Kapitel 26

Ju's POV

Winkend stand ich nun im Innenhof  und sah zu, wie Lu abbog und somit aus meinem Sichtfeld verschwand. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen drehte ich mich um und holte meine Schlüssel aus der Hosentasche. Natürlich hätte ich sie lieber nach Hause begleitet, aber ich tat alles dafür, dass es ihr besser ging, und wenn Lu das so wollte, wollte ich es halt auch.

Langsam suchte ich den Haustürschlüssel am Schlüsselbund. 'Die alten daran könnte ich auch wirklich einmal abmachen.
Auch den von der Bam School.'
Ich verzog mein Gesicht etwas und schloss meine Augen kurz.
Das hatte ich ja fast schon wieder vergessen.
Seufzend schloss ich nun die Tür auf, ließ die Kälte und damit hoffentlich auch diese Gedanken hinter mir.
Von innen empfing mich ein warmer Schwall Luft, der etwas nach Alkohol roch - und eine laute, gute Stimmung.
Ich hörte die anderen im Wohnzimmer unverständlich reden und lachen und musste selbst schmunzeln.
Wie glücklich ich mich schätzen konnte, diese Leute zu haben.
Und wie froh ich doch darüber war!

Ich stellte meine Schuhe neben den Eingang zu den anderen Paaren und hing meine Jacke über einen nicht allzu überfüllten Haken.
Ob da jeder seine Sachen wiederfinden würde?
Ich bezweifelte es stark.
Naja, egal.
Ohne weitere Gedanken damit zu verschwenden machte ich mich in Richtung Wohnzimmer auf.
Sie hatten mich noch nicht bemerkt, doch ich sah die anderen sechs auf der Couch und dem Boden sitzen und wild durcheinander reden. Carina lag in Tom's Schoss auf dem Teppich, Thomas saß im Eck des Sofas, Rezo und Marius neben ihm, Annika lehnte an der Säule, an der das schwarze Gitter befestigt war.
Allesamt sahen sie zwar schon relativ müde aus, als könnte sie Wasser, Aspirin und ganz viel Schlaf vertragen, doch außer Rezo sah das wahrscheinlich noch niemand ein.
Fertig von den einigen Drinks, die auch ich intus hatte, wollte ich weiter gehen.

Bevor ich aber entgültig zu den anderen stieß, bereitete ich mich noch einmal auf die kommenden Fragen und Kommentare vor.
Einfach ignorieren und überspielen war die Strategie.
Wobei, was überspielen?
Die Gefühle für Lu?
Gab es die?
Und wenn ja, beruhte es auf Gegenseitigkeit?
Das war, was mich wirklich seit Wochen beschäftigte, sie ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Ihre dunklen Augen, in denen ich mich jedes Mal wieder verlor, ihre kleine Nase mit den süßen Sommersprossen, ihre trockenen Lippen, von denen ich meine Blicke nicht wenden konnte, ihre Ohren mit den Ohrlöchern, in denen sich nie Ohrringe befanden, ihre leicht welligen, dunkelbraunen und brüchigen Haare, die an ihr wunderschön herabfielen, ihre heisere Stimme, die sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit bekam, dieses unglaubliche Lächeln, das sie viel zu selten zeigte.
Obwohl ich sie so wenig kannte, hatte sich bei unseren Treffen alles in mein Gehirn eingeprägt.
Die Gedanken an sie, wie es ihr gerade ging, was sie gerade tat, wo sie gerade war, ließen mich nicht in Frieden.
Ich lag ewig wach, nur um an sie zu denken.
Und eigentlich war es ein schönes, angenehmes Gefühl.
In ihrer Präsenz fühlte ich mich wohl und sicher und konnte für einen kurzen Augenblick der Realität entfliehen.
Ob es aber für sie genauso war?
Ach, ich wusste es doch auch nicht.

"Ju digga, geht's dir gut?", drang auf einmal eine Stimme zu mir durch.
"Hm?"
Ich schreckte auf und versuchte, mich schnell zu orientieren.
"Bro du stehst da wie eingefroren, lebst du noch?", fragte die Stimme lachend wieder.
Ich kniff meine Augen zusammen, fuhr mir kurz durch die Haare und dann begann mein Gehirn endlich wieder zu arbeiten.
"Was, ich?"
"Ja, du", antwortete die Person, welche ich jetzt als Thomas identifiziert hatte.
"Ne, haha", lachte ich gekünstelt, "alles gut."

