6. Telefonat

»Ich bin dann weg!«

Ich warf einen schnellen Blick in das Trainerzimmer, wo zwei meiner Kollegen waren. Der eine lag auf der Krankenliege und hatte seinen Unterarm über seine Augen gelegt, Kopfhöher im Ohr und hob nur kurz die Hand zum Abschied, der andere saß auf dem Schreibtisch und starrte auf sein Handy, sah jedoch auf, als ich den Kopf zur Tür reinsteckte.

»Lass mich raten. Du hast keine Lust, meinen Kurs gleich zu übernehmen?«

Ich lachte auf.

»Nee, sorry. Ich muss los. Mach mal schön selber.«

Er seufzte.

»Habe ich befürchtet. Schönen Feierabend dir.«

»Danke, dir auch.«

Auch am Empfang ließ ich noch ein schnelles »Ciao, bis morgen« da, bevor ich durch die Eingangstür aus dem Studio verschwand und gleichzeitig meine Sporttasche höher schulterte. Die Treppen hinunter und zu meinem Auto, wo ich mich auf den Fahrersitz fallen ließ, meine Tasche auf der Rückbank verstaute und noch schnell eine Nachricht an Luna tippte, dass ich gleich da wäre, bevor ich mich anschnallte und das Handy per Bluetooth an die Musikanlage anschloss und es dann im Handschuhfach verschwinden ließ.

Ich kannte mich zu gut, wenn es die ganze Zeit griffbereit neben mir läge, würde ich doch immer wieder einen Blick darauf werfen. Ein Kumpel von mir hatte

kurz nach dem Abi mal einen Unfall durch eben so etwas gehabt und auch, wenn er recht gut davon gekommen war, war ich seitdem vorsichtiger geworden und packte das Handy beim Fahren außer Reichweite, um nicht doch noch in Versuchung zu geraten.

Zweieinhalb Lieder später fuhr ich gerade vor Lunas Haus, wo in diesem Moment ein Auto ausparkte. Ich grinste. Manchmal musste man auch einfach Glück haben. Ich parkte in der eben frei gewordenen Lücke und kontrollierte noch einmal, ob ich Schlüssel und Handy dabei hatte, bevor ich an dem Mehrfamilienhaus klingelte.

»Komm hoch.«

Luna fragte durch die Gegensprechanlage nicht einmal, wer da war, da ich ihr vorhin geschrieben hatte, wusste sie ja schon, dass ich jeden Moment kommen könnte.

Ich überlegte kurz, die Treppen, statt den Aufzug zu nehmen, blieb dann aber trotzdem vor der Tür von ebendiesem stehen und wartete lieber, anstatt bis in den sechsten Stock zu laufen. Schließlich kam ich gerade vom Training, ich hatte heute drei Kurse gegeben. Genug Sport für einen Tag.

»Fauler Fettsack.«

Luna grinste, als ich aus dem Aufzug stieg und auch ich lachte.

»Hab dich auch lieb.«

Wir umarmten uns kurz zur Begrüßung, bevor Luna die Wohnungstür wieder schloss und ich ihr in ihr Zimmer folgte, wo ich mich sofort auf ihre Couch fallen ließ. Das Konzert war inzwischen fast einen Monat her und seitdem hatten wir uns mehrmals die Woche gesehen, Luna gehörte inzwischen definitiv zu meinen besten Freunden.

»Ich bin morgen Abend mit ein paar Freunden im Club. Bist du dabei?«

Ich lachte.

»Unter der Woche? Das ist aber gar nicht vorbildlich.«

Luna streckte mir die Zunge raus.

»Klar. ich bin dabei.«

»Nee«, sie tat so, als wäre sie beleidigt, »Jetzt will ich nicht mehr, dass du mitkommst.«

»Gut, dann nicht.«, ich tat unbeteiligt.

»Doch.«

Nun konnten wir beide ein Lachen nicht mehr zurückhalten.

»Ich schreib dir morgen, wann wir uns wo treffen.«

Gerade zeigte ich ihr einen Daumen hoch, als mein Telefon in der Bauchtasche meines Hoodies zu klingeln begann.

»Telefon.«, wies mich Luna überflüssigerweise darauf hin.

»Echt? Danke.«

Ich verdrehte die Augen, grinste aber.

»Gerne doch.«

Ein Blick auf das Display verriet mir, dass es Mik war, der mich gerade anrief.

