12. Süße Versuchung
Mein Herz schlug unaufhörlich gegen meine Brust. Ich wusste es war falsch. Ich wusste das wenn ich das jetzt tun würde, wenn ich sie jetzt küssen würde, ich nicht nur mich sondern auch Ms. Morgan in eine unvorstellbar missliche Lage bringen würde. Und dennoch wollte ich in diesem Moment nichts mehr als endlich die wenige Distanz zwischen uns zu überbrücken und sie zu küssen. Ich spürte wie ihr durchdringender Blick auf mir ruhte. Ich war wie gelähmt. Was sollte ich tun? Die Zeit war eingefroren. Alles verlief so langsam. Nach und nach erfasste ich den Entschluss es einfach zu tun, mich meinen Gefühlen hin zu geben und sämtliche Konsequenzen für einen Moment auszublenden.
Langsam lehnte ich mich weiter zu ihr nach Vorne. Ms. Morgan schloss ihre Augen. Mir wurde warm und dann hörten wir ein dumpfes Klopfen an der Tür. Shit. Sie riss ihre Augen auf und ich rollte mich von ihr herunter. Nur wenige Sekunden später ging die Tür auf und ich hörte wie jemand mit schweren Schritten in den Raum hinein gestampft kam. Ich schaute sie an. Ihr Blick war gefüllt mit Angst und einem Hauch von Trauer. Auch ich bekam langsam Panik. Ich meine... Was würde man denken wenn man uns hier auf dem Boden rumlungern sah? „Katherine?" Ertönte es hinter uns. Katherine? War das ihr Vorname? Das war ja mal mega niedlich.
Mit fragenden Blick schaute ich sie weiter an. Doch sie rührte sich nicht. Sie war wie versteinert. Erst jetzt bemerkte ich das bei unserem Zusammenprall ihre Brille runter gefallen war. Ich suchte den Boden ab und sah sie unter dem Tisch liegen. Schnell griff ich danach und richtete mich auf. „Hab sie gefunden." Sagte ich zu ihr und tat so als hätte ich den unerwünschten Besucher gar nicht erst mitbekommen. Leicht zitternd hielt ich ihr meine Hand hin und half ihr auf. „Danke dir, ich glaub die hätte ich sonst den ganzen Tag gesucht." Gab sie mit zittriger Stimme von sich. „Kein Ding. Ich wünsche ihnen noch ein schönes Wochenende." Schnell machte ich mich auf den Weg zur Tür. Mit leerem Blick schaute ich den Lehrer an, der meinte er müsse einfach so hier rein platzen. Es war Herr Kies.
Der große, dünne Lehrer unterrichtete seit zwei Jahren an dieser Schule Chemie und Biologie. Er hatte kurze schwarze Haare und braune Augen. Soweit ganz normal, aber komisch war der trotzdem. Der Mann hatte einfach keine Mimik. Wie soll ich sagen, es wirkte immer als ob sein Gesicht aufgespritzt war. Nicht weil sein Gesicht künstlich aussah, sondern einfach weil es sich nie bewegte. Jegliche Emotionen konnte man maximal aus seinen Augen ablesen. Doch damit nicht genug, nein. Auch seine Stimme war so ausdruckslos, dass man sich glücklich schätzen konnte wenn man bei ihm eine Stunde überstanden hatte, ohne dabei einzuschlafen. Ich hatte ihn bis jetzt zum Glück nur ein paar mal als Vertretung. Aber das hatte mir schon gereicht. Mit einem kalten „Herr Kies." Verabschiedete ich mich von beiden und ging schnellen Schrittes endlich aus dem Raum hinaus.
Anstelle irgendwelche Anstalten zu machen nach Hause zu kommen ging ich geradewegs auf das Bad zu. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Mit nervöser Hand dreht ich den Wasserhahn auf. Ich formte meine Hände zu einer Art Schüssel und sammelte das Wasser darin. Nach wenigen Sekunden schüttete ich mir das kühle Nass in mein Gesicht. Es war als könnte ich erst jetzt wieder richtig atmen. Ich spürte wie vereinzelte Tropfen an meinen Wangen hinunter rannen und sich an meinem Kinn sammelten. Was war da gerade passiert? Hätte ich es wirklich getan, wenn Herr Kies nicht reingeplatzt wäre? Im Nachhinein war es vielleicht doch besser so. Ich meine, wie hätte sie wohl reagiert? Fuck, wie konnte ich nur annehmen dass das eine gute Idee gewesen wäre?