Leicht wackelig auf den Beinen ging ich rüber zum Sofa und ließ mich davor auf dem Teppichboden nieder.
"Waren wahrscheinlich ein paar Shots zu viel", wollte ich die Stimmung auflockern, doch Marius ignorierte das gekonnt.
"Jaja, deswegen warst du auch noch so lange draußen, wahrscheinlich musstest du kotzen."
Die anderen lachten sich kaputt, als wäre irgendetwas daran lustig gewesen.
"Leute das ist doch peinlich, hört auf damit", beschwerte ich mich.
Wie Kinder waren sie, wirklich.

"Dann erzähl doch, wieso bist du nicht direkt mit uns nach drinnen gekommen", hakte Thomas weiter nach, er wollte nicht aufhören.
"Jaa, sag mal", lallte Tom, er hatte definitiv zu viel getrunken.
Auch die anderen stiegen mit ein.
"Erzähl! Erzähl! Erzähl! Erzähl!", grölten sie betrunken durchs Haus.
"Beruhigt euch mal digga", meinte ich augenverdrehend, "von eurem Geschreie bekomm ich Kopfschmerzen."
Langsam verstummten meine aufgedrehten Freunde wieder und sahen mich erwartungsvoll an.
"Also?", forderte Tom.
"Es ist nichts spektakuläres, wir haben nur noch kurz geredet, weil sie den Abend sehr schön fand und sich über die Einladung gefreut hat und dann ich hab sie verabschiedet. Nichts weltbewegendes", rechtfertigte ich mich, mein Antwort war ja nicht komplett gelogen.
Doch keiner gab sich so wirklich zufrieden.
"Ach komm, du willst mir erzählen, es gab keinen Kuss, nicht mal auf die Wange zum Abschied", grinste Carina, die anscheinend auch mit ein stieg.
Nur Rezo und Annika hielten sich im Hintergrund und beobachteten leise.
Ich war nicht nichteinmal sicher ob Rezo überhaupt alles mitbekam, da er vertieft in sein Handy war.
So war es mir aber auch lieber.
"Nein Carina, kein Kuss, auch nicht zum Abschied, zwischen uns läuft nichts Leute glaubt es mir doch", verteidigte ich mich weiter.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Rezo kurz schmunzeln.
Okay, er hörte doch zu.
Besser nur, dass er seinen Mund hielt.
"Das glaubst du dir doch selber nicht", lachte Thomas und formte einen Kussmund in meine Richtung.
Carina prustete los.
Ich holte tief Luft, wie die vier mich aufregen konnten.
"Mir scheint, dass nur ihr das nicht glaubt", erwiderte ich genervt.
"Ooh, er ist genervt. Ju ist verliiiebt, Ju ist verliiiiebt", stimmte Thomas erneut an und Carina, Tom und Marius machten mit Freude mit.
Ich begann,  auf einen dunklen Fleck vor mir im Teppich zu starren und versuchte, die anderen auszublenden.
Im Hintergrund hörte ich sie immer noch grölen.
"Verliebt! Verliebt! Verliebt!"
Schlimmer wie 10-jährige.

"Leute, schaut mal", unterbrach Rezo plötzlich laut lachend das Geschrei.
"Ich hab den luuustigsten Post gefunden oh mein Gott."
"Zeig, zeig, zeig", meinte Marius sofort ungeduldig zu Rezo und auch die anderen ließen mich in Ruhe, um sich um das Handy zu versammeln.
"Hier."
Rezo gab das Handy an Thomas weiter, der schon wie ein kleines Kind darauf wartete.
"Das ist wirklich relatable hahaha", meinte Carina und warf sich lachend zurück, auch die anderen schienen sich zu amüsieren.

Nur ich bemerkte den Blick, den Rezo mir zuwarf.
Ich nickte ihm in tiefer Dankbarkeit zu, niemand verdiente diese Liebe, die Rezos Herz bewarte.



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Ich hatte eine mini Schreibblockade, aber hab jetzt endlich ein Kapitel fertig.
Es war irgendwie schwerer als gedacht, das zu schreiben haha
Egal, ich hoff es passt euch <3

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