Wir hatten seit unserem Wiedersehen wieder jeden Tag geschrieben und auch telefoniert und so sehr, wie ich ihn vermisste, war ich mir inzwischen sehr sicher, dass ich mehr für ihn empfand als nur Freundschaft. Und trotzdem hatte ich Luna noch nichts davon erzählt, sie wusste nicht ein Mal, dass ich Mik kannte. Noch nicht.

Sorgfältig, damit mir auch ja keine Reaktion von ihr entging, beobachtete ich Luna, während ich auf den grünen Höher drückte und den Lautsprecher sofort anschaltete.

»Hey, Mik.«

Luna sah verwirrt zu mir.

»Hey, du«

Ihre Augen weiteten sich überrascht, ihr Mund blieb vor Überraschung offen stehen. »Nee, oder?«

Zwar flüsterte sie nur, aber trotzdem konnte man ihr Erstaunen gut heraushören. Ich konnte nicht anders, als zu lachen.

»Mik, ich bin gerade bei Luna. Meinst du, ich kann dich später zurückrufen, in 'ner Stunde oder so? Oder ist es wichtig?«

»Nene, alles gut. Hat Zeit. Meld' dich einfach.«

»Mach ich.«, ich warf erneut einen kurzen Blick zu Luna, die nur fassungslos den Kopf schüttelte, »Luna scheint gerade etwas verwirrt. Vielleicht hat sie aber auch einfach einen Schock bekommen und stirbt gleich oder so. In dem Fall kann ich dich schon früher anrufen.«

Mik lachte leise und schön.

»Du bist unmöglich.«

Auch ich grinste.

»Ich weiß.«

»Und jetzt bis später. Schöne Grüße an Luna.«

»Richte ich aus. Bis dann.«

Ich tippte auf das rote Hörer-Symbol und steckte das Handy wieder in die Tasche meines Hoodies, bevor ich mich wieder Luna zuwandte und nicht anders konnte, als zu grinsen.

»Nee, oder?«

Ich lachte leise auf.

»Doch.«

»Das war gerade ernsthaft darkviktory?«

»Ja.«

»Nee.«

Erneut lachte ich, während Luna ungläubig den Kopf schüttelte.

»Doch.«

»Du bist ein mieser Verräter!«

Ich lachte auf.

»Erzähl! Was zum Teufel ... Dennis!«

Luna schien ihre Fassung immer noch nicht ganz zurückgewonnen zu haben.

»Wie ... und warum ... wieso hast du nichts erzählt?«

»Keine Ahnung. Hat einfach nie gepasst.«

»Wie lang geht das schon? Wart ihr schon ... beim Konzert?«

»Okay, lange Geschichte: Ich kenne Mik schon ewig. Wir waren zusammen in der Schule, haben dann aber den Kontakt verloren nach dem Abi. Ich hab dann eben letztens zufällig von seiner Tour gehört und war erstmal extrem verwirrt. Ich wusste bis dahin nicht, dass Mik so ... bekannt geworden ist. Oder überhaupt, dass er mit Musik Geld verdient. Ich hab mir dann halt eine Karte geholt, ich war neugierig. Genau. Nach dem Konzert war ich dann bei Mik backstage und wir haben den restlichen Abend zusammen verbracht. Ja. Und seitdem schreiben und telefonieren wir regelmäßig."

Luna sagte nichts, schüttelte nur stumm den Kopf und lachte dann.

"Und du Verräter hast mich noch vorm Konzert über ihn ausgequetscht!"

Ich zuckte mit den Schultern, grinste.

"Hat es wenigstens gestimmt, was ich erzählt hatte?"

"Fast. In Kyritz waren wir in der Schule, gewohnt hat Mik aber außerhalb. Aber dass er seine Ausbildung abgebrochen hat, hatte ich selbst nicht gewusst."

Luna schüttelte den Kopf, schien mir aber nicht wirklich böse zu sein.

"Und warum hast du nicht von Anfang an etwas erzählt?"

"Ich wollte einerseits nicht, dass irgendwer dann versucht, über mich an Mik heran zu kommen. Ich hatte ja selbst seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu ihm vor dem Konzert. Außerdem hätte ich mir nie sicher sein können, dass du zum Beispiel jetzt nicht nur mit mir befreundet bist, weil ich Mik kenne oder so. Und andererseits kommt es auch komisch, wenn ich jedem erzählt hätte, dass ich Mik von früher kenne. Klingt ziemlich arrogant."

Luna nickte.

"Stimmt schon."

Kurzes Zögern.

"Wann hättest du mir davon erzählt?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Hab ich doch. Ich hätte doch niemals Miks Anruf angenommen, wenn ich nicht gewollt hätte, dass du es erfährst."

"Stimmt. Das ist ... krass. Du bist einfach mit Mik befreundet."

