Kapitel 10

Ju's POV

"Ju."
"JU! HALLO?"
Langsam drangen die Rufe von Vince zu mir.
"Bro, bist du dir sicher, dass du dir keine Pause nehmen willst? Keine zwei Tage?", fragte er besorgt.
Ich blickte ihn mit leeren Augen an.
"Ja, ich bin mir sicher! Mir geht's gut", antwortete ich ihm monoton.
"Alles klar wie du meinst", quittierte er meine Aussage augenrollend,
"aber dann hör mir bitte zu."
"Jaa", gab ich genervt von mir.
Vince begann erneut zu sprechen, doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken schweiften jedes Mal wieder ab.
Zur Bamschool.
Zu meinem Versagen.
Seit Wochen plagten es mich schon.
Ich versuchte zu entkommen und mich mit Arbeit abzulenken, doch es funktionierte nicht.
Es verfolgte mich, Tag und Nacht. In meinen Träumen spielte sich das Telefonat ab, immer und immer wieder. In meinen Gedanken trauerte ich der Bamschool hinterher, an welchem Verlust ich ja selbst Schuld war. Ich hatte versagt.
Ja, meine Fans bauten mich auf, machten mir Mut, versuchten mir mit aufmunternden Worten Kraft zu geben und mich zu stärken, aber nichts half. Niemand konnte mich von diesen Gedanken abbringen.

Außer eine Person.
Lu.
Seit ich mit ihr gesprochen hatte, an der Brücke, seitdem war sie mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
Ihre braunen Augen, ihr gleichfarbiges Haar, ihr wunderschönes Gesicht mit den Sommersprossen und ihre tolle Figur. Der einzigartige Klang ihrer Stimme, die sanfte Ausstrahlung, die sie von sich gab.
Aber auch ihr blaues Auge.
Woher sie es wohl hatte?
Ich glaubte ihr nicht, dass sie sich an einer offenen Schranktür gestoßen hatte. Wie denn bitte? Wie holt man sich bei solch einer Aktion so ein blaues Auge.
Und vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet, doch es schien als hätte sie eine Beule an der Stirn gehabt.
Ihr Auge war auch geschwollen.
Ob ich es wollte oder nicht konnte ich ihr die Erklärung für ihre Verletzungen nicht glauben. Es musste einen anderen Grund geben, den sie mir verschwieg. Aber wieso? Diese Frau war ein Misterium. Diese wunderschöne Frau.

"Ju verdammt", fuhr mich Vince an. Fuck, ich hatte nicht aufgepasst!
"Ja?"
"Es funktioniert so nicht, Ju! Du bist in Gedanken, jede Sekunde, jeden Tag. Seit Wochen. Nimm dir eine Auszeit! So können wir nicht arbeiten!"
Wütend schaute er mir in die Augen.
"Es tut mir leid Bro", meinte ich niedergeschlagen zu ihm. Er hatte eigentlich Recht, aber ich musste mich ablenken. Ich konnte keine Pause machen.
"Aber bitte, Vince, bitte fang nochmal an. Ich schwör dir ich hör dir zu!", flehte ich ihn an.
"Julien es macht keinen Sinn", gab er nur mürrisch von sich. Doch in seiner Stimme lag auch ein Hauch von Verzweiflung und Sorge.
"Vince ich bitte dich. Ich will weiterarbeiten und ich werde auch weiterarbeiten. Bitte fang nochmal an."
"Und nenn mich nicht Julien", fügte ich hinzu.
Zweifelnd betrachtete Vince mich. Ich sah die Unentschlossenheit in seinen Augen.
"Gut, dann nochmal", gab er schließlich seufzend nach und begann wieder zu reden.