Leider war mir nicht viel Zeit mit meinen Gedanken vergönnt. Kurz nachdem auch die restlichen kristallklaren Wassertröpfchen von meinem Gesicht auf das Porzellan des Waschbeckens tropften, klingelte mein Handy. Langsam kramte ich es aus meiner Jackentasche und schaute mit verquollenen Augen auf das Display. Mom. Super, was wollte die denn jetzt? „Ja?" begrüßte ich sie charmant genervt. „Jessi Bärchen?" Ich hasste es wenn sie mich so nannte. „Wie sind zeitiger von der Weiterbildung zurück gekommen. Ich warte vor der Schule im Auto um dich abzuholen." Einen Moment lang dachte ich darüber nach einfach aufzulegen und weit weit weg zu gehen. Aber gegen ein gratis Taxi nach Hause hatte auch ich recht wenig einzuwenden. Also beendete ich das Telefonat und kurz darauf fand ich mich auch schon im Auto auf dem Weg nach Hause wieder.
„Wie war dein Tag?" unterbrach meine Ma' die hämmernde Stille. Ich war allerdings nicht gerade in Redestimmung und gab nur ein „Hrm" von mir. Anscheinend hatte es sie sowieso nicht sonderlich interessiert, denn sie fuhr sofort zu dem eigentlichen Thema fort, dass sie vorhatte anzusprechen. „Weißt du Jessica...", Oh shit, das war kein guter Einstieg. „Ich habe zu Hause die letzten Tests von dir gefunden." Und da war sie, die Bombe die jeden Augenblick platzen konnte. Ich schluckte, doch meine Mom schien erstaunlicher Weise ruhig zu bleiben. „Doch damit nicht genug. Ich habe außerdem einen Anruf von deinem Direktor erhalten. Er hat gesagt das er dich dabei erwischt hat, wie du mir deinen Freunden auf dem Schulgelände Gras geraucht hast." Okay, halt stop. Das stimmt nicht. Ich habe nichts der gleichen getan. Wie immer stand ich nur daneben, während sich die Anderen das Hirn wegkifften. Und wer wurde wieder gesehen und gemeldet? Natürlich ich. Ich setzte an um etwas zu sagen, doch hatte ich keine Chance mich zu rechtfertigen. „Nein, ich will jetzt nichts von dir hören. Das ist nicht das Verhalten das wir dir beigebracht haben." Das war genug. „Ihr mir beigebracht? Ihr wart doch nie da wenn ich euch brauchte!" Platzte es aus mir heraus. „Nicht in diesem Ton junges Fräulein. Du hast ohnehin jetzt nichts mehr zu melden. Du hast Hausarrest und wirst dieses Wochenende lernen um deinen Notenspiegel wieder zu heben. Und damit Ende des Gesprächs." Sie parkte das Auto vor der Haustür. „Ihr könnt mich mal."
Und damit stieg ich aus dem Auto und rannte in mein Zimmer. Ich schloss die Tür ab, schmiss meinen Rucksack in die Ecke und trat einmal mit voller Wucht dagegen, so dass dieser quer durch den Raum flog. Ich war so unbeschreiblich wütend. Warme Tränen rannen mein Gesicht entlang und mein Kopf war rot. Ein nicht enden wollender Druck hämmerte gegen meine Schädeldecke. Ich ging zu meinem Bett und schmiss die Matratze aus dem Gestell. Gott sei dank fand ich auch was ich suchte. Gut vorbereitet wie ich war hatte ich immer eine Zigarettenpackung und ein Feuerzeug in meinem Zimmer so gebunkert, dass es niemand finden würde. Ich griff danach, ging zum Fenster und öffnete dieses. Mein Zimmer war in der obersten Etage und von meinem Fenster konnte man gut das flache Dach unseres Hauses erreichen. Da mein Zimmer sowieso in Richtung unseres Gartens zeigte und meine Eltern dort sich eh nie aufhielten, hatte ich keine Sorge das sie mich jemals sehen könnten. Ich stieg aufs Dach und platzierte mich einigermaßen bequem. Mit kalten Händen nahm ich eine Zigarette aus der Packung, steckte sie in meinen Mund und zündete sie an. Ich nahm einen tiefen Zug und spürte wie der kratzende Rauch meine Lunge umspülte und ich mich langsam wieder beruhigte. Ich starrte in die Ferne und sah wie vereinzelt Wolken über den Dächern der Häuser schwebten. Ich zuckte mein Handy und dachte darüber nach wie ich so schnell wie möglich aus diesem Höllenloch herauskam. Bei dem Gedanken daran musste ich leicht grinsen. Die Idee war verrückt, vollkommen schwachsinnig und dennoch hatte sie sich in meinem Kopf fest verankert. Noch immer blieb mir die Nummer von Ms. Morgan. Wäre es komisch sie jetzt schon nach Nachhilfe zu fragen? Vielleicht, aber es war mein einziger Ausweg.
