6. Rosen sind rot...
Kate's Sicht
Erneut setzte ich die weiße Porzellan Tasse an meinen Mund an und nahm einen Schluck von meinem Kaffee. Die warme Flüssigkeit lief meine Speiseröhre hinab und hinterließ eine wohlige Wärme und einen leicht bitteren Geschmack. Meine Finger streiften sanft über die Kante des weißen Blatt Papier's. Sacht legte ich es auf den Stapel und zum Vorschein kam ein weiteres Blatt.
Ich hatte mich in die hintere Ecke eines kleinen Cafe's, im Stadtzentrum gesetzt. Es war klein und gemütlich. Die Wände waren teilweise mit Kiefernholz oder mit Schiefernsteinen ausegkleidet. Die Tische waren klein und aus zierlich verbogenem Eisen geformt. Die Stühle bildeten entweder halbe Baumstümpfe, als Bänke, oder passend zu den Tischen, niedliche kleine Gartenstühle aus Eisen. Überall duftete es herrlich nach frisch gemahlenem Kaffee und köstlichem Apfelstrudel.
Jedoch befand ich mich nicht ausschließlich zu meinem Vergnügen an diesem gemütlichen Ort. Wie meine Schüler hatte auch ich die Pflicht meine Hausaufgaben zu machen und so musste ich dieses Mal ihre Arbeiten, in Form von selbstgeschriebenen Gedichten, kontrollieren. Damit dies nicht allzu Öde wird, entschloss ich mich kurzer Hand dazu, meine Arbeit hierher zu verlegen.
Ich hatte bereits ein paar Gedicht hinter mich gebracht. So gut wie Manche waren, waren andere sehr ernüchternd. Die Meisten hatten sich eher einfache Themen ausgesucht, wie ihre Hobbys, etc. Daran war nichts falsch. Ich hatte es ihnen ja angeboten. Ein bisschen mehr hatte ich mir trotzdem von einer gymnasial Klasse erhofft. Wenige hatten gerade mehr als eine Strophe mit vier Versen geschrieben. Noch weniger hatten sich bis jetzt mit eher tiefgreifenderen Themen auseinandergesetzt. Manche machten sich auch einfach nur einen Scherz aus der Aufgabe und nahmen sie nicht ernst.
Erwartungsvoll blickte ich auf den wenig beschriebenen Zettel vor mir. Das Gedicht war lieblos mit dunkelgrünem Finliner darauf gekritzelt. Sieht nach einer weiteren Arbeit aus, die im Bus entstanden ist. Dachte ich. Aber selbst wenn, das hieß ja nicht, dass es nicht gut sein konnte. Ein Funke Hoffnung keimte in mir auf. Dieser würde allerdings im Keim erstickt, wie ich bemerkte, als ich den ersten der insgesamt vier Verse, zu lesen begann.
Meine Nase ist rot,
Ich bin vol blau.
Sie mögen mich trodsdem,
Das weis ich genau.
... Dann hätten wir das mit der Hoffnung ja auch geklärt. Ja gut... Ich gebe zu, beschweren brauchte ich mich nicht... Ich war ja selbst schuld. So waren die einzigen Bedingungen die ich stellte nur, dass sich das Gedicht reimt, dies tat es, und... Nun ja... Wenn ich dem Verfasser glauben schenken wollte, dann hatte dieses Gedicht auch etwas mit dieser Person zu tun. In so fern... Inhaltlich durfte ich ihm nichts ankreiden. Über die Sache mit der Rechtschreibung müsste ich allerdings mit... Brian?, Wie ich schwer, die in die Ecke geklierten Buchstaben entzifferte, noch einmal persönlich reden. Und da dieser in die 11. Klasse am GYMNASIUM ging, war etwas besseres als eine Vier leider einfach nicht drin. Sorry Brian... Aber vermutlich würde er sich eh darüber freuen, wenn man bedenkt das er dies höchst wahrscheinlich eh erst am Tag der Abgabe verfasst hatte. Ja, vermutlich würden andere Lehrer dieses Gedicht sogar schlechter bewerten. Aber ich wollte einfach nicht, dass einer meiner Schüler mit einer Fünf oder schlechter in das kommende Schuljahr startete. Dem entsprechend... Was hatte ich für eine Wahl?
Erwartungsvoll blätterte ich weiter durch den Stapel der noch nicht korrigierten Arbeiten. Manche Gedichte entlockten mir ein leichtes Schmunzeln, manchen allerdings auch nur ein enttäuschtes Kopfschütteln. Aber zumindest reimten sich die meisten Werke meiner Schüler, selbst wenn sie eher sinnfrei waren.
