Kapitel 17
Lu's POV
Heute war der 15. November, ein Freitag Abend. Es war schon bald 2 Wochen her, dass ich mit Ju und Annika Kontakt hatte und bisher hatte ich keine Zeit mehr, mich bei Annika zu melden.
In der Arbeit hatten wir relativ viel Stress, da im Moment mehrere Kollegen und Kolleginnen krankheitsbedingt ausfielen und ich vermehrt Überstunden machen musste. Das war mir aber auch irgendwo recht, da ich dann nicht unnötig Zeit mit Chris verbringen musste.
Obwohl es in den letzten Tagen keine großen Zwischenfälle oder Probleme gab. Er hatte in der Nacht damals wirklich nicht mitbekommen, dass ich nicht im Haus war und ansonsten war er auch ganz gutmütig gestimmt.
Gerade saß ich in einem stillen Café, ein bisschen außerhalb des Stadtzentrums. Ich ließ die anstrengende Arbeitswoche abseits von zu Hause mit einer wärmenden heißen Schokolade ausklingen und beobachtete die am Fenster vorbei eilenden Menschen. Vermutlich alle auf dem Weg nach Hause, schließlich war es schon acht Uhr, draußen dunkel und unangenehm kalt.
Der Wind wehte die Blätter in kleinen Wirbelstürmen die Straße hin und her, die kahlen Bäume bogen sich mit den Luftströmen.
Insekten suchten das Licht der Laternen auf, die die Straßen spärlich beleuchteten und Aachen den restlichen herbstlichen Hauch verpassten.
Spätherbst um genau zu sein, es war schon nicht einmal mehr lange bis zum ersten Advent und dann verging die Zeit bis Weihnachten eh wie im Flug.
Das hieß, bald ging das Basteln und Schmücken los. Das miteinander lachen und backen, das an den Glühwein- und Teetassen wärmen. Die Zeit der Wollsocken und der warmen Mäntel. Der dunkelsten und wohligsten Jahreszeit.
Und die Zeit, die man oft in den eigenen vier Wänden mit seinen Liebsten verbrachte, die Zeit, in der sich viele Urlaub nahmen, die Zeit, die viele genießen konnten.
Bedeutete, Tag für Tag mit Chris zu Hause sitzen. Bei dem Gedanken lief es mir schon kalt den Rücken hinunter. Ich füchtete diese Zeit unglaublich. Schon letztes Jahr war es die Hölle gewesen, aufgrund des nicht wirklich einladenden Wetters und der fehlenden Aktivitäten tagelang miteinander zu leben und klarkommen zu müssen.
Diese Wochen sind schrecklich gewesen und haben bei mir definitiv ihre Spuren hinterlassen, körperliche und seelische Schmerzen, die ich teilweise bis heute spürte. Ich konnte mich an die Momente erinnern, als hätte ich sie gerade erlebt.
Als würde er mich gerade eben packen und schütteln, anbrüllen und fertig machen, mich mit Tritten versehen oder seine Faust in meiner Magengrube platzieren.
Alles in mir sträubte sich danach, Gleiches noch einmal zu durchleben und mein Körper verkrampfte sich. Ich drückte mich tief in meinen Sitz und es schien, als würde ich meine Tasse zerquetschen, deren Inhalt nun sicherlich nicht mehr der wärmste war.
So verharrte ich mehrere Minuten schnell atmend und gab mein bestes, mich auf meine Atmung zu konzentrieren und mich zu beruhigen.
Das Aufleuchten meines Handys zog glücklicherweise bald meine Aufmerksamkeit auf sich. Wer wollte denn jetzt noch etwas von mir, an einem Freitagabend?
Verwirrt und mit etwas Furcht, dass es Chris sein könnte, nahm ich mein Handy und öffnete WhatsApp. Die Nachricht war von einer fremden Nummer.
Verwundert klickte ich auf den Chat und las mir durch, was eine unbekannte Person ungewöhnlicherweise von mir wollte.
J: Hey Luisa, hier ist Ju🙂
Annika hat mir deine Nummer weitergegeben, da ich eine Frage habe.
Am 23. November, einem Freitag, also in einer Woche, habe ich Geburtstag und würde von Freitag auf Samstag feieren.
Es kommen ein paar Kollegen und Freunde, manche bleiben länger und manche schauen nur kurz vorbei.
Wenn du auch kommen willst, kann ich dir die Adresse schicken.
Wir treffen uns gegen 19 Uhr bei mir, aber es ist egal ob du etwas früher oder später da bist.
Ich freu mich sehr, wenn du dabei bist,
LG Ju
20:44
Etwas erleichtert, dass "nur" Ju mir geschrieben hatte, legte ich mein Handy zurück an den Tisch und überlegte. Freitag auf Samstag, in einer Woche. Theoretisch hätte ich Zeit, wie eigentlich immer.
Und auch frei von Chris.
Die Frage war, ob ich Lust auf eine Feier hatte. Vor allem, da ich Ju nicht richtig kannte und unser letztes Treffen unter etwas anderen Umständen stattgefunden hatte.
