Kapitel 14- Harry
Am nächsten Donnerstag saß ich wieder zur gewohnten Zeit im Café Chaos. Thea hatte sich die letzten Tage nicht gemeldet, was ich nicht verstehen konnte. Ich hätte ihr natürlich selbst etwas schreiben können, doch ich wollte nicht der aufdringliche Typ nach dem One-Night-Stand sein. Gelassen lümmelte ich also im Holzstuhl und trank mein Bier, das noch immer eiskalt war. Das Kondenswasser an der Flasche löste das Etikett, von dem ich gedankenverloren kleine Stücke abriss. Tiffany hatte mich seit unserem Fotoshooting nicht mehr in Ruhe gelassen, auch jetzt vibrierte mein Telefon, welches ich auf die glatte Holzoberfläche vor mir gelegt hatte. Surrend bahnte es sich seinen Weg über die Platte, während Tiffs, früher so klaren Augen, mir entgegen strahlten. Noch ein paar Mal zuckte das Smartphone, ehe es endlich schwieg. Genervt und erleichtert stieß ich kräftig die Luft aus.
Zwei Hände legten sich auf die Stuhllehne, mir gegenüber. Mit einem amüsierten Lächeln sah ich auf, und sah in zwei Augen, die nicht zu dem Mädchen gehörten, auf das ich hier wartete. Anna, Theas Freundin, stand mit einem megawatt Lächeln vor mir und studierte mich eingehend.
„So, so, der gute, alte Harry hier im Café", triezte sie mich, ohne verlegen zu werden. Diese Masche hatte sie sicher schon für einige andere abgezogen, und wäre sie nicht Theas Freundin, hätte ich sicher noch ein weiteres Mal darüber nachgedacht, wie es wäre, sie flachzulegen.
„Ja, Anna", antwortete ich ihr, um ihr zu zeigen, dass auch ich mittlerweile einiges mehr von ihr wusste. Nicht von Thea, versteht sich. Jesse hatte da auch ein paar gute Seiten an sich, die ich gelegentlich nutzte, denn durch seinen Charme kam er sehr schnell an Informationen, die er mir weitergeben konnte. Ich wusste also auch, dass Anna momentan einen Kerl datete, und wenn ich nur etwas gründlicher nachdenken würde, dann hätte ich auch wieder seinen Namen im Kopf.
„Also hat Thea, während dem Sex von mir erzählt, oder erst danach?" Sie gackerte, glaubte sie doch, mich mit diesem Spruch treffen zu können, doch er prallte an mir ab. Stattdessen hatte ich schon die passende Antwort parat.
„Weder noch, aber über mich scheint sie ja einiges erzählt zu haben." Annas Gesichtsausdruck war einer für Götter, hatte sie schließlich bemerkt, dass sie ihrer Freundin keinen Gefallen getan hatte, die mich scheinbar geflissentlich ignorierte.
„Nichts was der Rede wert wäre."
Doch ihre Worte kamen zu spät und ich konnte mein Grinsen nicht mehr zurückhalten. Entspannt rutschte ich noch etwas tiefer auf meinem Holzstuhl, ehe ich ihr einen Platz an meinem Tisch anbot. Gerade als sie mein Angebot ablehnend fortwischen wollte, klingelte erneut mein Telefon. Ich verdrehte die Augen, ehe ich einen Blick auf mein Display warf, dass nun wieder wild aufleuchtete. Diesmal sah mir jedoch der kantige Kiefer eines Freundes entgegen. In weißen Lettern prangte sein Name über seinem Schopf, Theodor. Ich hob meinen Finger, um Anna zum Schweigen zu bringen, doch diese hatte sich schon von mir abgewandt, während ich über den Bildschirm wischte.
„Morgan, Mensch du hast dich ewig nicht gemeldet!", rief ich aufgedreht in den Hörer und lachte laut. Ihn hatte meine überschwängliche Begrüßung auch gepackt, das konnte man ebenfalls durch die Hörmuschel vernehmen.
„Flynt, schön dich zu hören. Ich komme gleich mal zum Punkt, ich brauche dringend deine Unterstützung bei einem Projekt von mir. Deine Kamera und deine Fähigkeiten sind gefragt." Das dunkle Lachen kenne ich noch von früher, als wir uns auf dem Campus einen Joint geteilt hatten. Man war das lange her und jetzt konnten wir wieder gemeinsam an etwas kreativem arbeiten, dass würde ich mir nicht entgehen lassen.
„Klar, wie kann ich dir helfen?"
„Es geht um die Band, wir brauchen noch ein paar Bilder für unsere neue Website, ebenso für das neue Album. Schon strange, wenn ich das sage", wieder lachte er. „Komm doch heute Abend einfach vorbei, wir feiern eine kleine After-Production-Party und wir könnten uns dort noch über die Einzelheiten unterhalten, was sagst du dazu, Flynt?"
„Sag mir wann und wo, ich bin dabei!"
***
Mein alter Kumpane hatte mir seine Adresse geschickt, zu der ich gerade unterwegs war. Die Straße war zugeparkt mit neuen und alten Fahrzeugen, weshalb ich gute dreihundert Meter entfernt auf einem Grünstreifen parken musste. Ich zuckte noch kurz mit den Schultern, um mir selbst einzureden, dass mir das hier egal war. Umso näher ich der Zieladresse kam, desto lauter wurde es. Auf dem Rasen lagen die ersten roten Plastikbecher, die von einem früh einsetzenden Trinkgelage erzählten. Es war gerade einmal zwanzig Uhr, doch ich konnte erahnen, wie es im Inneren des Bandhauses, dass wohl öfter Mal für Parties herhalten musste, aussehen mochte. Wuchtige Basstöne drangen nach außen. Plötzlich riss jemand die Haustüre auf, die ich gerade eben hatte öffnen wollen. Ein halbnacktes Mädchen stürzte durch den Türrahmen, beide Hände gen Himmel gereckt, den Mund zu Edvard Munchs, der Schrei, verzogen und lauthals grölend. Das gelbe Top, dass sie sicher einmal zu ihren kurzen Shorts getragen hatte, hielt sie in einer ihrer Hände, einen BH konnte ich nirgendwo entdecken. Hinter ihr trat ein großer, bulliger Typ durch die Tür der in seiner Collegejacke genau die richtigen Klischees bediente.
Kopfschüttelnd, doch über die Szene amüsiert, trat ich ins Haus und machte mich zwischen den Feiernden auf die Suche nach meinem Kumpel. Verschwitze Leiber rieben sich aneinander, rote Becher wurden durch die Reihen gereicht und die Stimme des Sängers kam mir bekannt vor. Über die Köpfe hinweg, konnte ich erkennen, wer auf der improvisierten Bühne stand, während er einen der älteren Hits der Band spielte. „Shere Khan" waren bis vor Kurzem nicht mehr, als Lokalmatadoren gewesen, doch nun kannte man sie auch über die Staatsgrenzen hinaus. Die Jungs waren zurzeit die reinste Goldgrube. Mit einem fetten Grinsen grölte ich ihren Kassenschlager mit und lies mich in der Menge treiben.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top