Ich holte den Zettel heraus und tippte ihre Nummer ein. „Hallo Ms. Morgan," , Nein, das klang komisch. „Sehr geehrte Ms Morgan," Gott nein, so spießig konnte ich es nicht formulieren. Nach einer knappen Viertel Stunde und mehreren Malen des Löschens, hatte ich es endlich geschafft eine einigermaßen vernünftige Frage zu formulieren. Mein Herz raste. Konnte ich sie wirklich einfach so anschreiben? Sie hatte es mir selbst angeboten. Und dennoch fühlte es sich einfach falsch an. Ich holte tief Luft und drückte auf absenden. Gebannt starrte ich auf das Display. Es dauerte nicht lange da färbten sich die zwei Häckchen auch schon blau. Fuck, jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie schrieb und ab da schien es eine halbe Ewigkeit zu dauern. Mein Magen verkrampfte sich und mir war übel. Was würde sie Antworten? Das vertraute Klingeln ertönte und ich starrte auf den Bildschirm. „Hey Jess, freut mich das du mein Angebot annimmst. Wann hättest du denn Zeit?" Ok ok, ruhig bleiben. Ich schrieb ihr das ich eigentlich absofort könnte und zu meinem Überraschen schien es sie nicht weiter zu stören. Kurz darauf bekam ich eine Nachricht in der ihre Adresse, sowie „sehen uns in einer Stunde." stand.
Schnell kletterte ich zurück in mein Zimmer und packte meine Sachen. Ich rannte ins Wohnzimmer und nahm meinen Helm. „Jessi, was hatten wir zum Thema Ausgehen gesagt?" störte meine Mom einmal mehr meinen Frieden. „Beruhig dich, ich gehe nur zur Nachhilfe, kannst ja meine Lehrerin fragen wenn du unbedingt meinst du müsstest mich kontrollieren." Gab ich patzig wieder und ging zur Tür. „Von mir aus, aber wenn du spätestens Neun Uhr nicht wieder hier bist, dann gibt es richtig Ärger." Sehr Konsequente Erziehung, dachte ich mir. Aber hey, mit sollte es recht sein. Kurz darauf schmiss ich die Tür hinter mir zu und setzte mich auf mein Moped. Da wir ein wenig außerhalb wohnten dauerte es immer ein wenig wenn ich in die Stadt fuhr. Noch ein Blick auf die Uhr und ich wusste, kurz vor achtzehn Uhr würde ich bei ihr ankommen.
Gesagt wie getan und schon stand ich vor ihrer Wohnung in der Königsstraße Fünfzehn. Ich war nervös. War das nach allem heute wirklich eine gute Idee? Naja, jetzt könnte ich schlecht noch einen Rückzieher machen. Also zwang ich mich dazu auf die Klingel zudrücken. Nach nur wenigen quälenden Minuten des Wartens machte auch schon die schönste Frau auf der Welt die Tür auf. Sie trug eine blaue Jeans und eine lockere weiße Bluse dazu. Ihre Haare sahen ohnehin wie immer perfekt aus.
„Komm rein." Sie schenkte mir ein leichtes Lächeln und öffnete die Tür nun vollständig. Langsam trat ich in die kleine Wohnung ein. Der Flur war ziemlich breit. Nach rechts und links ging es zu den anliegenden Räumen. Geradeaus lag die Stube. Alles war sehr hell und modern in grau und weiß Tönen gehalten. Lediglich wenige rote Akzente rundeten alles perfekt ab. In der Stube befand sich rechts eine breite Couch, mit Fernseher und einem kleinen Glastisch. Links stand ein Esstisch mit zwei Stühlen. „Bitte,setzt dich." Ich legte meine Tasche neben den Stuhl, setzte mich und packte meinen Block aus. Sie setzte sich gegenüber von mir und einmal mehr verlor Ich mich in ihren unwiderstehlichen Augen. „Fangen wir mit Geschichte an. Da sind wir momentan bei Napoleon. Kannst du mir irgendetwas zu ihm sagen?" Stumm schüttelte ich meinen Kopf und schaute mit gesenktem Blick auf mein Blatt. Es war als hätte sie mir jegliche Fähigkeit zu sprechen genommen. Und so verlief es die gesamte Zeit. Sie stellte mir Fragen, auf die ich einfach nichts zu antworten wusste. Zwischendurch hatte sie eine Pizza bestellt und neben uns auf den Tisch gestellt, doch auch das half mir nicht mich zu konzentrieren. Sie hatte mich in ihren Bann gerissen und ich war einfach nicht in der Lage mich davon zu befreien.