Nach einer kurzen Bedenkpause nahm ich mein Handy wieder in die Hand und begann, Ju zu antworten.
L: "Hey Ju:)
Danke für die Einladung, ich würde
gerne kommen. Muss ich etwas
bestimmtes anziehen und hast du
konkrete Geschenwünsche?"
20:53
J: Freut mich sehr, dass du auch
kommst! Also, wir haben jezt
keinen besonderen Dresscoe,
wir legen generell keine so
großen Wert auf Klamotten und Outfits :)
Zieh einfach was bequemes an👍🏻
20:55
J: Ach, und meine Adresse ist
Bündelweg 18. Bzw, das ist, wo
wir arbeiten, ich hab nur mal
dort gelebt und da ist einfach
mehr Platz.
20:56
L: Ich schau gerne mal
vorbei, klingt nach Spaß
und Ablenkung ☺️
20:57
L: Und das mit der Adresse
klingt interessant, aber was
arbeitest du denn und wer ist
"wir"?
20:57
J: "Wir" sind ich und mein
Team. Und wir sind in der
Social Media-Branche tätig,
drehen hauptsächlich Kurzfilme
aber auch unterhaltenden
Content, den wir auf YouTube
hochladen.
20:58
Interessiert wechselte ich kurz die App und klickte auf die YouTube-Suchzeile. Mir war es zu unangenehm, nach dem Kanalnamen zu fragen, weswegen ich einfach "Julien" eingab und auf den ersten Vorschlag klickte.
'Julien Bam, mal schauen', murmelte ich. Mein YouTube-Feed lud langsam und ich überflog den Kanal.
Über 5 Millionen Abonnenten?!
Das Video mit den meisten Klicks hatte unfassbare 54 Millionen Aufrufe und fast eine Million Likes?!
"Mach die Robbe", davon hatte ich tatsächlich schon einmal etwas gehört, aber ganz vertraut kam es mir dann doch nicht vor, ich war nicht so viel auf YouTube unterwegs.
Was sich ja offensichtlich jetzt zeigte, denn Ju hatte einen scheinbar großen Kanal mit wahrscheinlich riesiger Reichweite.
Auf meinem Handy ploppte eine weitere Nachricht von Ju auf, weshalb ich unseren Chat wieder öffnete.
J: Wo bist du denn jetzt? Lass
mich raten, du hast
gegoogelt? 😂
21:00
L: Nein, tatsächlich hab
ich dich direkt auf YouTube
gesucht🫣
5 Millionen Abonnenten?!
21:01
J: Jap🫠
21:01
L: Ich war gerade dabei
dir einen Vorwurf zu
machen, warum
du mir das nicht früher
erzählt hast, aber dann ist
mir eingefallen, dass wir
bis jetzt noch nie eine
wirklich längere
Konversation hatten, deshalb
habe ich dich verschont😇
21:02
J: Na das will ich mal
hoffen, da hast du nämlich
recht.
21:02
L: Wo wir kurz dabei
sind, könnten wir bitte
nicht erwähnen, woher wir
uns kennen. Lass es einfach in
einer Bar gewesen sein,
okay?
21:03
J: Natürlich! Ich bin
zwar nicht so oft in einer
Bar, aber alles gut.
21:03
L: Ich auch nicht😂
Aber danke🫶🏻
Und jetzt nochmal
zurück zu deinem
Geschenk, wünscht du dir
etwas besonderes?
21:04
J: Nein, ich wüsste nicht
was genau. Du musst mir
auch nichts schenken🥲
21:05
L: Das werden wir ja
dann sehen😉
21:05
"Entschuldigen Sie?"
Erschrocken blickte ich auf in das Gesicht eines Kellners.
"Ich wollte Sie nicht unterbrechen, Sie wirken erstens beschäftigt und zweitens äußerst glücklich", er grinste mir zu, "doch wir würden gerne schließen, es ist schon nach unserer Öffnungszeit."
"Oh, das tut mir unfassbar leid, ich habe die Zeit etwas vergessen", lächelte ich beschämt und trank hastig meine Tasse leer.
"Jaja, die Liebe", säuselte der Kellner nur und ich schenkte ihm einen verwirrten Blick.
"Wie meinen Sie? Achsoo, nein", ich schüttelte lachend den Kopf.
"Freunde". Ich warf mir meine Jacke und den Schal über, während er mir weiterhin vergnügt zusah.
"Entschuldigen Sie nocheinmal vielmals meine Vergesslichkeit", sagte ich dem Kellner, als ich an der Tür stand.
Keine Ursache", erwiderte er.
"Und viel Glück mit Ihrer Freundschaft". Schmunzelnd setzte er das letzte Wort in Anführungszeichen und ich verdrehte nur grinsend die Augen.
"Schönen Abend Ihnen", rief ich im Gehen über meine Schulter, bevor ich in die Kälte trat und die Tür hinter mir ins Schloss viel.
Schnell schrieb ich Ju, der sich schon wieder über mein Fehlen beschwerte, dass ich ihm in 10 Minuten zurückschreiben würde, bevor ich mein Handy in meine Manteltasche sinken lies und auf meinem Rad Richtung nach Hause fuhr.
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