Ich zuckte mit den Schultern.

"Moooment: Willst du was von ihm?"

Ertappt blinzelte ich.

"Neeeeeein. Moment: Ist er schwul?"

Ich zuckte mit den Schultern, nickte.

"Hattet ihr schon Mal etwas?"

Erneutes Nicken.

"Wir ... Wir waren mal ein halbes Jahr lang oder so zusammen."

"Whaaaat? Warum hattet ihr euch getrennt?"

Ich seufzte. Luna schien es wirklich zu interessieren, also erzählte ich ihr die ganze Geschichte von Miks und meiner Freundschaft, wie vor ein paar Wochen schon seinen Freunden. Luna klatschte begeistert in die Hände, als ich geendet hatte.

"Schnapp ihn dir, Dennis, schnapp ihn dir!"

Sie schien aufgeregt.

Verlegen fuhr ich mir durch die Haare, als Luna kurzerhand mein Handy aus meiner Tsche zog und es mir in die Hand drückte.

"Ruf ihn an. Im Ernst. Ruf ihn zurück. Es wird ja einen Grund gegeben haben, warum er dich angerufen hat."

Ich verzog kurz das Gesicht.

"Komm schon, ich kann auch währenddessen in die Küche gehen und uns was zu trinken holen oder so."

"Nein, bleib. Alles gut. Meinetwegen. Ich ruf ihn zurück. Aber wahrscheinlich wollte er eh nur einfach reden."

"Dann frag ihn doch einfach? Oder hat der Junge kein Whatsapp?"

"Doch, klar. Warte, ich schreib ihm."

Ich biss mir leicht auf die Unterlippe, während ich Whatsapp öffnete. Luna rutschte auf dem Sofa neben mich.

"Darf ich gucken?"

Ich nickte abwesend und während sie jetzt auch meinen Bildschirm betrachtete, tippte ich die Nachricht an Mik.

Hast du gerade aus irgendeinem Grund angerufen oder bloß, um zu quatschen? 😅

Ich schickte die Nachricht ab und sofort änderte sich Miks Profil auf online, gleich darauf auf schreibt.

Beides? 😂 Aber stress dich nicht, hat Zeit.

Luna neben mir schlug auffordernd gegen meine Schulter.

"Na mach schon! Ruf ihn an! Man, du magst ihn doch, dann lass ihn nicht zappeln!"

Ich seufzte, nickte und schloss Whatsapp, nur um in meinen Kontakten Miks Namen zu suchen, seinen Kontakt auszuwählen und - auf Lunas forderndes "Jetzt mach schon!" hin - auf das grüne Hörersymbol zu klicken. Es tutete zwei, Mal an, bis Mik abnahm, ich schaltete wieder den Lautsprecher ein.

"Hey, Mik. Ich bin noch bei Luna, sie hört noch mit."

Mik lachte leise.

"Alles klar. Hey, Luna."

"Hi, Mik."

"Dennis? Was ist los? Warum rufst du schon an?"

"Du hast mich neugierig gemacht. Du ... du hast vorhin aus einem bestimmten Grund angerufen?"

"Ja. Es ist ... hör zu, Dennis. Ich hab noch zwei Wochen Tour. Danach geht es nach Hause, aber ich werde viel Zeit im Studio verbringen und so. Wir haben viele neue Projekte geplant. Also es wird ziemlich stressig werden."

Ich schluckte, ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit.

"Also ... Meinst du, es ist besser, wenn ich nicht komme?"

Ich spürte Lunas Hand, die sich auf meinen Unterarm legte, meine Enttäuschung zu spüren schien.

"Was? Nein, Babyboii." - Luna quietschte fast lautlos auf - "Darauf wollte ich nicht hinaus. Im Gegenteil. Ich hatte gehofft, du würdest mich vielleicht nächstes Wochenende besuchen schon. Ich weiß, das ist spontan und alles, aber ... ich hätte dich gerne beim letzten Konzert dabei."

Sofort war mein schlechtes Gefühl wie weggeblasen.

"Sicher?"

Luna sah mich böse an. Ich wusste selbst nicht, warum ich noch einmal nachfragte.

"Wenn du frei bekommst da? Geht das so spontan bei euch innerhalb von der Woche?"

Ich nickte, merkte jedoch, dass das am Telefon wenig Sinn ergab.

"Klar, das sollte gehen, natürlich. Wenn du ... wo seid ihr denn das Wochenende? Also welche Stadt?"