Ich hatte gerade ein weiteres Gedicht angefangen zu kontrollieren, als ich eine Nachricht erhielt.
Es war Maria, meine beste Freundin und Kollegin. Ja genau, Kollegin. Auch sie war Lehrerin und unterrichtete Sport und Biologie an dem
Jefferson-Gymnasium. Tatsächlich war sie sogar der Grund, warum ich ebenfalls dort unterrichtete und deshalb auch gerade diese Gedichte kontrollierte. Ich säufzte leicht als ich an die Zeit dachte, als wir beide selbst noch Schüler an diesem Gymnasium waren. Ich lächelte in mich hinein. All die Jahre in denen wir nebeneinander gesessen hatten, eine Arbeit nach der anderen geschrieben hatten. Wie wir uns darauf gefreut hatten endlich aus dieser Schule raus zu sein, die Stadt zu verlassen und ein eigenes Leben zu führen... Und jetzt sind wir wieder hier. Am Jefferson-Gymnasium. Gemeinsam.
Wie ich dazu gekommen bin Lehrer zu werden? Nun... Das ist eine längere Geschichte, die ich mir für einen passenderen Zeitpunkt aufhebe. Ich kann nur so viel sagen, dass ich es niemals geplant, geschweige denn gewollt hatte, Lehrer zu werden. Aber nun war ich hier und ich genoss jede einzelne Minute.
Noch vor kurzer Zeit war ich nicht einmal in diesem Land. Ich hatte Pläne, Träume... Und nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, wollte ich diese auch verwirklichen. Ich wollte auswandern, einen guten Job haben, mich verlieben, Familie gründen. Ich wollte leben. Doch wie jeder weiß, kann das Schicksal manchmal eine echte B***h sein... Und so hat es auch mir einen fetten, schwarzen Strich mit Permanentmarker durch die Rechnung gemacht. Ein Anruf genügte und mein ganzes Leben war auf den Kopf gestellt. Nur ein Anruf und ich war wieder zurück in Deutschland, in meiner Heimat. Wie sich herausgestellt hatte musste ich länger bleiben. Trotz allem wollte ich finanziell unabhängig von Anderen sein und so kam es, dass mich Maria dazu überzeugen konnte an meine alte Schule zurückzukehren.
Ich spürte wie sich meine Augen stetig mit Tränen füllten,als Ich wieder daran dachte... doch jetzt war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt wieder darüber nachzudenken. Schnell wischte ich mir die Tränen aus den Augen und holte mein Handy hervor, schließlich hatte ich ja eine Nachricht bekommen, die darauf wartete gelesen zu werden.
Maria: Heyhooooooooo, was machst du gerade???
Ich: Bin im Cafe, Arbeiten kontrollieren...
Maria: Klingt ja nicht so begeistert?
Ich: Kommt darauf an wie man es nimmt ;-\
Maria: So schlimm?
Ich: Nun ja... Sie waren definitiv kreativ... Warte, ich schick dir ein Bsp.
Maria: Grüne... Wimpel?
Ich: Hmmmmmm
Maria: Warte... Sind das... Ponys?
Ich: Einhörner...
Maria: Ok... Das reicht. Du brauchst ne Auszeit. Gib mir 10 min, dann bin ich da und wir gehen shoppen!!! Und keine Wiederrede. Bis gleich ;D
Typisch Maria... Wie konnte ich auch glauben ich könnte in Ruhe die Gedichte kontrollieren? Aber eine Ablenkung würde mir in diesem Augenblick nicht schaden, dessen war ich mir sicher. Daher entschied ich mich gegen jeglicher Art von Wiederstand und schaute stadt dessen, wie viel Arbeit mir dann noch bevorstand. Vorsichtig kramte ich in meiner Tasche und holte mein Notenbuch hervor. Um nicht die Übersicht zu verlieren hatte ich immer wenn ich ein Gedicht fertig kontrolliert hatte es abgehakt. Ich ließ meinen Blick über die Tabelle mit den Gedichten schweifen und es schien als würde nur noch ein Gedicht fehlen. War ich wirklich so schnell voran gekommen? Ich schaute auf meine Uhr...
Noch ca. Acht Minuten, dann wäre Maria hier... Das letzte schaffe ich jetzt auch noch.
Erneut suchte ich die Lücke in der Tabelle heraus. Langsam fuhr ich mit meinem Finger, von der Lücke aus, die Spalte entlang. Das weiche Papier unter meinen Fingern, bis ich bei der Namensliste angekommen war. Jessica Miller.
