochen wenig Kontakt, trotzdem mochte ich ihn und würde gerne meine Freundschaft zu ihm festigen.
„Was willst du trinken?", fragte mich Max. Er hatte eine schwarze Jeans und ein enganliegendes weißes Shirt an, welches seine Muskeln betonte.
„Einen Sex on the Beach, bitte", sagte ich und lächelte süffisant.
„Das hätte ich jetzt auch gerne", zwinkerte er mir zu. Flirten war nicht verboten und auch wenn ich Harry vertraute, konnte er mir nicht erzählen, dass er nicht mit einer sexy Sambatänzerin geflirtet hätte.
Wir suchten uns einen Vierertisch und ließen uns auf den gemütlichen Sesseln nieder. Wie immer war das kleine Café gut gefüllt. Überall tummelten sich feierwille Studenten, welche sich erstmal an dem günstigen Alkohol bedienten und dann weiter in irgendwelche Clubs zogen. Ich fand die kleinen, unscheinbaren Bars und Cafés immer ansprechender, als die überfüllten Clubs.
Auf der Bühne schmetterte gerade, voller Herzblut, eine Gruppe von Jungs einen bekannten Song der Backstreet Boys. Sogar die Tanzschritte wirkten wie einstudiert und harmonierten perfekt zum Lied.
„Hast du Lust mit mir zu singen?", fragte mich Max über die lauten Stimmen hinweg. Ich nickte ihm zustimmend zu, und wir überlegten welchen Song wir performen wollten. Wir liefen zum DJ und schauten uns den Katalog voller Songs an. Bei so viel Auswahl würde es doch ein paar Minuten dauern, bis wir uns für einen einzigen Song entschieden hatten. Lachend wägten wir ein Lied nach dem anderen ab, denn wir wollten etwas singen, das gute Laune verbreitete und die Zuhörer zum mitsingen animierte. Trotzdem ließen wir das Schicksal entscheiden, deswegen legte ich meinen Zeigefinger auf die Seite mit den Duetten, schloss meine Augen und ließ meinen Finger auf dem laminierten Blatt rauf und runter fahren, während ich darauf wartete, dass Max stop sagte. Als ich meine Augen wieder öffnen durfte, waren wir sehr gespannt welchen Song wir singen würden. Und das Ergebnis war „You're The One That I Want" aus dem Film Grease. Ein Lied das ich auswendig konnte und mit Freude performen wollte.
Der Blondschopf und ich mussten noch zwei Lieder warten, bis wir endlich auf die Bühne steigen konnten. Kaum standen wir auf der kleinen, provisorischen Bühne, pfiffen Anna und Christian laut und johlten unsere Namen. Lachend verdrehte ich meine Augen und sah zu Max, welcher etwas schüchtern da stand. Es war eben doch ein Unterschied hier wegen des Gesangs im Mittelpunkt zu stehen, als auf einem Basketballfeld.
Der DJ spielte das Lied und Max fing an zu singen. Zwar waren wir nicht die besten Sänger, aber wir hatten Spaß und auch das weibliche Publikum stimmte beim Refrain mit ein. Max und ich verbreiteten gute Laune und genau das wollten wir erreichten. Nach unserer Performance tobten meine Kommilitonen und das nächste Duett hatte wirklich Probleme mit uns mit zu halten, denn Max und ich waren echt gut.
Völlig ausgepowert ließ ich mich mit meiner besten Freundin wieder auf die Sessel nieder, während die Jungs einen Nachschub an Getränken besorgten.
„Thea, du und Max ihr wart richtig gut auf der Bühne. Ihr hab euch super ergänzt und wenn Harry nicht wäre, dann würde ich jetzt sagen, dass du wieder mit Max zu ihm gehen solltest", sagte Anna. Doch bevor ich ihr antworten konnte, dass sie sich diese Idee aus dem Kopf schlagen sollte, kamen die Jungs auf uns zu.
„Wir waren echt gut", lobte uns Max und reichte mir einen weiteren Cocktail, doch davor tranken wir gemeinsam, jeder einen, Tequilashot.
Die Stimmung an unserem Tisch war ausgelassen. Mein Duettpartner und ich konnten sogar Anna und Christian davon überzeugen auf die Bühne zu gehen. Sie ‚sangen' und tanzten den Macarena, während das ganz Café mittanzte und mitgröhlte.
Bis das Café Chaos schloss blieben wir und tanzten, lachten und sangen gemeinsam. Auch wenn es unfair klang, aber ich konnte Harry für diesen einen Moment vergessen. Immer war ich diejenige gewesen, die ihn anschrieb und wissen wollte wie es ihm ging. Nicht einmal kam eine SMS seinerseits. So etwas stimmte mich einfach nur traurig, und ließ mich daran zweifeln, ob eine Fernbeziehung wirklich möglich war.
Die Jungs brachten Anna und mich noch auf unsere Zimmer und verabschiedeten sich von uns.
Als ich ein letztes Mal für heute auf mein Handy blickte, sah ich, dass ich eine Nachricht von Harry bekommen hatte.

Hey Thea,
sorry das ich mich kaum bei dir melde, aber es ist gerade etwas stressig bei mir.
Ich vermisse dich.
H

Ohne zu antworten legte ich mein Handy zur Seite und schlief ein.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top