„Kannst du es dir einigermaßen vorstellen?" „Nein, nicht wirklich." Gab ich beschämt zu. Mit entschlossenem Blick stand sie auf und stellte sich hinter mich. Sie beugte sich zu mir herunter und nahm meinen Bleistift. Ich spürte wie ihre Haare in meinem Nacken kitzelten und die Wärme die von ihr ausging. „Stell dir vor, ihr Lager befand sich dort in dem Tal und Napoleon wollte sie angreifen. Anstelle sie vom Meer aus zu attackieren, wie es unzählige vor ihm versucht hatten, wollte er sie vom Berg aus angreifen, was ihm auch gelang." Sie hatte das Szenario vollständig aufgezeichnet und tatsächlich hatte ich etwas davon in meinem Kopf behalten. Ihr Blick lag nun auf mir und ich schaute sie an. „D..Danke." Ohne das Ich es kontrollieren könnte wanderte mein Blick langsam runter zu ihren Dekolletè. Für einen Augenblick blieb mir der Atem im Hals stecken. Ich schluckte und mein Kopf wurde rot wie eine Tomate. Hatte sie zufällig die Heizung aufgedreht? Peinlich berührt schaute ich auf meine Uhr. Keine gute Idee, denn jetzt merkte ich, dass ich mich leider auch schon wieder auf den Weg nach Hause machen musste, wenn ich nicht noch mehr Ärger bekommen wollen würde. „Ich m.. Ich muss los. Vielen Dank für ihre Hilfe." Ich stand auf und packte mein Kram zusammen. „Alles klar, kein Ding. Ich bring dich noch zur Tür."
Ich schwieg und zog mir die Schuhe an. Man war das gerade peinlich. Mit warmen Blick beobachtete sie jede Bewegung die von mir ausging. Ein letzter Blick auf die Uhr. Mist, schon dreiviertel Neun. Ich nahm die Türklinke in die Hand und harrte aus. Natürlich hätte ich einfach gehen können, doch meine innere Unruhe schrie in mir. Ich hätte so viele Fragen. Es brannte mir so sehr auf der Seele. Ich musste es sie einfach fragen und da ich es sowieso nicht pünktlich nach Hause schaffen würde, atmete ich tief durch und sprach es einfach aus, was mich den ganzen Abend über beschäftigt hatte. „Das heute im Klassenzimmer, was hätte das zu bedeuten?" Ich drehte mich um und schaute ihr direkt in die Augen. Sie kam näher. „Ich m... Ich weiß es nicht. Was glaubst du denn?" Flüsterte sie mit zarter Stimme. Ok, also mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.
Sie stand knapp vor mir und mein Herz raste wie wild. Ja, Jess, was hatte es zu bedeuten? Was bedeutete sie für dich? Was war es was du mehr als alles andere wolltest? Die Antwort war klar.
Sie. Ich wollte sie.
Stürmisch machte ich einen großen Schritt auf Ms. Morgan zu und legte meine Rechte Hand an ihre Wange, als würde ich sie festhalten. Endlich hatte ich den Mut dazu und schloss die letzten Zentimeter zwischen uns. Mit geschlossenen Augen spürte ich ihre Weichen Lippen auf meinen. Schmeckte ihren zarten Lippenstift und genoss jede einzelne Sekunde des Moments. Zunächst machten sich vereinzelte Zweifel in mir breit, ob es die richtige Entscheidung war, doch dann küsste sie mich zurück und eine Welle des Glücks überflutete mich. Sie bewegte ihre Lippen zu meinen und legte ihre Hände auf meine Hüften. Langsam drückte sie mich nach Hinten. Ich spürte die hätte Wand in meinem Rücken. Noch immer verschmolzen unsere Lippen miteinander und ich wollte diesen Moment niemals enden lassen. Mit ihrer Zunge Strich sie sanft über Meine Unterlippe, was mir ein leichtes Stöhnen entlockte. Ich gewährte ihr einlass, woraufhin ein kurzer Machtkampf entfachte, bei dem sie jedoch eindeutig dominierte, da jede Berührung von ihr mich schwach machte. Ich spürte wie die Luft langsam knapp wurde und meine Beine immer weicher wurden. Erneut drückte sie sich mit ihrem ganzen Körper gegen mich und fuhr mit ihren Händen durch meine Haare.
Passierte das gerade wirklich? Es schien mir zu schön um wahr zu sein. Alles war perfekt. Sie war perfekt. Sie machte mich schwach und glücklich zur selben Zeit.
Meine Hände suchten an ihrem Rücken halt, doch alles was ich konnte, war mich in dem Moment von meinen Gefühlen tragen zu lassen.
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