Ein leichtes Gefühl der Freude machte sich in meiner Magengegend breit. War es Hoffnung? Schließlich waren ihre früheren Noten hervorragend gewesen. Ihr musste etwas an Schule liegen. Sie war meine letzte Hoffnung, auf ein wahrlich anspruchsvolles Gedicht. Doch einmal mehr wandelte sich meine Hoffnung in Enttäuschung. Ihr Gedicht war nicht dabei. Zweifel keimten in mir auf. Das konnte nicht sein.
Warum würde sie ihr Gedicht nicht abgeben? Krank war sie nicht gewesen, aber soweit ich Bescheid wusste hatte sie auch noch nie bei den anderen Lehrern jemals eine Hausaufgabe vergessen, geschweige denn einfach nicht abgegeben...
Noch einmal ging ich den Stapel der abgegebenen Werke durch, doch von Jess war nichts vorzufinden. Hatte ich ihre Arbeit verloren? Nein, das konnte nicht sein... Ich hatte alle Arbeiten gemeinsam in die Tasche getan, wenn ich etwas davon verloren hätte, dann wäre es niemals nur eine Arbeit gewesen. Aber...
Noch bevor ich den Gedanken beenden konnte spürte ich wie sich zwei Arme um mich schlungen.
„Sitzt du immer Noch vor den Gedichten?" Ich spürte wie neugierige, smaragdgrünen Augen mich eindringlich musterten. „Ich war gerade fertig..." sagte ich dann doch eher mehr zu mir selbst. Schnell stopfte ich alles in meine Tasche, bezahlte noch schnell meinen Kaffee und machte mich mit Maria auf in die Mall. Sie war etwas kleiner als ich, hatte schulterlange, rote, wellige Haare und leichte Sommersprossen, die ihre Stupsnase zierten. „Also... "Grüne Wimpel"", grinste sie mich an, während sie sich bei mir einhenkelte. „Ganz recht... "Grüne Wimpel", wahrlich ein Meisterwerk.", Lachte ich. „Führ war und wem, Frau Professorin, haben wir dieses Meisterwerk, wie Sie es zu sagen pflegen, zu verdanken?" Ergänzte sie, während der Rotschopf mich leicht zur Seite schupste. Ich geriet leicht ins stolpern, konnte mich aber noch rechtzeitig wieder fangen. „Nun... Da der Dichter keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, gab er oder sie zusätzlich zum Namen noch einen Künstlernamen an." „Und der wäre?" „Gertrude." Sie hielt an. Ihr Blick war fragend und ich konnte die Neugierde in ihren Augen förmlich funkeln sehen. „Gertrude?" „Gertrude." Ich unterstütze mit einem Kopfnicken meine Aussage und begann weiter zu laufen. „Höchst interessant... Nun ich hoffe dir macht es nichts aus, wenn ich dich nun mit der heutigen Mission vertraut mache?" Jetzt war ich die jenige, deren Augen sich vor Neugierde weiteten.
„Mission? Was-" „Ich habe heute noch ein Date. Und ich brauch dringend deine Hilfe, denn ich habe nichts zum anziehen. Hilfst du mir?" Ihre Hand umschloss vorsichtig mein Handgelenk. Ich sah ihr ins Gesicht und...
Oh nein... Bloß nicht... Der Hundeblick.
Sie riss ihre Augen auf und machte einen Schmollmund. Ich meine... Ich hätte ihr so oder so geholfen, schließlich war sie meine beste Freundin und ich war sowieso schon mit ihr in der Mall, aber selbst wenn nicht hätte ich dazu nicht nein sagen können. „Geht klar." Ich lächelte sie breit an und mit einem freudigen „YAY" zog sie mich auch schon in den ersten Laden.
Mehrere Stunden später befand sich Maria erneut in einer Umkleidekabine, immer noch ohne das passende Outfit für den heutigen Abend. „Ich brauch ne kurze Auszeit. Ich schau schnell rüber in den Bücherladen, in Ordnung?" Fragte ich vorsichtig das Nervenbündel in der Umkleide. „Äh... Ja ist gut, ich Ruf dich an wenn ich dich brauche." Ohne ein weiteres Wort fand ich mich auch schon bei den Romanen wieder. Nach kurzer Zeit hatte ich auch schon das erste Buch in der Hand und wollte mich gerade auf den Weg zur Kasse machen, schließlich konnte ich Maria nicht ewig alleine lassen. Gedankenversunken drehte ich mich Richtung Kasse. In einem etwas schnelleren Schritt setzte ich mich in Bewegung, den Blick auf die ersten Seiten des Buches gerichtet, bereits versunken in einer vollkommen anderen Welt.