Lu's POV

Gedankenverloren starrte ich an die Wand.
In meinem Kopf rauschte es.
Ich hörte Stimmen, mehrere gleichzeitig.
Sie redeten auf mich ein.
Immer waren sie da und trotzdem verstand ich nie was sie sagten.
Es war ein einziges Wirrwarr von Gedanken und Stimmen.
Oft war es Chris' Stimme, manchmal auch von Arbeitskollegen, Freunden oder Familienmitgliedern.
Alle redeten auf mich ein.
Jeder wollte etwas von mir.
So entstand ein immenser Druck, mein Schädel schien zu platzen, jede Sekunde.
Doch nie geschah etwas.
Und dem Druck selbst entkam ich nicht.
Schon wieder wurden meine Augen wässrig, aber ich hielt nichts zurück. Seit längerem. Ich gab mir keine Mühe mehr für irgendetwas.
Es war doch eh alles egal. Am Schluss läuft es aufs Gleiche raus, unser Leben wird mit dem Tod enden und es ist jedem selbst überlassen, was man mit dieser Zeit macht, ob man sie genießt und nutzt, einfach auf das Ende wartet oder es womöglich früher beendet.
Wie es läuft interessiert in ein paar Jahren dann eh keinen mehr und niemand erinnert sich an dich. Man ist egal, ein winziger Fleck auf der Erde, unbedeutend.
Und keinen meiner Mitmenschen interessiert mein Leben.

Inzwischen rannen Bäche von Tränen mein Gesicht hinab. Zitternd zog ich meine Beine zu mir und versuchte, an etwas anderes zu denken, doch es funktionierte nicht. Ich war gefangen in meinem eigenen Kopf, geplagt von meinen eigenen Gedanken.
Niemand konnte mich befreien.
Niemand konnte mich verstehen.
Niemand konnte mir helfen, auf andere Gedanken zu kommen, alles hinter mir zu lassen.

Außer er.
Julien, oder wie er gesagt hatte, Ju.
Ja, wie er es gesagt hatte.
Mit dieser wunderbaren, einzigartigen Stimme.
Wie er mich angesehen hatte, mit diesen treuen, verständnisvollen Augen.
Ich hatte mich ein wenig wohl gefühlt, obwohl er ein wildfremder Mann war, der mich nachts auf einer menschenleeren Brücke angesprochen hatte.
Ein sehr hübscher, wildfremder Mann.
Seit dieser Begegnung ging er mir nicht aus dem Kopf. Seine respektvollen, abstandhaltenden Gesten, das charmante Lächeln, die beruhigende Ausstrahlung.
Ich musste die ganze Zeit an ihn denken. Er befreite mich für kurze Momente aus meinen Gedanken.
Ja, er, ein Fremder.
Ein Mann der mich nicht kannte.
Und ein Mann, der garantiert nichts von mir wollte.
'Lu, du willst von ihm auch nichts!", sagte ich mir selbst.
Stimmt, er war ja ein Mann.
Er würde mich verletzen, wie Chris.

Ich schämte mich für meine Gedanken, meine Einstellung, ich wollte mich ändern. Doch egal was ich versuchte, meine innere Stimme hielt mich davon ab.
Ich hasste mich dafür.
Ich hasste mich sogar für vieles mehr.
Für meinen Charakter, meinen Humor, mein Aussehen, mein nicht vorhandenes Können in irgendeiner Tätigkeit, meine Emotionalität und selbst für den Hass gegen mich selbst. Ich war ein Wrack, eine unliebbare, hässliche Frau. Ich war bald Anfang dreißig und hatte in meinem Leben nichts erreicht. Nicht mal den Spaß an dieser Welt, den Kate hatte. Rein gar nichts. Ich war nutzlos.
Niemand brauchte mich.
Und niemand würde sich für mich interessiert wenn ich mein Dasein beenden würde.
Niemand.

●○●○●○●○●○●○●○●○●○●○●○●○●○●○●
Heyyy:)
Nach einer Woche bin ich dann auch mal wieder aktiv hier hehe
Ich bin nicht so zufrieden mit dem Kapitel, ich hoffe ihr seid es wenigstens ♡♡♡

Und danke für über 430 Reads und über 60 Votes ihr seid einfach die besten💜🫶🏻
Hab euch alle ganz fest lieb<3
LG, Malina

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top