"Dortmund und Köln. Du könntest am Freitag wenn du willst nach Dortmund kommen, mit uns dann Sonntag Vormittag mitm Tourbus nach Köln und wenn du frei bekommst am Montag Nachmittag irgendwann wieder heim, wenn wir auch fahren. Also, wenn du willst."

"Das klingt ... Klar, total gerne. Ich werde mir die Tage frei boxen auf der Arbeit. Ich ... ich würde heute Abend schauen, wie ich kommen kann und dir dann bescheid geben, welchen Zug ich gebucht habe. Kennst du da ein Hotel oder so, in dem ich mir für zwei Nächte ein Zimmer nehmen kann?"

"Ich besorg dir was."

"Danke. Sag mir dann einfach die Tage, was es kostet, dann können wir das regeln."

"Hmmm ... Apropos. Dennis? Ich würde dir die Fahrt nach Dortmund und von Köln zurück gerne zahlen."

"Nein. Mik. Du weißt, dass ich das nicht will. Ist schon okay, wirklich. Ganz arm bin ich jetzt auch nicht."

Ich lachte kurz gekünstelt, Mik am anderen Ende der Leitung seufzte.

"Dennis, hör mir zu. Babyboii. Ich will schließlich, dass du jetzt schon kommst, weil ich dich vermisse. Also ist es nur fair, wenn ich dir die Farten zahle. Nimm's einfach an bitte."

Ich wollte erneut protestieren, als Luna, deren Anwesenheit ich inzwischen fast vollkommen ausgeblendet hatte, mir das Telefon aus der Hand riss und selbst an sich nahm.

"Mik? Hör nicht auf ihn. Natürlich nimmt er das Angebot gerne an und ist dir super dankbar."

Mik lachte, während ich gar nicht dazu kam, zu protestieren.

"Sehr schön. Danke. Er soll mir einfach die nächsten Tage die Uhrzeiten schicken, dann buch ich ihm das Ticket."

Luna grinste triumphierend.

"Und Dennis? Denk gar nicht daran, das Angebot doch noch abzulehnen. Sonst seh ich mich leider gezwungen, die letzten beide Konzerte abzusagen und zu dir zu fahren, um dich zu sehen."


* * * * *

»Babyboii.«

Kaum war Dennis in die Nähe der Stelle gekommen, an der Mik und seine Kumpels direkt vor dem Schultor außerhalb des Geländes an der Raucherecke standen, hatte sein bester Freund ihn auch schon entdeckt und mit einer Bewegung zu sich gewunken. Bei ihm angekommen umarmten sie sich kurz, auch wenn sie sich nur zwei Schulstunden lang nicht gesehen hatten, nachdem Mik über Nacht bei Dennis gewesen war und sie gemeinsam zur Schule gekommen waren. Dennis lehnte mich erschöpft von der vergangenen Doppelstunde Geschichte gegen Mik, der einen Arm um ihn liegen ließ und erneut an seiner brennenden Zigarette zog, wobei er den Rauch extra so in die Luft pustete, dass sein Freund ihn nicht einatmen musste. Wortlos nahm Dennis ihm die Kippe aus der Hand und nahm selbst einen tiefen Zug. Er war zwar nicht wirklich Raucher, hatte aber auch nichts dagegen. Mik jedoch schien das anders zu sehen, denn er nahm ihm die Zigarette sofort wieder aus der Hand und drückte sie, obwohl noch nicht ganz heruntergebrannt, auf dem Rand des Mülleimers aus, wo er sie wegwarf.

»Fang gar nicht erst an mit dem Scheiß, Dennis«

»Du rauchst doch auch?«

»Na und? Wenn ich meine Gesundheit aufs Spiel setze ist das eine Sache. Aber ich will nicht, dass du dir auch deinen Körper so zerstörst, bitte.«

Zwar verdrehte Dennis die Augen, kuschelte sich im selben Moment aber näher an seinen besten Freund. Kurz spürte er dessen Lippen auf seinen Haaren und wie er mit der Hand, die um ihn gelegt war, über seinen Arm strich.

Irgendwie war es süß, wie er sich um ihn sorgte.

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Hayho, Leute!

Ab dieser Woche wird es für all meine Storys einen Uploadplan geben. »Buntes Papier wird es vorerst wöchentlich Mittwochs und Samstags geben. Den ganzen Uploadplan findet ihr auf meinem Profil in meinem »Random Stuff«-Buch. (Heute war eine Ausnahme, da ich mit dem gestrigen getauscht habe, um noch den Screenshot zu erstellen)

Feedback würde mich wie immer freuen.

Ansonsten sehen wir uns am Samstag wieder :)

Liebe Grüße, minnicat3

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