Plötzlich spürte ich etwas hartes an meiner Stirn. Ich verlor mein Gleichgewicht und taumelte zu Boden. Das Buch flog aus meinen Händen und krachte vor mir zu Boden. Mit meinen Händen rieb ich meine Stirn. Wieso passierte das immer mir?
„Oh mein Gott, es tut mir unglaublich leid. Ich...
Ms. Morgan?" OK, jetzt war ich neugierig. Zögerlich öffnete ich meine Augen und blickte direkt in die tiefen dunkelblauen Meere, ihrer Augen. Sie sah erschrocken aus, oder neugierig? Ich meinte auch ein gewisses Funkeln wiederzuerkennen? Aber vermutlich täuschte ich mich auch nur.
„Scheint so als ob sich manche Dinge wohl nie ändern, was?", versuchte ich die Situation aufzulockern. Sie lachte leicht. Es klang wunderschön. Schnell sammelte ich mich und begann das Durcheinander aufzuräumen. Nach nur wenigen Sekunden half Jess mir dabei. Wir waren fast fertig. Ein Buch lag noch aufgeschlagen vor uns. Schnell griff ich danach, doch sie schien das selbe vor zu haben. Ich spürte wie sich unsere Hände berührten. Fast schon reflexartig schaute ich auf. Unsere Blicke trafen sich. Ihre Hand ruhte auf meiner und ich schien mich in den weiten Meeren ihrer saphirblauen Augen zu verlieren. Sekunden wirkten wie Minuten und für einen Moment lang schien die Welt still zu stehen.
Schnell hatte ich mich wieder gefangen, zog meine Hand zurück und reichte ihr das Buch mit einem peinlich berührten Lächeln im Gesicht.
Wow, das war schräg...
„Ich ämmmm... Das glaube, gehört ihnen." Ich schaute verwirrt auf das Buch in ihrer Hand. „Oh, ja stimmt. Ich geh dann mal an die Kasse viel Spaß... dann noch." Ich machte auf dem Absatz kehrt und sah zu, dass ich dieser unangenehmen Situation möglichst schnell entkommen konnte.
Viel Spaß dann noch? Was besseres ist dir nicht eingefallen?
Der erneute Klang ihrer Stimme ließ mich leicht zusammenfahren. „Ms. Morgan! Warten Sie kurz, bitte." Ruckartig blieb ich stehen und drehte mich langsam wieder zu meiner Schülerin. Ich setzte ein gespieltes Lächeln auf, um meine Nervosität zu verstecken. „Mhmmm?"
Ich sah wie sie in ihrem Rucksack kramte und nervös etwas vor sich hin brabbelte. „Ich... Es tut mir leid, ich habe heute leider vergessen gehabt mein Gedicht am Ende der Stunde bei Ihnen abzugeben, hatte es ein wenig eilig. Ich hatte versucht sie danach noch zu finden, um es nach zu reichen, aber sie waren schon weg... Ich hoffe es ist noch nicht zu spät?" Bettelnd, ja fast schon flehend schaute sie mich an, während sie mir ein weißes, beschriebenes Blatt hin hielt. Zögerlich griff ich danach und ließ meinen Blick darüber schweifen. Sie hatte eine wirklich schöne Handschrift. Freude machte sich in mir breit. Ich wusste, sie hatte die Hausaufgabe gemacht.
Mit einem leichten Kopfnicken nahm ich die Arbeit dankend entgegen. Ohne ein weiteres Wort verstaute ich den Zettel sorgsam in meiner Tasche und drehte mich wieder Richtung Kasse. „Ach und Ms. Morgan...!" Ich hielt Inne, sagte aber nichts weiter. „Das Buch, was sie dort haben... Ich habe es gelesen. Es ist wahrlich ein Meisterwerk. Es lohnt sich." Ich schaute noch einmal über die Schulter zu meiner Schülerin, welche mich mit einem breiten Grinsen anstrahlte. Ein leichtes Lächeln zierte dabei auch meine Lippen. Ich schloss kurz meine Augen und sammelte mich. Anschließend machte ich mich auf den Weg zur Kasse. Jetzt war ich mir sicher, dass ich das Buch so bald wie möglich lesen wollte. Ich war mir sicher es würde sich lohnen.
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